Als Regisseur Miguel Alexandre „Der Kommissar und das Meer“ übernommen hat, bestand seine erste Amtshandlung darin, die Drehzeit zu verlegen. Bis dahin hatte der Reiz der Reihe nicht zuletzt im Kontrast zwischen der Ferienidylle des Sehnsuchtsorts Gotland und den furchtbaren Verbrechen bestanden. Alexandre, der seit einigen Jahren auch die Bildgestaltung seiner Filme übernommen hat, bestand darauf, im schwedischen Winter zu drehen. Seither wirkt die Insel Gotland gar nicht mehr wie ein Urlaubsparadies, sondern wie der Vorhof zur Hölle, in dem die Menschen offenbar zu allem fähig sind.
Die Drehbücher basieren schon lange nicht mehr auf Vorlagen von Mari Jungstedt, aber die Atmosphäre der Romane wird nach wie vor gut getroffen. Das Drehbuch zum 19. Film der Reihe, „Unter Männern“, hat Alexandre gemeinsam mit Harald Göckeritz geschrieben, mit dem er seit seinem Debüt „Nana“ vor zwanzig Jahren immer wieder zusammenarbeitet. Diesmal erzählen die beiden einen Fall, dessen Reiz weniger in der Mördersuche liegt. Im Vordergrund steht vielmehr die Frage, was sich während eines gemeinsamen Jagdausflugs von vier Freunden ereignet hat. Die Geschichte beginnt dennoch klassisch mit einer Leiche: Einer der vier wird halb ertrunken, halb erschlagen am Strand gefunden. Es gibt zwar noch einen Nebenstrang mit Geldeintreibern, die mit rabiaten Methoden arbeiten, aber im Grunde lässt der Film schon recht früh keinen Zweifel daran, dass der Tod mit dem Ausflug zusammenhängt; nun fürchtet auch das verbliebene Trio um sein Leben.
Erinnerungsfetzen der Männer, in denen auch schon mal plakativ Blut spritzt, sorgen dafür, dass der Vorfall immer stärker ins Zentrum rückt. Einer der Männer hat die Erlebnisse während des Trips aufs Festland mit einer Videokamera gefilmt; die entsprechenden Ausschnitte geben dem Krimi einen Hauch von „Found Footage“ (gefundenes Filmmaterial), und exakt zur Hälfte des Films kommt auch Robert Anders (Walter Sittler) der Wahrheit näher: In einer Kneipe hat das Quartett eine seither verschwundene junge Frau kennen gelernt. Dass einer der vier, Lars Björklund (Johannes Kuhnke), Richter ist, macht die Sache für Anders nicht leichter. Gleiches gilt für die in jeder Hinsicht reizvolle Rolle, die Frau Björklund (Eva Röse) spielt: Sie findet großen Gefallen an dem Ermittler und bringt das auch unverhohlen zum Ausdruck; in den entsprechenden Szenen knistert es ganz schön. Selbstredend bleibt der Polizist standhaft und lässt sie abblitzen, woraufhin die Frau nichts Besseres zu tun hat, als seiner Lebensgefährtin Emma (Frida Hallgren) zu berichten, sie habe eine Sexaffäre mit Anders. Die Reaktion des Paares auf diese Information hat Alexandre mit einer Souveränität und Lakonie inszeniert, die fast schon frech ist.
Auf weitere Ausflüge ins Privatleben des Kommissars, früher fester Bestandteil der Filme, haben Göckeritz und Alexandre verzichtet. Stattdessen konzentrieren sie sich ausschließlich auf den Fall. Auch die Hauptfigur hat sich leicht verändert: Der deutsche Einwanderer Robert Anders, der Angst vor Wasser hat und trotzdem auf einer Insel lebt (was mal wieder beiläufig zur Sprache kommt), wirkt zumindest gegenüber Zeugen und Verdächtigen härter als in früheren Filmen, kühler, distanzierter. An Sittlers Spiel ist das allerdings kaum festzumachen; er ist ohnehin eher eine Art Vermittler zwischen Figur und Publikum als Darsteller. Angesichts seines wohltuend sparsamen Spiels wirken Momente wie jene, in denen sich die Björklunds gegenseitig ohrfeigen, umso drastischer; die Szenen zuvor haben auch so zu verstehen gegeben, dass die Ehe am Ende ist. Der weitaus größere Teil des Films ist jedoch subtil inszeniert, wobei Alexandres Bilder selbst in der Hitze der verschiedenen Gefechte eine gewisse Kühle ausstrahlen; sogar Sonnenschein wirkt hier nicht wärmend. Entscheidenden Anteil an der hintergründigen Atmosphäre hat die lauernde elektronische Musik von Wolfram de Marco, die auch in harmlosen Szenen das Gefühl vermittelt, es könne jeden Moment was passieren. Auf diese Weise lädt Alexandre die Bilder mit einer Spannung auf, die perfekt die Unruhe der drei restlichen Freunde widerspiegelt: Ihr könnt euch niemals sicher sein.