Die Diplomatin – Böses Spiel

Natalia Wörner, Beyer, Schümann, Busche, Roland Suso Richter. Kaum noch politisch

Foto: Degeto / Roland Suso Richter
Foto Thomas Gehringer

Für Karla Lorenz, die weiterhin deutsche Botschafterin in Prag ist, ist in der Folge „Böses Spiel“ (ARD / UFA Fiction) das diplomatische zugleich privates Parkett: Der Sohn der mit Karla befreundeten Frau des französischen Botschafters gerät in Verdacht, eine junge deutsche Touristin misshandelt zu haben. Im vierten Film aus der Reihe „Die Diplomatin“ sind vor allem die zwischenmenschlichen, weniger die politisch-taktischen Fähigkeiten der von Natalia Wörner souverän gespielten Titelfigur gefragt. Die Reihe schlägt mit diesem von Roland Suso Richter packend und teilweise beklemmend inszenierten Fall um männliche Gewalt eine neue Richtung ein, hin zum klassischen Krimi und privaten Familien-Drama. Politik ist nur noch ein recht eindimensionaler Randaspekt, leider – ein weiterer Beleg dafür, wie schwer sich die deutsche Fiction mit politischen Stoffen tut. Und Krimis gibt‘s beileibe schon genug!

Im vierten Film mit Natalia Wörner als „Diplomatin“ Karla Lorenz sind die außenpolitischen Ambitionen der Reihe kaum noch vorhanden. Ging es zuvor um Themen wie den internationalen Waffenhandel, islamistischen Terror und amerikanische Geheimgefängnisse dreht sich die Folge „Böses Spiel“ um individuelle Männergewalt. Nicht, dass dies kein legitimer Stoff wäre, aber das private Drama steht klar im Vordergrund und wird nur durch eine ziemlich eindimensionale diplomatische Verwicklung angereichert. Geheimdienste, Hinterzimmerpolitik oder komplexere politische Zusammenhänge spielen keine Rolle. Auch die Figur des von Thomas Sarbacher gespielten politischen Direktors im Auswärtigen Amt ist verschwunden, Berlin als Schauplatz ebenso. Verblieben ist eine einzige Szene mit Maren Kroymann als Karlas Tante Alma Lorenz, die zugleich Staatssekretärin ist und in dieser Funktion nach Prag reist, um ihre Nichte von weiteren Ermittlungen abzuhalten. Zweifellos erzählt „Böses Spiel“ einen erschreckenden Fall von Gewalt gegenüber Frauen, auch ist der Film von Roland Suso Richter packend inszeniert, aber das Alleinstellungsmerkmal der Reihe ist weitgehend verloren gegangen. Und auch dank einer neu eingeführten Kommissar-Figur scheint „Die Diplomatin“ auf dem Weg zu einer weiteren der bereits zahlreich existierenden ARD-Varianten von Krimi-Reihen zu sein, die irgendwo im Ausland spielen – ein weiterer Beleg dafür, wie schwer sich das deutsche fiktionale Fernsehen mit politischen Stoffen tut.

Die Diplomatin – Böses SpielFoto: Degeto / Roland Suso Richter
Inga (Birge Schade) fürchtet um das Leben ihrer schwerverletzten Tochter. Lorenz (Natalia Wörner) hat ein offenes Ohr für sie. Das passende Licht: Dass Roland Suso Richter auch für die Pressefotos verantwortlich zeichnet, hat sich gelohnt.

Zum Inhalt: Zwei deutsche Touristinnen werden in Prag von einem jungen Mann angesprochen. Er lädt sie zu sich nach Hause ein, serviert in der prächtigen Residenz seiner abwesenden Eltern Champagner, die Stimmung ist offenbar entspannt. Die beiden Frauen werden allerdings misstrauisch, als weitere Männer an der Tür klingeln und von ihrem Gastgeber eingelassen werden. Was nun passiert, bleibt vorerst offen. Eine der beiden jungen Frauen, Vanessa Kampmann (Anna Lena Schwing), wird dann jedoch schwer verletzt und bewusstlos vor dem Eingang eines Krankenhauses aus einem Auto geworfen. Und bereits in der nächsten Szene wird Philippe Beaumont (Johannes Meister), der junge Gastgeber, von der Schulbank weg verhaftet. Philippe ist der Sohn des französischen Botschafters in Prag, mit dessen Frau Margo (Jeanne Tremsal) Klara Lorenz befreundet ist. Während sie gemeinsam am Ufer der Moldau joggen, erfährt Margo von der Verhaftung ihres Sohnes. Klara unterstützt Margo bei der Polizei: Weil Philippe durch den Diplomaten-Status seines Vaters geschützt ist, muss Kommissar Jan Horava (Alexander Beyer) ihn wieder gehen lassen.

