Der Upir

Yardim, Schamoni, Scheid, Cooper, Sawatzki, Peter Meister. Liebe auf den ersten Biss

Foto: Joyn
Foto Tilmann P. Gangloff

„Der Upir“ (Joyn / UFA Fiction) ist eine sehr vergnügliche und äußerst kurzweilige achtteilige Horrorserie mit Fahri Yardim als Berliner Burgerbuden-Besitzer, der von Vampir Igor (Rocko Schamoni) gebissen wird. Seine Verwandlung vom Menschen zum Blutsauger kann er nur verhindern, indem er Igor als Zwischenwesen zwischen Mensch und Vampir bedingungslos zu Diensten steht. Der einst in eine Falle gelockte Vampir wiederum will seine frühere Macht zurückerobern, was zu einigen skurrilen Begegnungen mit seiner abtrünnigen Gefolgschaft führt. Peter Meister (Buch/Regie) hat auf plakative Comedy verzichtet; zwar sind viele Szenen witzig, aber die Konflikte der beiden Hauptfiguren nimmt die Serie durchaus ernst. In der zweiten Hälfte kommt ihr der Biss etwas abhanden. Kein Wunder, da das ungleiche Duo mit der Zeit Freundschaft schließt – und somit auch „Jerks“-Fans unterhalten dürfte.

Manchmal passieren solche Dinge einfach. Hier falsch abgebogen, dort jemanden kennengelernt, den man lieber nicht angesprochen hätte, oder vielleicht einfach nur eine Tür geöffnet, die besser für immer verschlossen geblieben wäre – und schon steckt der Filmheld mittendrin in einem Schlamassel, der sein Leben für immer verändern wird. Eigentlich wollte sich Eddie (Fahri Yardim), Berliner Burger-Imbiss-Betreiber, bloß ein Haus anschauen, um damit seine Liebste zu überraschen, aber erst entpuppt sich das Domizil als halb verfallenes Gemäuer, und dann verschwindet die Maklerin hinter einer Eisentür. Als Eddie ihr nachgeht, überrascht er einen Vampir dabei, wie er der Frau lautstark schlürfend den Lebenssaft aussaugt. Igor (Rocko Schamoni) war lange Zeit eingesperrt und beißt prompt auch den konsternierten Eddie, der nun zum „Upir“ wird, einem Zwischenwesen auf der Schwelle zum Vampir. Der Zustand kann jedoch rückgängig gemacht werden. Das muss sich Eddie allerdings verdienen, indem er Igor dreißig Tage lang zu Diensten ist.

Der UpirFoto: Joyn
Der Anfang vom Ende als Mensch? Oder bewährt sich Eddie (Fahri Yardim) als Upir – sprich: als Diener für Vampir Igor (Rocko Schamoni) – und bekommt er am Ende den erhofften Vampirkuss von ihm? Zumindest als Zuschauer hofft man, dass der schräge Horror-Comedy-Spaß noch länger so weitergeht. Im Gegensatz zu Gangloff dürften viele die Serie mehr und mehr als figurenorientierte Buddy-Comedy sehen, bei der die Finalisierung des Urkonflikts in den Hintergrund tritt, fast so wie bei „Jerks“.

„Der Upir“ ist Teil eines Streaming-Trends, der den untoten Blutsaugern derzeit ein fröhliches Comeback beschert: zuletzt die Prime-Serie „Beasts like us“, demnächst „Love Sucks“ (ZDFneo). Die Joyn-Serie ist ebenfalls komödiantisch angelegt, wie nicht nur die Besetzung der beiden Hauptrollen nahelegt. Es gibt viele witzige Szenen, auch die Musik signalisiert Comedy, aber die optische Anmutung ist düster (Bildgestaltung: Nikolai von Graevenitz), zumal Peter Meister (Buch und Regie) die zentralen Konflikte seiner beiden Hauptfiguren durchaus ernst nimmt: Eddie muss irgendwie raus aus der Bredouille, und Igor, ehedem Anführer der regionalen Vampirgruppierung, stellt fest, dass er vor 136 Jahren von einer Widersacherin in die Falle gelockt worden ist. Um sie zum Duell fordern zu können, muss er Stimmen sammeln, was Eddie ungewollt tiefe Einblicke in die verschiedenen Spielarten des Blutsauger-Daseins beschert. Weil sich die Mitglieder der Vampirfamilie ihre Zustimmung etwas kosten lassen, erinnern die verschiedenen Herausforderungen an die zwölf Heldentaten des Herakles; tatsächlich müssen Igor und Eddie unter anderem einen ekelerregenden Saustall säubern und einen widerspenstigen Teenie-Wildfang zähmen.

