Die Bezeichnung „Trauma“ wäre vermutlich übertrieben, aber für eine prägende Erinnerung hat das Erlebnis in jedem Fall gesorgt: Buchhändler Jan war als Zwölfjähriger bis über beide Ohren in ein reizendes Au-pair-Mädchen verknallt und entsprechend schockiert, als er die für Marcel Proust schwärmende Französin im Bett seiner Mutter Viktoria erwischte. Damals hat er ein Liebesideal entwickelt, das für jedes sterbliche Wesen unerreichbar ist; schon allein die Bedingung, dass eine Frau seine Liebe zu Proust teilen muss, lässt die Kandidatinnen in der Regel scheitern. Umso entzückter ist Jan (Max Riemelt), als eines Tages Rosalie (Antje Traue) in seinen Laden schneit. Sie ist schön, liebt Literatur und zitiert Proust: die perfekte Seelenverwandte; bis sich herausstellt, dass sie die neue Lebensgefährtin von Viktoria (Katja Flint) ist. Endgültig kompliziert wird die Sache, als Jans Mutter ihn bittet, Samenspender für das gemeinsame Wunschkind der beiden Frauen zu werden; er wäre Vater und Bruder in einer Person. Zunächst ist er schockiert, dann willigt er ein. Als er nicht auf Knopfdruck liefern kann, schlägt er vor, die Befruchtung klassisch zu vollziehen, was bei Viktoria große Empörung hervorruft. Rosalie ist jedoch bereit, sich darauf einzulassen.
Das Thema wäre auch ein guter Dramenstoff, aber eine Komödie ist natürlich die reizvollere Verpackung. Vor einigen Jahren hätte der Film prima auf den Freitagstermin im „Ersten“ gepasst. Das war in der Übergangsphase, als die neue Leitung der ARD-Tochter Degeto das Stammpublikum des Sendeplatzes mit vergleichweise revolutionären Geschichten konfrontiert hat. Ein Paradebeispiel ist „Vier kriegen ein Kind“ (2015), eine Komödie über zwei gleichgeschlechtliche Paare mit Kinderwunsch. Mittlerweile ist Einiges von der damaligen Aufbruchsstimmung, in deren Elan unter anderem anspruchsvolle Komödien wie „Kleine Schiffe“ (2013), „Mona kriegt ein Baby“ (2014) oder „Mein Sohn Helen“ (2015) entstanden sind, auf der Strecke geblieben. Würde die Degeto, heißt es in Autorenkreisen, „Vier kriegen ein Kind“ heute noch mal verfilmen, würden die beiden Paare am Ende über Kreuz zwei klassische heterosexuelle Beziehungen eingehen. Für „Die Freundin meiner Mutter“ hieße das wohl: Rosalie erkennt nach dem Zeugungsakt mit Jan, dass sie auf dem falschen Dampfer war, und lässt ihre Vorliebe für Frauen wie eine jugendliche Verirrung hinter sich. Der Film ist jedoch im Auftrag des NDR entstanden, weshalb das Drehbuch keinen Verrat an der Figur begeht. Die Botschaft der Geschichte ist ohnehin eine ganz andere, denn nicht Rosalie, sondern Jan ist es, der einen Lernprozess durchmacht und schließlich erkennt, dass seine Schwärmerei für Proust-Verehrerinnen jahrelang den Blick fürs Wesentliche verstellt hat.
Hintergrund-Info:
Laut NDR basiert das Projekt auf einer Idee von Ilja Haller, dem verstorbenen Geschäftspartner des Produzenten Philip Voges. Kirsten Peters, teilt der Sender mit, „hat dann ein Drehbuch verfasst, das die Grundlage für die weitere Stoffentwicklung war. Voges und Martin Rehbock haben es weiterentwickelt und überarbeitet, später hat Rehbock das Buch alleine weiter geschrieben und finalisiert, mit Philip Voges als betreuenden Produzenten. Martin Rehbock ist der Hauptautor und hat den größten Anteil an dem verfilmten Buch.“
Obwohl die Konstellation alle Voraussetzungen für eine „turbulente“ romantische Komödie erfüllt, ist der Film trotzdem nicht rundum gelungen. Die Stabangaben nennen gleich drei Autorennamen (Martin Rehbock, Philip Voges, Kirsten Peters). Das ist ohnehin kein gutes Zeichen; erfahrungsgemäß sinkt die Qualität eines Drehbuchs umgekehrt proportional zur Anzahl der Menschen, die mitreden. Einiges ist allerdings auch eine Frage der Umsetzung: Die zum Teil recht komplizierten Dialoge werden mitunter nicht glaubwürdig vorgetragen. Dass die Kapitalismuskritik von Jans Vater (Ernst Stötzner) oder die feministischen Vorträge Viktorias deklamiert klingen, ist dabei das kleinere Manko; die Tiraden sind genauso formelhaft wie im wahren Leben. Aber auch die Kneipengespräche zwischen Jan und seiner Mitbewohnerin und besten Freundin Hannah wirken einstudiert, und das ist ein Problem, denn in diesen Szenen sollte es eigentlich knistern. Dass das nicht passiert, ist auch eine Frage der Besetzung. Regisseur Mark Monheim hat mit Jasna Fritzi Bauer sein Regiedebüt „About a Girl – Das Leben steckt voller Überraschungen“ (2015) gedreht, eine wunderbar gespielte Tragikomödie über das ganz normale Dasein eines Teenagers zwischen Lebensmüdigkeit und Übermut. Der Titel dieses Films (Drehbuch: Monheim und Rehbock) erinnert nicht ohne Grund an Nick Hornbys Frühwerk „About a Boy“; Monheim hat mit seiner perfekt austarierten Mischung aus Ironie und Empathie exakt den Tonfall des englischen Erfolgsautors getroffen. Die Titelfigur war wie geschaffen für Bauer, die schon in ihrer ersten Hauptrolle als Mädchen mit Tourette-Syndrom („Ein Tick anders“, 2011) großartig war und seither eine ganze Reihe rotziger Rollen gespielt hat (allen voran in „Axolotl Overkill“, 2017). Das schließt eine Mitwirkung in einer romantischen Komödie natürlich nicht aus, hat aber zumindest eine gewisse Gewöhnungsbedürftigkeit zur Folge, zumal sie es auch als Hannah nicht darauf anlegt, sonderlich liebenswert zu erscheinen. Erschwerend kommt hinzu, dass ihre Comedy-Auftritte, die im Wesentlichen von Jans frustrierenden Frauengeschichten handeln, nicht witzig sind, weshalb das Gejohle des weiblichen Publikums aufgesetzt wirkt; aber dieses Manko gilt für so gut wie alle Filme mit Stand-up-Comedy-Einlagen.
Soundtrack: The Temptations („My Girl“), David Bowie („Ziggy Stardust”), Daryl Hall & John Oates („You Make My Dreams”), Bright Eyes („First Day Of My Life”)
Der Rest des Ensembles passt dagegen ausgezeichnet zur jeweiligen Rolle. Ernst Stötzner ist mit seiner trockenen Art ohnehin ein Gewinn für jeden Film, Katja Flints stets ein wenig überspannte Attitüde deckt sich gut mit der dogmatischen Viktoria. Eine kleine Überraschung ist Antje Traue, die Rosalie nicht etwa wie in „Mordkommission Berlin 1“als Vamp anlegt (was ihr problemlos gelingen würde), sondern als leicht verhuschte schlummernde Schönheit, wozu auch ihre altmodische Kleidung beiträgt. „Fanny und die geheimen Männer“ ist qualitativ daher gewissermaßen eine Schnittmenge von Monheims bisherigen Fernseharbeiten: hier ein gerade von den jungen Darstellern vorzüglich gespieltes Jugenddrama über eine Sommerparty, die mit einer mehrfachen Vergewaltigung endet („Alles Isy“, ARD 2018, Buch und Regie zusammen mit Max Eipp); dort zwei im Auftrag der Degeto entstandene Krimikomödien mit Jutta Speidel („Fanny und die geheimen Väter“, „Fanny und die gestohlene Frau“, 2016), denen es in jeder Hinsicht an Witz, Tempo und Originalität mangelte.
Richtig gut ist allerdings die Musik (Tobias Wagner), eine muntere Mischung aus Jazz und Rock, die dem Film ein Lebensgefühl und ein Tempo verleiht, mit dem die Bilder nicht immer Schritt halten können. Auf der anderen Seite gibt es einige schöne (und schön gespielte) Momente, etwa die Karaoke-Liebeserklärung Rosalies, die Jan irrtümlich auf sich bezieht. Mit angemessenem Feingefühl hat Monheim auch den von beiden Partnern mit großer Befangenheit vollzogenen Zeugungsakt inszeniert. Eher unnötig ist dagegen das Drumherum: Jan und Rosalie müssen ins Hotel ausweichen, und wie der Zufall so spielt, trifft sich Hannah hier mit einem Kerl (Stefan Brentl) zum One-Night-Stand. Weil sie überhaupt keine Lust auf Sex hat und das Ganze nur macht, um Jan eins auszuwischen, imitiert sie zwischendurch auf dem Klo Kotzgeräusche. Originell wird die Sequenz erst, als alle Beteiligten inklusive Jans Eltern später vor dem Eingang aufeinandertreffen. Ähnlich klamottig sind auch andere vermeintlich humoristische Momente: Als Jan erfährt, dass er als Samenspender fungieren soll, prustet er seinen Champagner aus; später muss er beim gemeinsamen Indoor-Klettern mit Hannah aufs Dialogstichwort aus der Wand fallen. Eher misslungen ist auch ein „Notting Hill“-Auftritt gegen Ende, als Jan während Hannahs Show einen Mea-Culpa-Monolog hält. Viele dieser „Gags“ wirken, als habe jeder, der an der Buchbearbeitung beteiligt war, ein paar Witze hinzugefügt; selbst der alte Samenspenderscherz „Schön, dass Sie gekommen sind“ wird bemüht. Diese Szenen machen „Die Freundin meiner Mutter“ nicht zu einem schlechten Film, aber viele sind ebenso überflüssig wie der Schluckauf, der Jan ereilt, wenn es emotional kritisch wird; und sie widersprechen dem Anspruch, den die Verantwortlichen sicherlich im Sinn hatten. Immerhin können sich die Hamburger freuen: Das Location-Scouting hat dafür gesorgt, dass auch mal andere Schauplätze der Hansestadt zur Geltung kommen.