Die Eifelpraxis – Eine Dosis Leben

Rebecca Immanuel, Simon Schwarz, Müller, Schnee. Rundum positiv & sympathisch

Foto: Degeto / Hardy Spitz
Foto Tilmann P. Gangloff

Der zweite Film aus der ARD-Reihe „Eifelpraxis“ bietet erneut eine Kombination glaubwürdig gespielter großer und kleiner Dramen rund um die von Rebecca Immanuel mit viel positiver Ausstrahlung verkörperte Versorgungsassistentin, die ihre Aufgabe vor allem als Seelsorgerin versteht. Die zentrale Erzählung handelt von einem jungen Mann, der seit einem Autounfall jede Lebensfreude verloren hat. Die Degeto-Dramödie nimmt die behandelten Probleme ernst und ist daher mehr als bloßer Zeitvertreib, bleibt aber dennoch unterhaltsam.

Manchmal genügt ein Bild, um einen Film sehenswert zu machen. Das funktioniert freilich nur, wenn der Rest nicht völlig niveaulos ist, aber davon kann beim zweiten Teil der Reihe „Die Eifelpraxis“ keine Rede sein. Dafür steht allen voran die Hauptfigur. Im ersten Film, „Erste Hilfe aus Berlin“, ist Krankenschwester Vera Mundt (Rebecca Immanuel), alleinerziehende Mutter zweier Kinder, von der Hauptstadt in die Eifel umgezogen, um dort eine Stelle als Versorgungsassistentin eines Landarztes zu übernehmen. Als rechte Hand von Chris Wegner (Simon Schwarz) hat sie straffe Tagespläne: Sie übernimmt die Hausbesuche seiner Langzeitpatienten, und weil sich das Einzugsgebiet der Monschauer Praxis auch auf die umliegenden Dörfer erstreckt, ist sie viel unterwegs. Da Vera ihre Arbeit nicht bloß als Job versteht und sich neben den körperlichen Versehrtheiten auch der seelischen Nöte annimmt, läuft ihr ständig die Zeit davon. Außerdem hat sie ein großes Herz und kümmert sich auch um Menschen, die zwar gesund sind, aber dafür andere Probleme haben; und dann sind da ja auch noch die Kinder. Im wirklichen Leben wäre Vera schon nach kurzer Zeit eine Burnout-Kandidatin. Dass in diesem Dasein kein Platz mehr für Sex geschweige denn eine Beziehung ist, liegt auf der Hand. Deshalb wacht Vera jeden Morgen aus dem immer gleichen Traum auf, in dem sie eine erotische wie unheimliche Begegnung mit einem Mann im Eisbärkostüm hat.

Mit dieser Szene beginnt der Film, und ähnlich heiter geht es weiter, zumindest auf der Beziehungsebene, denn Autorin Brigitte Müller („Der Bergdoktor“), die auch Teil eins geschrieben hat, konfrontiert ihre Heldin mit mehreren Liebeskandidaten. Ihr Chef sowie der Schulleiter Ortmann (Janek Rieke) wirkten schon in Teil eins mit, aber nun trifft Vera auch noch regelmäßig auf einen schmucken Weißkopf (Ralph Herforth), mit dem sie einige schlagfertige Dialogduelle führt. Die Gespräche mit dem Arzt sind dagegen seriöser Natur und drehen sich fast alle um einen neuen Patienten, dessen Krankengeschichte mehr und mehr in den Mittelpunkt rückt: Max (Leonard Proxauf) ist seit einem Autounfall vor zwei Jahren, bei dem seine Eltern ums Leben kamen, querschnittsgelähmt. Der junge Mann, bis dahin extrem sportlich, vegetiert nur noch vor sich hin. Während Wegner ihm weitere Schmerzmittel verweigern will, um ihn aus seiner Apathie zu locken, versucht es Vera mit Verhandlungs-Taktik: Max bekommt die ersehnten Schmerzmittel, wenn er gymnastische Übungen macht.

Die Eifelpraxis – Eine Dosis LebenFoto: Degeto / Hardy Spitz

Etwas strenger ist TV-Spielfilm in seinem Urteil: „Guter Geist schenkt Lebensmut, steckt aber selbst in Liebes- und anderen Nöten. Das schnurrige Konzept, bekannt von ‚Landärztin‘ Christine Neubauer und ‚Dorfhelferin‘ Simone Thomalla, wird ziemlich altbacken, mäßig witzig, aber leidlich charmant umgesetzt.“