Komische Sidekicks gibt es dennoch zuhauf, allen voran Eddies entbehrlicher Freund Andi (David Scheid), der ebenfalls von Igor gebissen wurde und nun einen veritablen Vampirjäger um Hilfe bittet; Bernhard Schütz hat schon die Hauptrolle in Meisters sehenswertem Regiedebüt „Das schwarze Quadrat“ (2021) gespielt. Im Vergleich zu der Gaunerkomödie, die auf clevere Weise Anspruch und Unterhaltung verknüpfte, setzt „Der Upir“ eindeutig eher auf Kurzweil, zumal einige Gäste, allen voran Andrea Sawatzki als Igors schwäbelnde Jugendliebe, heitere Parodien sind. Außerdem kommt es immer wieder zu skurrilen Situationen, für die vor allem Andi sorgt. Der Österreicher ist ohnehin ein viel schrägerer Typ als der um Würde bemühte leutselige Igor, dem beim Autofahren schlecht wird; natürlich entwickelt sich zwischen ihm und Eddie eine innige Freundschaft. Eine weitere durchgehende Rolle spielt Lana Cooper als Polizistin Frida. Sie kommt ins Spiel, weil Eddie den Tod der Maklerin als Autounfall kaschieren wollte. Der Wagen hat sich jedoch selbstständig gemacht und allerlei Unheil angerichtet. Zunächst hält Frida seine Erzählung von dem Vampir für eine bizarre Ausrede, aber dann rekrutiert sie ihn als verdeckten Ermittler. Und ist da möglicherweise noch mehr zwischen den beiden? Eddies Beziehung mit Julie (Aenne Schwarz) scheint jedenfalls den Bach runterzugehen.

Der UpirFoto: Joyn
Komisch, aber nie pennälerhaft albern. Sogar für die Klimapolitik setzen sich Vampir und Upir ein, allerdings nicht ganz uneigennützig und mit überschaubarem Erfolg. Fahri Yardim, Rocko Schamoni, David Scheid, Thelma Buabeng in „Der Upir“

Soundtrack:
The Doors („Riders On The Storm”), Blur („Girls And Boys”), Mastodon („Blood And Thunder”), Donna Summer („Love To Love You Baby”), Jet („Are You Gonna Be My Girl”), Kevin Morby („Beautiful Strangers”), Andrew Bird („Are You Serious”), Simple Minds („Don’t You (Forget About Me)”), Tom Petty & The Heartbreakers („Learning To Fly”), Plastic Bertrand („Ça plane pour moi”), The Who („Behind Blue Eyes”), Joe Cocker („With A Little Help From My Friends”)

Gerade die kleinen Momente dieser oftmals im besten Sinne improvisiert wirkenden Serie machen großen Spaß, zumal Meister in den knapp 25 Minuten kurzen und stets mit einem Cliffhanger endenden acht Folgen auch ein Spiel mit den Genrekonventionen treibt. Dass Vampire kein Spiegelbild haben und auf Fotos nicht zu sehen sind, gehört zum guten Ton solcher Geschichten, aber in Ermangelung eines Sargs muss Igor mit einem liegenden Kleiderschrank vorlieb nehmen, aus dem er sich in ähnlich steiler Pose aufrichtet wie weiland Nosferatu. Dass er und Eddie im Auftrag einer vampirischen Umweltaktivistin (Thelma Buabeng) ein Zeichen gegen den Klimawandel setzen soll, nutzt Meister für Eddies übermütigen Jungfernflug. Kleine Freuden bereiten auch die diversen musikalischen Zitate. In der zweiten Hälfte kommt der Serie allerdings etwas der Biss abhanden, nun verliert sie ihre Stringenz. Eine Orgienepisode zum Beispiel bringt die Geschichte keinen Schritt weiter. Dafür ist die letzte Folge umso handlungsdichter; der Showdown überrascht mit einem echten Knüller. Das offene Ende lässt eine Fortsetzung erwarten. (Text-Stand: 5.9.2024)

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Joyn

Mit Fahri Yardim, Rocko Schamoni, David Scheid, Lana Cooper, Bernhard Schütz, Andrea Sawatzki, Aenne Schwarz, Thelma Buabeng, Arnd Klawitter, Siri Dausend, Stephanie Petrowitz, Jörn Hentschel, Luise von Stein

Kamera: Nikolai von Graevenitz

Szenenbild: Christiane Chaboissier

Kostüm: Teresa Grosser

Schnitt: Jan Ruschke, Nathalie Trapp

Musik: Patrick Reising, Francesco Wilkening, Paul Pilot

Redaktion: Friederike Galley

Produktionsfirma: UFA Fiction

Produktion: Katharina Possert

Drehbuch: Peter Meister

Regie: Peter Meister

EA: 18.09.2024 10:00 Uhr | Joyn

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