Der Kroatien-Krimi – Die Patin von Privonice

Jasmin Gerat, Lenn Kudrjawizki, Michael Kreindl. Wenn Geld doch mal stinkt

Foto: Degeto / Conny Klein
Foto Tilmann P. Gangloff

Wie der dritte ist auch der vierte „Kroatien-Krimi” (Degeto / Constantin Television) mit Jasmin Gerat als Leiterin der Mordkommission Split ein gutes Stück von der früheren Qualität der Reihe entfernt und bestenfalls Krimi-Durchschnitt, zumal Buch und Regie die Titelfigur gerade nicht zur großen Gegenspielerin aufbauen. „Die Patin von Privonice“ hat gegenüber der Vorgänger-Episode 2021 keinerlei Fortsetzungscharakter.

Ähnlich wie beim letzten Doppelpack aus Kroatien (2020) hat auch diesmal der zweite Fall keinerlei Fortsetzungscharakter. Zwischendurch erkundigt sich Stascha Novaks Kollege Emil (Lenn Kudrjawizki) nach Minkas Befinden, aber ansonsten steht die Geschichte komplett für sich allein; „Die Patin von Privonice“ soll schließlich jederzeit in einem dritten Programm wiederholbar sein. Das gleiche Muster prägte auch die Auftaktepisoden mit Jasmin Gerat: Im ersten Film gab es großes Misstrauen gegenüber der neuen Kollegin, im zweiten war sie als Leiterin der Mordkommission Split rundum akzeptiert. Weil sie andererseits nun nicht mehr von den Dämonen der Vergangenheit gepiesackt wird, wäre es umso wichtiger, sie mit einer gleichwertigen Gegenfigur zu konfrontieren. Der insgesamt zehnte Film der Reihe wird den Mafia-Assoziationen, die der Titel weckt, jedoch nur halbwegs gerecht: weil weder das Buch (Ulf Tschaudera zweite Arbeit für die Reihe) noch die Regie (wieder Kreindl) die Titelrolle zur großen Gegenspielerin der Kommissarin aufbauen. Das ist schade, denn natürlich hätte Tatja Seibt das nötige Format, um Jasmin Gerat schauspielerisch auf Augenhöhe zu begegnen.

Die Hauptfiguren der Geschichte sind drei junge Leute, die als Saisonkräfte für ein Restaurant in Split arbeiten. Nach Feierabend macht sich der Chef an Kellnerin Adina (Zoe Moore) ran. Am nächsten Tag liegt er tot im Lokal, erstochen mit einem Speer, der als Dekoration an der Wand hing. Adina, ihr Kollege Danijel (Vincent zur Linden), von dem sie ein Kind erwartet, sowie dessen Freund Tin (Klaus Steinbacher) sind verschwunden. Die beiden Männer stammen ebenso wie der tote Arbeitergeber aus Privonice, einem Ort nahe der bosnischen Grenze. Besitzerin des Restaurants ist besagte „Patin“, Dunja Runje. Im Verlauf der Befragungen spürt Stascha, dass beim Importhandel der Frau irgendwas faul ist. Weil eine in der Wohnung des Toten versteckte große Dollar-Summe nach Käse riecht, vermutet sie zunächst, dass Frau Runje Geld ins Land schmuggelt. Dann tippt sie auf Menschenhandel, und damit liegt sie gar nicht mal so falsch; die Wahrheit ist trotzdem eine ganz andere.

Der Kroatien-Krimi – Die Patin von PrivoniceFoto: Degeto / Conny Klein
Stascha (Jasmin Gerat) bekommt in „Die Patin von Privonice“ Unterstützung von Polizeichef Vida (Peter Trabner).

Sehenswert ist „Die Patin von Privonice“ in erster Linie darstellerisch, zumal gerade die männlichen Rollen sehr prägnant besetzt sind, allen voran mit Peter Trabner als Josip Vida, Polizeichef von Privonice und Vater von Danijel. Eine markante Rolle spielt auch Edon Rizvanolli als bosnischer Kollege, der Stascha verhaftet, als sie zum wiederholten Mal ohne Befugnisse jenseits der Grenze ermittelt. Ähnlich wie Vida ist der Bosnier eine Figur, aus der man zunächst nicht schlau wird. Anfangs ist Stascha überzeugt, dass der vierschrötige Bosnier auf der Lohnliste der „Patin“ steht. Rizvanollis differenziertes Spiel lässt den Mann jedoch immer sympathischer werden; in diesen Momenten wird der Film sogar kurz zur Romanze. Der Rest ist Krimistandard ohne besondere Vorkommnisse. Die optische Gestaltung (erneut Anton Klima) ist sorgfältig, die Bilder sind schön anzuschauen, das Ensemble ist gut geführt, die Handlung ist auf konventionelle Weise verzwickt, und natürlich weckt die Frage, womit Dunja Runje ihr Geld tatsächlich verdient, eine gewisse Neugier. Weil es Stascha offenbar ähnlich geht, wird die Suche nach dem Mörder des Lokalleiters allerdings immer unwichtiger.

Das Tempo des Films ist ohnehin sehr überschaubar, weshalb die sehr flott geschnittenen Rückblenden auf irritierend Weise optisch aus dem Rahmen fallen. Es geht zwar einige Male zwischen Kroatien und Bosnien/Herzegowina hin und her, was vor allem deshalb interessant ist, weil Stascha und Emil damit auch die EU-Außengrenze überqueren, aber ansonsten spielen Politik und Geschichte mit Ausnahme kurzer Hinweise auf den jugoslawischen Bürgerkrieg keine Rolle; in den früheren Episoden waren die Folgen dieses Krieges sowie der nie versiegte Einfluss der Faschisten viel stärker präsent. Da außerdem trotz der Aktivitäten vor der Kamera im Grunde nicht viel passiert, bleibt Muße genug, um sich über Details zu wundern: Als Emil im Anzug, bei strahlendem Sonnenschein und über eine längere Strecke die joggenden Freunde verfolgt, gerät er zwar schwer außer Puste, aber auf seiner Stirn ist kein einziger Schweißtropfen zu sehen. Seltsam auch, dass der bosnische Kollege sein Serbokroatisch (im Film also deutsch) mit starkem Akzent spricht, weil Rizvanolli gebürtiger Albanier ist, während die erst vor wenigen Wochen aus Rumänien eingereiste Hilfskraft Adina (also Zoe Moore) die Sprache fließend beherrscht. (Text-Stand: 31.3.2021)

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Reihe

ARD Degeto

Mit Jasmin Gerat, Lenn Kudrjawizki, Kasem Hoxha, Max Herbrechter, Sarah Bauerett; Tatja Seibt, Peter Trabner, Zoe Moore, Vincent zur Linden, Franziska Schlattner

Kamera: Anton Klima

Szenenbild: Ivo Husnjak, Ivana Skrabalo

Kostüm: Iva Krapinec

Schnitt: Nina Meister, Nathalie Pürzer

Musik: Titus Vollmer

Soundtrack: Manchester Orchestra („The Silence”)

Redaktion: Barbara Süßmann, Katja Kirchen

Produktionsfirma: Constantin Television

Produktion: Karsten Rühle, Friedrich Wildfeuer

Drehbuch: Ulf Tschauder

Regie: Michael Kreindl

Quote: 6,33 Mio. (19,9% MA); Wh. (2023): 5,08 Mio. (22% MA)

EA: 29.04.2021 20:15 Uhr | ARD

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