Drehbuchautor Claudius Pläging dreht beim zweiten Kurzfilm in der sich langsam entwickelnden Moosbacher Silvester-Saga den Spieß um. Bettina Maurer (Anke Engelke) und Martin Hofmann (Matthias Brandt) müssen sich nicht schnellstmöglich aus einem plötzlich abgeschlossenen Raum befreien wie in „Der Kurzschluss“ vor einem Jahr, sondern flüchten freiwillig in einen Raum, den sie eigenhändig abriegeln. Während die Fliehkräfte zum Auftakt einigen Druck aufbauten, weil Bürgermeisterin Maurer pünktlich das städtische Feuerwerk starten wollte, ist der Nebenraum der Moosbacher Turnhalle – Schauplatz der Silvester-Party – in „Der zweite Kurzschluss“ ein Rückzugsort. Ärger und Druck kommen von der Welt draußen, werden aber möglichst ausgesperrt. Regisseur Michael Binz nutzt die Kulisse ausgesprochen komisch: Während sich die Kontrahenten an der Glasscheibe die Nase platt drücken und ständig in den Nebenraum blicken, als sei dort jeden Moment Sensationelles zu erwarten, wirken Bettina und Martin tatsächlich wie vom Publikum bestaunte Zootiere. Allerdings können sie die Gaffer ganz leicht aussperren, indem sie eine Turnmatratze vor die Glasscheibe lehnen. Großartig jedenfalls der stumme Auftritt von Enno Kalisch als menschliche Drohkulisse namens Nacken, dem auch die lakonische Finalpointe vergönnt ist.
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Insgesamt wirkt diese zweite Episode dennoch etwas weniger spritzig, zumal das Silvester-Countdown-Gefühl nahezu völlig ausbleibt. Außerdem müssen die beiden Hauptfiguren Bettina und Martin erst einmal in die typische „Kurzschluss“-Lage gebracht werden. Die Schlüsselrolle spielen dabei Julika Jenkins und Thorsten Merten als Wutbürger-Paar Vera und Oliver, das die ehemalige Bürgermeisterin Bettina Maurer gleich am Eingang zur Party mit Feindseligkeiten empfängt. Und als kurz darauf im Innenraum plötzlich Martin auftaucht und Bettina anspricht, mischen sich die beiden wieder ein wie lästige Kletten – bis Martin und Oliver aneinander geraten (auch eine Art „Kurzschluss“) und Bettina und Martin den Rückzug in den Nebenraum antreten. Dort lagert freilich auch das Feuerwerk, das in diesem Jahr Vera und Oliver („bin der größte Steuerzahler hier“) finanziert haben. Zur Verstärkung holen die beiden den imposanten Nacken, der auch ein ehemaliger Klassenkamerad von Bettina und Martin ist, sowie später die neue Bürgermeisterin Paula Kampe (Tina Seydel). Der Konflikt ist im Grunde ausgesprochen kindisch, umso absurder – und bisweilen alberner – wirkt es hier, wie sich die Erwachsenen buchstäblich zum Affen machen.
Dagegen läuft das Kammerspiel im Inneren, wenn die Turnmatte mal die Außenwelt aussperrt, in der scheuen Atmosphäre eines Wiedersehens nach langer Zeit ab. Zu dem gegenseitigen Wochenend-Besuch in Berlin und Moosbach ist es im vergangenen Jahr dann doch nicht gekommen. Im April hat Martin immerhin eine Mail geschrieben, auf die Bettina („Warum erst im April?“) jedoch nicht geantwortet hat. Die gescheiterte Bürgermeisterin hat sich für den Abend einen optimistisch klingenden Satz zurecht gelegt, den jedoch niemand ernst nimmt. Im Gegenzug verfällt sie ins demonstrative Schnarchen, wenn Workaholic Martin von seinem Job und der „neuartigen KI“ erzählt. Während Bettina sich mit letzten Beschlüssen (zwölf Euro Parkgebühren pro Stunde für SUVs) als Bürgermeisterin im Ort unmöglich gemacht hat, entkommt Martin Hofmann in Moosbach seiner „Doofmann“-Kindheits-Rolle nicht. Anke Engelke und Matthias Brandt spielen hier zwei tragikomische Figuren, um die es in der Mitte des Lebens einsam wird. Die Slapstick-Komik des ersten – unfreiwilligen – Treffens hat sich erübrigt, dafür ist mehr Platz für Gefühl und Zwischentöne. Auch schön.