Die Diplomatin – Tödliches Alibi

Wörner, Schümann, Beyer, Erceg, Osvárt, Busche, Richter. Nachts um halb zwölf

Foto: Degeto / Roland Suso Richter
Foto Tilmann P. Gangloff

Schon der letzte Film der Degeto-Reihe „Die Diplomatin“ (UFA Fiction) war im Vergleich zu den früheren Episoden eher schwach; „Tödliches Alibi“ setzt diese Tendenz fort. Dabei kombiniert der Film auf geschickte Weise einen scheinbar glasklaren Fall mit der faszinierenden Technologie intelligenter medizinischer Prothesen. Wie alle Arbeiten Roland Suso Richters zeichnet sich zwar auch diese durch optischen Aufwand und eine hochwertige Bildgestaltung aus, aber die Geschichte und ihre Umsetzung sind längst nicht so packend wie andere Krimis des Regisseurs; daran kann auch die gute Musik von Chris Bremus nichts ändern. Natalia Wörner wirkt zudem etwas steif; die ungarische Schauspielerin Andrea Osvárt hinterlässt als Gegenspielerin der Titelheldin einen wesentlich größeren Eindruck.

Die Kirchenuhr hat halb zwölf geschlagen, da ist sich Karla Lorenz ganz sicher. Der Mann, mit dem sie essen war, kann also unmöglich zur gleichen Zeit einen Autounfall mit Todesfolge verursacht haben; aber alle Indizien sprechen gegen ihn. Dieses Rätsel bildet die interessante kriminalistische Herausforderung des fünften Films mit Natalia Wörner als deutsche Botschafterin in Prag. Ihr nächtlicher Begleiter, Daniel Stokr (Stipe Erceg), ist Referent im tschechischen Ministerium für Industrie und Handel, das für ein faszinierendes Projekt verantwortlich ist: Im Rahmen eines „Future Campus“ konstruiert der deutsche Unternehmer Lahnert (Constantin von Jascheroff) intelligente Prothesen mit KI-Software; auf diese Weise kann zum Beispiel ein querschnittsgelähmtes kleines Mädchen wieder seine Beine bewegen. Lahnerts Firma ist Weltmarktführer für Roboter im medizinischen Bereich und hat Prag auch dank einheimischer Fördergelder zum neuen Forschungsstandort erkoren. Bindeglied zwischen den beiden Ebenen ist Stokr: Im Ministerium sind drei Millionen Euro verschwunden, die für das von ihm geleitete deutsch-tschechische Projekt bestimmt waren. Wenn das Geld nicht binnen 48 Stunden wieder auftaucht, fühlt sich Lahnert nicht mehr an den Vertrag gebunden und wird seine Forschungen nicht wie vereinbart in Deutschland, sondern im preiswerteren osteuropäischen Ausland fortsetzen.

Die Diplomatin – Tödliches AlibiFoto: Degeto / Roland Suso Richter
Staatssekretärin Zdenek spielt nicht mit offenen Karten und Andrea Osvárt stiehlt der Hauptdarstellerin die Show.

Für einen Krimi ist dieser wirtschaftlich-technologische Hintergrund zwar etwas kompliziert, weshalb Karla Lorenz ausgerechnet ihrem wichtigtuerischen Stellvertreter (Michael Ihnow) erläutern muss, warum Deutschland nicht auch noch im Bereich der Künstlichen Intelligenz den Anschluss verpassen darf, aber dennoch reizvoll. Kompliziert wird der Fall, weil Autor Christoph Busche, der auch die letzten beiden Episoden der von der Degeto verantworteten Reihe geschrieben hat, zusätzlich ein emotionales Geflecht entwirft: Die Diplomatin hat eine Beziehung mit dem zuständigen Kommissar, Jan Horava (Alexander Beyer). Der hält Stokr für einen Nebenbuhler und konzentriert seine Ermittlungen ausschließlich auf ihn. Der Referent wiederum hatte mal was mit seiner Chefin, der attraktiven Staatssekretärin Zdenek (Andrea Osvart), die ihre schützende Hand über den Kollegen hält, obwohl die Scheinfirma, an die die Zahlungen geflossen sind, den Namen seines Heimatorts trägt.