Die von Natalia Wörner souverän gespielte Botschafterin gerät nun als langjährige Bekannte der Familie Beaumont, die von Philippe immer noch „Tante Karla“ genannt wird, in Konflikt mit ihrer Rolle als Botschafterin, die sich um die deutsche Staatsbürgerin Vanessa und ihre angereiste Familie zu kümmern hat. Vanessa liegt im künstlichen Koma und kann nicht aussagen. Das diplomatische ist somit zugleich privates Parkett, denn der französische Botschafter Claude Beaumont (Jean-Yves Berteloot) ist entschlossen, alles zu tun, um seinen Sohn zu schützen. Dass die tschechische Polizei das exterritoriale Gebiet seiner Residenz auf Spuren untersuchen darf, lehnt er entschieden ab. Klara erreicht immerhin, dass Philippe ihr im Beisein der Eltern seine Version erzählt: Demnach habe er sich in Vanessa verliebt, sie hätten zu zweit einvernehmlichen Sex gehabt, und anschließend habe er sie in ein Taxi gesetzt. Auch seine Freunde, deren Namen er freilich nicht preisgeben will, hätten ihr nichts getan. Andererseits war dies bereits der vierte Fall in drei Monaten, in denen ein Lockvogel junge Mädchen ansprach und sie zu einem Treffpunkt lockte, wo sie dann von einer Gruppe von Männern vergewaltigt wurden. Gegen die Vermutung, dass Philippe dieser Lockvogel sein könnte, spricht die Tatsache, dass er die beiden Mädchen nicht an abgelegene Orte brachte, sondern in die Villa seiner Eltern einlud.

Die Diplomatin – Böses SpielFoto: Degeto / Roland Suso Richter

Guter Look. Nikolaus Tanz (Jannik Schümann) trifft sich mit dem Lehrer Pierre (François Goeske), von dem er die Namen der verdächtigten Jugendlichen erfahren möchte.In diesem Film sind vor vor allem Karlas zwischenmenschliche Fähigkeiten gefragt, Einfühlungsvermögen in den Gesprächen mit Philippe und Margo, mit Vanessas Mutter Inga (Birge Schade) oder mit Lydia (Valeria Eisenbart), der zweiten Touristin, die vorzeitig die Residenz des Botschafters verließ, unversehrt geblieben ist und sich nun Vorwürfe macht. Eine neue Richtung schlägt die Reihe auch im Privatleben der Diplomatin ein: Sie findet Gefallen an dem Kommissar – und umgekehrt. Drehbuch und Regie geben der Sache die nötige Zeit, und Wörner und Beyer spielen die langsame Annäherung zweier nicht mehr ganz so junger Menschen, die schon einige Erfahrungen auf dem Buckel haben, glaubhaft und unprätentiös. Schön die Szene im Restaurant, in der der Kommissar die Botschafterin zu einem Tanz aus seiner Heimat bittet und in der parallel zu sehen ist, wie Karla im Bett aufwacht – allein, aber offenbar beschwingt. Die Inszenierung lässt offen, was dazwischen geschehen ist. Alexander Beyer als energischer, bodenständiger und ebenso wie die Diplomatin um Gerechtigkeit bemühter Kommissar ist durchaus eine Freude und ein Gewinn. Allerdings bleibt da die Sache mit der Sprache. Tschechisch spricht hier niemand, nicht einmal die tschechischen Figuren wie dieser Jan Horava aus Südmähren, der in fließendem Hochdeutsch kommuniziert. Diese Absurdität fällt umso mehr auf, da bei den Beaumonts Französisch gesprochen wird und diese Passagen untertitelt wurden. So wirken auch die Ansichten vom wunderschönen Prag wie Bilder aus einer anderen Welt, die mit dem Film wenig zu tun haben. Besser eingebunden sind da schon die Innenansichten der deutschen Botschaft – ob am Originalort, dem prachtvollen Palais Lobkowitz, tatsächlich gedreht wurde, entzieht sich der Kenntnis des Autors.

„Böses Spiel“ ist in erster Linie ein klassischer Krimi, bei dem es gilt, den Täter zu suchen, und im letzten Drittel ein zunehmend bitteres Familien-Drama. Karlas Mitarbeiter Nikolaus Tanz (Jannik Schümann) betätigt sich als eine Art Detektiv, der in der französischen Schule nach Informationen sucht und sich mit dem Musiklehrer Pierre Letaut (Francois Goeske) anfreundet. Als weiteren Verdächtigen neben Philippe und dessen Kumpanen bringt das Buch Vanessas Stiefbruder Timo ins Spiel, der offenbar in seine Stiefschwester verliebt ist und den beiden Mädchen nach Prag gefolgt war. Darüber hinaus ist die vierte Folge der Reihe ein weiterer Film, der männliche Gewalt auf verschiedenen Ebenen problematisiert, zu Hause, im Umfeld elitärer Jugendlicher und, wenn man so will, auch auf höherer Ebene, in Gestalt des Missbrauchs politischer und diplomatischer Macht. Weil der Sohn eines einflussreichen tschechischen Politikers zu den verdächtigen Mitschülern Philippes zählt, geraten Kommissar und Diplomatin unter Druck – die übliche Geschichte vom bösen Einfluss von oben, dem die Helden des Films zu trotzen haben. Die kammerspielartige Auflösung gelingt dann beklemmend und teilweise auch überraschend. Das Handyvideo von einem Gruppen-Übergriff auf ein Mädchen hätte man allerdings sparsamer und behutsamer einsetzen müssen.

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Reihe

ARD Degeto

Mit Natalia Wörner, Alexander Beyer, Jannik Schümann, Johannes Meister, Jeanne Tremsal, Jean-Yves Berteloot, Francois Goeske, Birge Schade, Valeria Eisenbart, Anna Lena Schwing, Paul Lux

Kamera: Max Knauer

Szenenbild: Björn Nowak

Kostüm: Nicole Stoll

Schnitt: Patrick Wilfert

Redaktion: Claudia Luzius, Sascha Schwingel

Produktionsfirma: UFA Fiction

Produktion: Christian Rohde, Alena Jelinek

Drehbuch: Christoph Busche

Regie: Roland Suso Richter

Quote: 6,41 Mio. Zuschauer (22% MA)

EA: 04.05.2019 20:15 Uhr | ARD

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