Der entflohene Psychiatriepatient Julian macht sich auf die Reise von Berlin ins Schwäbische. Zu Fuß, ohne technische Hilfsmittel, ohne jeglichen Komfort. Ein Bußgang. Mit seiner Energie will er den Vater seines besten Freundes heilen, an dessen Krankheit er glaubt, eine Mitschuld zu tragen. Auf seiner Reise trifft der Pilger auf Jo, eine junge Ärztin in einer Lebenskrise, und Ruth, eine frustrierte Ehefrau und Mutter. Sie folgen dem seltsam weltentrückt erscheinenden Julian. Bald gesellt sich auch noch der abgehalfterte Polizist Jan zu den dreien. Er hat den Auftrag, den Abgängigen zu finden und in Gewahrsam zu nehmen. Doch der unter der eigenen Negativität leidende Bulle spürt auch die besonderen Kräfte dieses jungen Mannes.
Glaube kann Berge versetzen. Der Heilsbringer und Held in „Der Mann der über Autos sprang“ glaubt(e) fest daran, die Schwerkraft überwinden zu können. Der erste Versuch vor Jahren endete tragisch – kostete dem besten Freund das Leben und ihm die Freiheit. Jetzt kommt es zum erneuten Kräftemessen. Und zwei weibliche Jünger folgen jenem charismatischen Blondschopf mit hellseherischen Fähigkeiten. Die Ärztin, die ihr Herz nicht mehr spürt, und die Mutter, die eine Auszeit von ihrer Familie braucht. Der vom Leben desillusionierte Polizist ist das Gegenbild der Lichtgestalt: ein von Wut, Aggression und Selbsthass Zerfressener, ein Autofahrer, einer, der alles einsperrt – selbst seine Freundin.
Der Film entwickelt sich zu einem metaphorisch aufgeladenen Märchen, dessen Dramaturgie wenig zielgerichtet verläuft. Dafür gibt es Miniaturen über die Suche nach Herz, Mut und Verstand, magische Momente, betörende Bilder, die sich oft als bizarre Phantasmagorien aus Details zu Totalen aufbauen, Motive der deutschen Romantik, die auf den Mythos des „Wizard of Oz“ treffen. Bewegen sich anfangs vor allem die Schauspieler Werner-Herzog-like mit traumwandlerischer Sicherheit, die Gesichter schön und vielsagend vom Licht beschienen, findet auch die Handlung langsam ihren Weg und die Inszenierung ihre Form. Oder ist es nur Einbildung? Ein Streich, den einem die Wahrnehmung spielt? Benötigt vielleicht das Auge eine Gewöhnungszeit für dieses ungewohnte, entschleunigte Erzählen? Dennoch: Wer in einem Film nicht gern auf Sinnsuche geht – der wird es mit dieser Kino-Pilgerreise schwer haben.
„Es gibt im deutschen Kino ein legendäres Vorbild dafür. Der Ausnahmeregisseur Werner Herzog hat sich 1974 auf einen Fußmarsch von München nach Paris gemacht, um die schwer kranke Filmkritikerin und Schutzheilige des deutschen Autorenkinos, Lotte Eisner, zu besuchen. Er war besessen von der Idee, sie würde nicht sterben, käme er zu Fuß. Das Experiment gelang, die Eisnerin jedenfalls genas.“ (Peter Zander, DIE WELT)
„Der Geist ist die höchste Entwicklungsstufe der Energie“, sagt der von Robert Stadlober mit sanfter Größe gespielte Wandersmann im Intro von „Der Mann der über Autos sprang“. Auch wenn die Leitsätze über Energie, Geist, Universum und Menschsein zu Beginn des Films klingen, als seien sie aus einem modernen, Werte propagierenden Werbespot entliehen, entwickelt sich das Debüt des Deutsch-Engländers Nick Baker Monteys mehr und mehr zu einem glaubwürdigen Akt der Selbstreflexion – auch für den Zuschauer! Das große Plus: Monteys verzichtet auf allzu viele Erklärungen und macht wenig Worte. So bleibt bei allem Hang zum Bedeutungsvollen dem Zuschauer noch genügend Raum für Spekulationen. Aber auch für eigene Erkenntnis. „Vom Wandel durchs Wandern“, titelte die Berliner Zeitung. Und der Filmdienst resümierte treffend: „Stimmungsvoll fotografiertes Roadmovie über die Sehnsucht, sich neu zu orientieren und wieder an die eigenen Fähigkeiten glauben zu können.“