Mama geht nur kurz ins Haus, da rollt der Ball den Hang hinunter. Der kleine Emil läuft hinterher und steht am Zaun plötzlich einer fremden Frau gegenüber. Kurz zuvor verrät ein Atemgeräusch auf der Tonspur, dass das Idyll unter Beobachtung steht. „Der Kommissar und die Eifersucht“ beginnt mit einem schönen kleinen Angstmacher, der sich bald zum Drama einer verzweifelten Frau wandelt. Dina Ritter (Stephanie Amarell) glaubt, in Emil ihren Sohn Benji zu erkennen. Wenig später behauptet sie gegenüber der Kripo, ihr Sohn sei entführt worden. Die hypernervöse junge Frau tritt wenig glaubhaft auf. Kommissar Martin Brühl, der ein Verbrechen trotzdem für möglich hält, bekommt die Wahrheit von Dinas Bruder Tobi (Jakob Matschenz) erklärt. Benji entspringt einer Wahnvorstellung seiner Schwester. Sie wurde von ihrem Vater sexuell missbraucht, erlitt eine Fehlgeburt und hat dieses Trauma bis heute nicht überwunden. Die plausible Erklärung aus dem Mund des offensichtlich besorgten Bruders beruhigt alle. Alle außer Martin Brühl.
Foto: ZDF / Stefan Erhart
Auch wer die Vorgängerfilme nicht kennt: Ein paar Szenen reichen und der Zuschauer weiß, mit wem hier zu rechnen ist. Anfangs kommt Roeland Wiesnekker als Kommissar mit Stofftasche eher behäbig daher. Dieser Mann versprüht weder Charme noch Intelligenz, ist eher der Zweifel auf zwei Beinen. Regisseur und Maske nutzen Wiesnekkers Physiognomie und sein Knautschgesicht. Das allein hat Wiesnekker in anderen Rollen allzu oft vorschnell auf den Verlierer festgelegt. In der Rolle des Martin Brühl muss er nun auch noch vermuten, von seiner Freundin betrogen zu werden. So weit, so niederschmetternd. Das bedeutet aber nicht, dass der Zuschauer 90 Minuten an der Seite eines geschlagenen Hundes laufen muss. Buch und Figur überzeugen schon bald durch feinhumorige Zwischentöne. Auch etwas Licht und Leichtigkeit ist zwischendurch erlaubt. Ein Blick in den Spiegel gehört dazu, bei dem Brühl sekundenkurz versucht, Sixpack und Muskeln seines Kollegen Eli (Marc Ben Puch) zu imitieren, dann kurz ein falsches Lächeln aufsetzt und das Licht löscht. Dass er nicht zu den offensichtlich attraktiven Vertretern seiner Spezies gehört, ist Brühl klar. Im Spiegel mag es ihn ärgern, in Wirklichkeit aber macht es ihn frei. So findet er leichter Zugang zu anderen, die keinem Ideal entsprechen. So erklärt sich auch das besondere Verhältnis, das sich zwischen ihm und der psychisch angeschlagenen Dina Ritter entwickelt. An Brühls Seite kommt sie zur Ruhe. Während eines Gesprächs am Spreeufer zeigt die Kamera die junge Frau aus der Untersicht, wie sie ins Helle schaut und ihr Leben neu malt – mit viel blauem Himmel hinter sich. Ihr gegenüber, zwei Stufen tiefer auf der Ufertreppe sitzt der aufmerksam lauschende Kommissar. Wiesnekker balanciert auch in dieser Szene gekonnt zwischen Zurückhaltung und Interesse, einem unscheinbaren Auftreten bei gleichzeitig scharf gestellten Antennen.
Auf der Suche nach der Wahrheit ist Martin Brühl lange allein unterwegs. Vor den Toren Berlins, an dem Ort, an dem Dina und Tobi Ritter ihre Kindheit verbrachten, holt Susanne Koch ihren Freund wieder ein. Nichts zwischen ihnen ist da geklärt, das gegenseitige Vertrauen aber trägt. Unausgesprochen spiegeln sich in diesen Momenten Motive des Falls im Miteinander des Paares Brühl/Koch. Hier und da geht es um Zweifel und Vertrauen, Eifersucht und Sicherheit, trügerische Nähe und Einsamkeit. Schauplätze dieser Einsamkeit sind das Zimmer in der geschlossenen Psychiatrie, in die die verzweifelte Dina Ritter erneut eingewiesen wurde, und ein verfallenes Haus auf dem Land, in dessen Umgebung Brühl nach Hinweisen aus der Vergangenheit der Geschwister Ritter sucht. Ein treffendes, wenngleich oft bemühtes Bild für verschüttete Geschichte(n). Fündig wird der Ermittler im Nebensatz einer früheren Sportkameradin von Dina Ritter. Deren Hinweis bringt eine Wende in den Fall und mehr Tempo in eine Ermittlung, die bis dahin von ruhiger Kombination und der scheinbaren Einsicht aller in den Fall verstrickten Personen geprägt war.
Foto: ZDF / Stefan Erhart
Familie Sachtleben badet da schon längst nicht mehr in warmen Farben. Die Ehe der Adoptiv-Eltern des kleinen Emils (Stefanie Stappenbeck, Wanja Mues) ist an einer Lüge zerbrochen. Das macht den Weg frei für ein versöhnliches Finale. Neben einigen Szenen, in denen zu viel allein durch Dialoge erklärt wird, gehört dieses Ende zu den weniger glaubhaften Momenten des Films. Andererseits fügt es sich in die Tonalität eines Dramas, das die bisherigen Fälle der Reihe konsequent weiterverfolgt. Neben Regisseur Andreas Senn (drehte zuletzt die sechsteilige Thrillerserie „Unbroken“) und Autor Christoph Darnstädt (Tschiller-„Tatorte“ mit Til Schweiger) gehört der zurückhaltende Musikeinsatz von Florian Tessloff zum festen Bestandteil dieser Art des Erzählens. Krach und Tempo machen die drei woanders.