Trotz des reichlichen Erklärungsbedarfs lässt sich nachvollziehen, was Regisseur Roland Suso Richter an der Geschichte gereizt hat, und theoretisch hätte aus „Tödliches Alibi“ ein richtig guter Krimi werden können, aber die jüngste Tendenz der 2016 gestarteten Reihe setzt sich fort: „Jagd durch Prag“ (2018), der dritte Film, war ein ausgezeichneter Polit-Thriller über ein brisantes Thema (ein geheimes Foltergefängnis der CIA auf tschechischem Boden), aber schon „Böses Spiel“ (2019) war optisch und inhaltlich längst nicht mehr so spektakulär wie die früheren Episoden. Dabei sind die wichtigsten kreativen Köpfe bei den drei Filmen die gleichen: Drehbuch Busche, Regie Richter, Kamera Max Knauer. Wie alle Filme des Regisseurs zeichnet sich zwar auch die fünfte Folge durch optischen Aufwand und eine hochwertige Bildgestaltung aus, die vor allem durch sorgfältige Lichtsetzung beeindruckt, aber die Geschichte und ihre Umsetzung sind bei weitem nicht so packend wie beispielsweise sein Hochspannungs-Thriller „Borchert und die tödliche Falle“ aus der „Der Zürich-Krimi“-Reihe; von seinen großen TV-Produktionen („Der Tunnel“, „Dresden“, „Mogadischu“, „Die Spiegel-Affäre“) ganz zu schweigen. Daran ändert auch die gute elektronische Musik von Chris Bremus (Stammkomponist der ZDF-Krimireihe „Die Toten vom Bodensee“) nichts. Dass die Tonspur trotzdem für Irritationen sorgt, liegt an einer Problematik, für die selbst Richter keine probate Lösung gefunden hat: Die deutschen Darsteller der Tschechen reden ein makelloses Deutsch, die einheimischen Mitwirkenden mit starkem Akzent.

Die Diplomatin – Tödliches AlibiFoto: Degeto / Roland Suso Richter
Der Look stimmt immer in Roland Suso Richters Filmen. Stipe Erceg & Natalia Wörner in „Die Diplomatin – Tödliches Alibi“

Interessant sind immerhin die futuristischen Elemente, die der Film immer wieder einfließen lässt, und das bezieht sich nicht nur auf die vielen innovativen Spielzeuge, die sich auf dem Future-Campus tummeln. Eine vollautomatische Bar, in der sich Lorenz mit Stokr trifft, hat allerdings eher den Charme von Science Fiction aus den Sechzigerjahren des letzten Jahrhunderts. Andererseits gibt es einige Szenen, die eines Richter-Films schlicht nicht würdig sind, etwa ein Gespräch zwischen Lorenz und ihrem Assistenten (Jannik Schümann), in dem der junge Mann seiner Chefin und damit dem Publikum erklärt, warum die Botschafterin so eine tolle Frau ist; dabei hinterlässt Andrea Osvárt, die ungarische Darstellerin der Staatssekretärin, einen wesentlich nachhaltigeren Eindruck als die wächsern wirkende Wörner. Womöglich hätte es dem Film gutgetan, wenn Busche und Richter das Duell dieser beiden starken Frauen stärker in den Vordergrund gerückt hätten. Am Schluss wird die Handlung für Zuschauer, die nicht alles mitbekommen haben, noch einmal zusammengefasst; das spricht auch nicht gerade für das Drehbuch. (Text-Stand: 12.10.2020)

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Reihe

ARD Degeto

Mit Natalia Wörner, Jannik Schümann, Alexander Beyer, Stipe Erceg, Andrea Osvárt, Constantin von Jascheroff, Kasem Hoxha, Katharina Nesytowa, Michael Ihnow

Kamera: Max Knauer

Szenenbild: Björn Nowak

Kostüm: Nicole Stoll

Schnitt: Patrick Wilfert

Musik: Chris Bremus

Redaktion: Claudia Luzius

Produktionsfirma: UFA Fiction

Produktion: Christian Rohde

Drehbuch: Christoph Busche

Regie: Roland Suso Richter

Quote: 6,16 Mio. Zuschauer (18,6% MA)

EA: 07.11.2020 20:15 Uhr | ARD

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