Im Vergleich zu den populären Klassikern ist „Der Meisterdieb“ ein eher unbekanntes Märchen der Gebrüder Grimm. Vielleicht liegt es daran, dass die Moral von der Geschicht’ nicht so offenkundig ist wie anderswo. Auch in der Adaption durch Dieter und Leonie Bongartz fragt man sich bis zum Schluss, warum sich der Titelheld unnötig in Lebensgefahr begibt, während daheim seine Frau mutterseelenallein das gemeinsame Baby zur Welt bringt. Davon abgesehen aber ist die Verfilmung durch Christian Theede das reifste Werk aus der dritten Weihnachtsmärchenstaffel; und gerade deshalb vielleicht auch am wenigsten kindertauglich.
Erwachsene aber werden Theedes Umsetzung, in deren Verlauf er sich munter bei anderen Genres bedient, um so mehr schätzen: Wie ein einsamer Western-Held reitet der von Max von Thun provokant nonchalant verkörperte Meisterdieb Robert zu Beginn auf den Besitz des despotischen Grafen Gustav (Armin Rohe). Zuvor hat er noch kurz den verbitterten Eltern (Gitta Schweighöfer, Dietmar Mues) Hallo gesagt. Alle drei sind nicht gut auf den jungen Mann zu sprechen, hat er sich doch einst undankbar aus dem Staub gemacht. Nun kehrt er, um Wiedergutmachung und Anerkennung bemüht, zurück, und bietet dem Grafen eine Wette an. Der stellt ihm drei unmöglich zu lösende Aufgaben: Robert soll Gustavs streng bewachtes Lieblingspferd klauen, dem Grafen unbemerkt das Bettlaken unterm Hintern stehlen, dabei auch noch den Ehering der Gräfin (Ann-Kathrin Kramer) mitgehen lassen, und schließlich Pfarrer und Küster aus der Kirche entführen. Wird er erwischt, endet er am Galgen.
Mit unvergleichlicher List besteht Robert sämtliche Herausforderungen, wobei neben dem Familientyrannen auch die bigotten Frömmler ihr Fett wegbekommen. Während der Diebstahl von Ross und Bettwäsche fröhliches Kinderfernsehen ist, stellt Roberts Inszenierung des Jüngsten Gerichts, mit der er die Kirchendiener in die Falle lockt, eine wunderbare Satire dar. Identifikationsfigur für die jungen Zuschauer ist Gustavs weltoffene Tochter (Anna Hausburg), die an der Borniertheit des Vaters verzweifelt und am liebsten weglaufen würde; so wie einst Robert. „Regeln sind nichts wert, wenn man sie nicht hinterfragt“, stellt ihre Mutter gegen Ende fest, und selbstredend lernt auch Gustav seine Lektion. Auch hier belegt eine Nebenrolle, wie verschwenderisch die Märchenfilme besetzt sind: Roberts Frau wird von Katharina Wackernagel gespielt; sie hat zwei winzige Auftritte zu Beginn und am Schluss.