So ganz hat man sich bei der ARD dann doch nicht getraut: Die Reihe um den in der Alpenrepublik längst mit Kultstatus versehenen Detektiv wider Willen namens Willibald Adrian Metzger startet man mit der Verfilmung des dritten Buchs von Thomas Raab. Zudem hat man auch noch kräftig in die Vorlage eingegriffen. „Der Metzger und der Tote im Haifischbecken“ (nach dem Roman „Der Metzger geht fremd“) ist zwar durchaus ein raffinierter Krimi mit ironisch-bissigem Unterton, doch durch die etwas arg komödiantisch geratene Einführung der Hauptfiguren Metzger und seiner äußerst agilen „Assistentin“ Danjela Djurkovic wird der Fall ein wenig verwässert. Richtig dicht, spannend und schwarzhumorig wird es erst in der zweiten Hälfte. Erst mit „Der Metzger muss nachsitzen“ (ARD, 19.2.) widmet man sich dann Raabs Debütkrimi – und dieser Film ist weit ironischer im Ton, skurriler in den Charakteren, spektakulärer in der Inszenierung und düsterer in der Geschichte. Aber vielleicht setzt man ja auch ganz bewusst auf eine Steigerung bei den Ausstrahlungen innerhalb einer Woche.
Leicht schrullig und herrlich ironisch ist dieser Willibald Adrian Metzger (Robert Palfrader), der mit großer Leidenschaft Möbel restauriert. Mit dem Fahrrad ist er unterwegs, als er an einem Gebirgssee seine unerfüllte Jugendliebe Danjela Djurkovic (Dorka Gryllus) entdeckt. Doch statt mit ihr über alte Zeiten in der Schule zu plaudern, stoßen die beiden unfreiwilligen Ermittler auf einen abgehackten Finger, der kurz darauf von einem Raubvogel stibitzt wird. Der detektivische Möbelflüsterer Willibald und seine agile und hübsche Begleiterin Danjela fahren zum Hotel „Sonnenhof“. Dort wird gerade aus dem Pool die Leiche eines Gastes gefischt. Die eher tapsig agierende Polizei geht von einem Unfall aus. Doch Danjela entdeckt einen Abschiedsbrief und das Handy des Toten. Kurz darauf landet auch noch der Hausmeister als Fischfutter im Haifischbecken. So stecken der feinsinnige Restaurator und seine neugierige Helferin mittendrin in eher ungestüm verlaufenden Ermittlungen.
Wen wundert es, dass sich der abgehackte Finger als entscheidender Fingerzeig erweist… Das Prinzip kennt man seit Pater Braun, Miss Marple & Co: Ein eigenwilliger, kauziger oder skurriler Typ, Mann oder Frau, stolpert per Zufall über Leichen und bringt dann, getrieben von Neugier, den Mörder zur Strecke. So auch der Metzger in Thomas Raabs Buchreihe, 2013 ausgezeichnet mit dem Leo-Perutz-Preis für Kriminalliteratur. Sechs Krimis sind seit 2007 erschienen, zwei hat die ARD gemeinsam mit dem ORF jetzt fürs Fernsehen adaptiert. Als Drehbuchautor hat man sich dafür Holger Karsten Schmidt geholt. Der hat die „Tatort“-Kommissare Lantz und Bootz in Stuttgart „geschaffen“ und bereits zwei Grimme-Preise eingeheimst: für „Mörder auf Amrum“ (2010) und „Mord in Eberswalde“ (2013).
Für „Der Metzger und der Tote im Haifischbecken“ hat Schmidt vor allem bei der Einführung der Ermittlerfiguren kräftig in Raabs Vorlage eingegriffen. Das merkt man dem Fall an, einer düsteren Familiengeschichte, hinter deren patriarchalischer Fassade der Verschwiegenheit, eine Menge Lügen und Geheimnisse ruhen. Die Story kommt schwer in Gang, weil sich Metzger und Danjela ja erst suchen und finden müssen. Und so hat sie zu Beginn auch nicht diesen trockenen, bösen Witz, der der schwarzhumorigen Bestsellerreihe längst Kultustatus beschert hat und in einem Atemzug mit den Brenner-Krimis von Wolf Haas genannt wird.
Regisseur Andreas Herzog („Tatort: Eine andere Welt“) widmet sich mit Detailverliebtheit und abwechslungsreichen Kameraperspektiven (richtig stark sind die dann im zweiten Film!) den kantig-kauzigen Figuren der Bergwelt – mit all ihren Macken, Allüren und Weisheiten sowie der malerischen Kulisse beim Ausflug Metzgers aufs Land. Das Verbrechen erschleicht sich langsam seinen Platz, doch dann kommt es gewaltig. Die Story ist wendungsreich, hat manche Überraschung parat, und die Familie, die bei dieser Reise in die Abgründe und die Vergangenheit im Mittelpunkt steht, ist mal Hort der Wärme, mal Brutstätte des Bösen.
Ein wahrer Glücksgriff für die Rolle des Willibald Adrian Metzger, der sich durch Körper-fülle, Neugier, Resolutheit und trockenen Witz auszeichnet, erweist sich Robert Palfrader. Der ist in seiner Heimat Österreich einer der renommiertesten Schauspieler, glänzte als durchtriebener Bürgermeister in der entlarvenden Kleinstadt-Posse „Braunschlag“ und sorgt als Kult-Kaiser Robert Heinrich I. in der ORF-Satire-Talkshow „Wir sind Kaiser“ für lebhafte Diskussionen. Wie er diesen kauzigen und schrulligen Ermittler mimt, ist eine Augenweide. Fein im Witz, dosiert in Gestik und Mimik, körperbetont, aber in sich ruhend ist Palfraders Metzger. Nach diesem Auftritt dürfte man Palfrader in deutschen Filmen bald öfter sehen, wenn er denn seine Liebe zum Theater zugunsten des Films etwas zurückdrehen will. Dorka Gryllus („Schicksalsjahre“) ist ihm als Danjela eine wunderbare Partnerin: Mal quirlig, mal schnippisch, mal nah, mal auf Distanz, treibt sie den Metzger an. (Text-Stand: 10.1.2015)