Christoph Schnee, der die Regie der Teile zwei und drei (am 3. Februar) von Sibylle Tafel übernommen hat, dramatisiert die entsprechenden Szenen zwar nicht, aber er hat dafür gesorgt, dass sich der Tonfall unmerklich wandelt: Anfangs wirkt „Eine Dosis Leben“ auch dank der Musik vergleichsweise unbeschwert. Die Nöte der Menschen werden zwar ernst genommen, aber die Sommerbilder vermitteln eine positive Stimmung; Aufnahmen vom Rursee, ein Rundflug sowie gelegentliche Zwischenschnitte mit Fachwerkimpressionen aus dem beschaulichen Monschau sorgen für Urlaubsatmosphäre. Aber dann mehren sich die Momente, in denen die Sonne nicht scheint (ohne dass die Szenerie gleich düster wäre). Max’ offenkundige Lebensmüdigkeit schlägt selbst der unverwüstlichen Vera aufs Gemüt, zumal die Auseinandersetzungen mit ihrem Chef an Schärfe zunehmen. Als Wegner, der selbst im Rollstuhl sitzt, den jungen Mann im Wald aussetzt, damit Max endlich seinen inneren Schweinehund überwindet, wirft Vera ihm „Bootcamp“-Methoden vor. Schließlich erkennt sie, dass Max’ Verletzungen vor allem psychischer Natur sind, und so kommt es zu jenem Bild, das den gesamten Film auf eine höhere Stufe hebt: Gemeinsam mit Vera besucht Max zum ersten Mal das Grab seiner Eltern. Auf dem Grabstein steht neben den Namen und den Daten nur ein einziges Wort, das tatsächlich groß genug ist, um sein Leben zu verändern.

Soundtrack: Timothy Auld („Waste Some Time“), Death Cab For Cutie (“What Sarah Said”), Katy Perry (“Wide Awake”)

Die Eifelpraxis – Eine Dosis LebenFoto: Degeto / Hardy Spitz
Vera (Rebecca Immanuel) lässt sich von den Spielchen ihrer Patientin, Frau Böhl (Marie Anne Fliegel), nicht aus der Reserve locken. Das eine oder andere Likörchen für Autorin Brigitte Müller hätte dem Drehbuch übrigens nur guttun können.

Gemessen an den existenziellen Dimensionen dieses zentralen Erzählstrangs sind die weiteren Begebenheiten Petitessen, aber sie sorgen dafür, dass die Geschichte viele unterschiedliche Emotionen bedient. Rund um Veras Sohn Paul (Tom Böttcher) gestaltet Müller eine vertrackte Beziehungsebene, weil sich der Junge zwischen zwei Schwestern entscheiden muss. Veras Freundin Danuta (Karolina Lodyga) wiederum, eine polnische Pflegerin und Haushaltshilfe, muss sich mit einer alten Schreckschraube (Marie Anne Fliegel) herumschlagen und fürchtet, der Sohn (Tom Keune) der Frau habe es auf sie abgesehen; dabei ist der Mann schwul. Die Gespräche mit Danuta sorgen für einige hübsche Freundschaftsszenen, zumal die Pflegerin wie alle Polinnen ein Quell von Lebensweisheiten à la „Denken ist Gift für die Liebe“ ist.

Eine Art erzählerischer Blinddarm sind dagegen die Gespräche mit Beatrice (Tanja Wedhorn), die sich wegen ihrer Schlaflosigkeit auf einen Campingplatz zurückgezogen hat. Die kluge Vera erkennt, dass Beatrice in Wirklichkeit ganz andere Probleme hat: Sie leidet unter den beginnenden Wechseljahren und ist überzeugt, die Männerwelt beachte sie nicht mehr; ehelicher Sex findet schon länger nicht mehr statt. Für die Zielgruppe des Films ist das ohne Frage ein Thema, auch wenn Tanja Wedhorn sicher keine Frau ist, die man als Mann für unscheinbar halten würde. Aber Beatrice erfüllt in Müllers Buch auch eine dramaturgische Funktion, denn sie ist die Gattin von Schulleiter Ortmann, der sich ebenfalls in Veras Träumen tummelt; und dann entdeckt sie, dass im Haus ihres Chefs ein Eisbärfell auf dem Boden liegt. Auch wenn nicht alle Ideen, die im Drehbuch vermutlich flott und originell wirkten, die Umsetzung unbeschadet überstanden haben: Die rundum positive Stimmung des Films ist überaus sympathisch. Und als Vera am Ende eine Verabredung mit ihrem Chef platzen lässt, um stattdessen mit dem frechen Fremden zu tanzen, weckt „Eine Dosis Leben“ auch noch die Vorfreude auf den nächsten Film, „Väter und Söhne“ (3. Februar).

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Reihe

ARD Degeto

Mit Rebecca Immanuel, Simon Schwarz, Karolina Lodyga, Tom Böttcher, Mascha Schrader, Janek Rieke, Anna Böttcher, Sarah Mahita, Olga von Luckwald, Leonard Proxauf, Tanja Wedhorn, Marie Anne Fliegel, Ludwig Simon, Ralph Herforth

Kamera: Diethard Prengel

Szenenbild: Bärbel Menzel

Kostüm: Bettina Weiß

Schnitt: Oliver Grothoff

Musik: Stefan Hansen

Produktionsfirma: UFA Fiction

Drehbuch: Brigitte Müller

Regie: Christoph Schnee

Quote: 3,98 Mio. Zuschauer (12,6% MA)

EA: 27.01.2017 20:15 Uhr | ARD

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