Die Entdeckung der Currywurst

Barbara Sukowa, Uwe Timm, Ulla Wagner & die Politik der Gefühle in schwerer Zeit

Foto: NDR / Tom Trambow
Foto Rainer Tittelbach

„Die Entdeckung der Currywurst“ erzählt von der wieder erwachten Sinnlichkeit einer Frau, an der der Zahn des Krieges genagt hat. Sie blüht wieder auf, während es der junge Soldat bald nicht mehr in seinem Glückskäfig aushält. Wunderbar getragen, ja hinweg getragen über den historischen Horizont wird dieser angenehm unprätentiöse, sparsam ausgestattete Film von Barbara Sukowa. Ein gefundenes Fressen für die große Menschendarstellerin!

Der Zweite Weltkrieg nähert sich seinem Ende. Lena, Ende 40, Kantinenleiterin ohne Parteibuch, erwartet nicht mehr viel vom Leben. Glücksmomente sucht sie im Kino. Dort trifft sie eines Abends auf einen jungen Marinesoldaten, der zum „Endkampf an der Heimatfront“ abkommandiert wurde. Jener Hermann erinnert sie an ihren Sohn, der mit gerade mal 16 Jahren das Vaterland retten soll. Sie nimmt den Soldaten mit zu sich nach Hause, sie kocht für ihn, holt ihn in sein Bett, zieht ihm die Kleider ihres Mannes an und versteckt ihn vor dem neugierigen Blockwart. Die Wohnung wird zum Refugium für das ungleiche Paar. Dann ist der Krieg vorbei, und Lena weiß, dass Hermann eine Familie hat…

Die Entdeckung der CurrywurstFoto: NDR / Tom Trambow
Der junge Soldat erinnert Lena an ihren Sohn im Feld. Barbara Sukowa und Alexander Khuon

„Die Entdeckung der Currywurst“ erzählt von der wieder erwachten Sinnlichkeit einer Frau, an der der Zahn des Krieges genagt hat. Sie blüht auf, während es der junge Soldat bald nicht mehr in seinem Glückskäfig aushält. Es ist ein kleiner, feiner Film, der einiges vom Ausnahmezustand des Krieges und der daraus resultierenden Politik der Gefühle in jenen schweren Zeiten miterzählt, ohne die Themenpalette vom Dritten Reich und Zweiten Weltkrieg durchzudeklinieren. Im Film nach dem gleichnamigen Roman von Uwe Timm geht es um die einfache Glückssuche in schweren Zeiten. Da passt es, dass die Ausstatter keine großen Geschütze auffahren. Ein paar Trümmer, mal ein Jeep, mal die Geräusche eines Bombenangriffs – mehr Kriegsnaturalismus ist nicht in diesem Film von Ulla Wagner („Anna Wunder“), der seine stärksten Momente in der Intimität eines einzigen Raumes findet.

Wunderbar getragen, ja hinweg getragen über den historischen Horizont wird dieser angenehm unprätentiöse Film von Barbara Sukowa. Ihre Rolle besitzt viele Facetten. Lena ist Mutter, Ehefrau, sie fühlt sich aber wie eine Witwe. Der Krieg hat aus ihr ein patentes Frauenzimmer gemacht, sie ist eine „anständige“ Frau, sie droht zu verblühen, bevor sie sich in den Armen Hermanns wieder lebendig fühlen kann. In Kriegszeiten ist sie mutig, selbstbewusst, eine Frau, die ihren Mann stehen muss. Der Ausbruch des Friedens macht sie kurzzeitig schwach, ängstlich – bis ihr Geliebter weg ist. Sie nimmt das Leben wieder in die Hand und erfindet die Currywurst. Gefundenes Fressen für die große Menschendarstellerin!

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Kinofilm

NDR

Mit Barbara Sukows, Alexander Khuon, Wolfgang Böck, Branko Samarovski, Götz Schubert, Frederick Lau

Kamera: Theo Bierkens

Schnitt: Corina Dietz

Musik: Christine Aufderhaar

Produktionsfirma: Tag/Traum Filmproduktion, Känguruh Film

Drehbuch: Ulla Wagner – nach der Novelle von Uwe Timm

Regie: Ulla Wagner

Quote: 4,05 Mio. Zuschauer (12,4% MA)

EA: 08.10.2010 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach