Der Hafenpastor und das Blaue vom Himmel

Fedder, Broich, Sellem, Brüggemann, Bohm, Wild, Drevs. Vorbildlicher Humanist

Foto: NDR / Sandra Hoever
Foto Tilmann P. Gangloff

Die Kernidee des dritten Films mit Jan Fedder als protestantischer Pastor auf St. Pauli ist nicht neu, aber so originell verpackt wie in dieser Kiezkomödie war sie selten: Polizist Hanno hat sich Hals über Kopf in eine junge Frau verliebt; die beiden wollen so bald wie möglich heiraten. Es gibt nur ein Problem: Sie sind Geschwister. Weil Pfarrer Book an sein Schweige-Gelübde gebunden ist, muss er das Paar irgendwie auseinanderbringen, ohne das Geheimnis zu verraten. Es gibt viele schöne Ideen, einige große Momente, die Schauspieler, allen voran Jan Fedder, sind ausnahmslos sehenswert, und so hat „Der Hafenpastor und das Blaue vom Himmel“ nur ein Manko: Zwei weitere Handlungsstränge laufen so ziemlich nebenher.

Hanno und Ina kennen sich erst seit wenigen Wochen, aber sie wissen beide: Das ist die große Liebe. Was sie nicht ahnen: Es ist eine verbotene Liebe. Geschichten dieser Art gab es schon oft, aber diese hat ihren besonderen Reiz: weil Stefan Wild, der auch die Drehbücher zu den beiden anderen Filmen mit Jan Fedder als Hafenpastor Book auf St. Pauli geschrieben hat, seinen Titelhelden mit einem echten Dilemma konfrontiert. Im Rahmen eines Beichtgesprächs gesteht ihm Nachtclubbesitzer Bodo (Uwe Bohm), dass er einst nicht nur Hanno, sondern auch Ina gezeugt hat. Das soll Stefan Book aber für sich behalten, weil sich Bodo nie zur Vaterschaft bekannt hat und jetzt jede Menge Alimente nachzahlen müsste. Book kann nun sehen, wie er das Problem löst: Irgendwie muss er dem Paar die Ehe ausreden, ohne dabei die Wahrheit zu verraten, denn selbstredend ist er an sein Schweigegelübde gebunden. Prompt sind nicht nur Hanno (Weidenhöfer) und Ina (Altenberger) irritiert, dass ausgerechnet der liberale Book plötzlich Enthaltsamkeit predigt, sondern auch Vikarin Anke (Brüggemann), denn Books junge Kollegin ist angesichts ihrer ersten Trauung schon ganz aus dem Häuschen.

Eigentlich bietet die verbotene Liebe Stoff genug, zumal Wild auch Books Schwester Rita (Sellem) geschickt integriert hat: Die Polizistin und Hanno sind früher zusammen auf Streife gefahren, waren ineinander verliebt und haben sich vorgenommen zu heiraten, wenn sie in fünf Jahren niemand anderen gefunden hätten. Es versetzt Rita zwar einen Stich, als Hanno ihr von Ina erzählt, aber sie erklärt sich trotzdem bereit, die Hochzeit zu organisieren; selbst dann noch, als sich herausstellt, dass Ina, die angebliche Musical-Tänzerin, in Wirklichkeit der Star von Bodos Burlesque-Bar ist. Altenbergers erotische Tanzauftritte sind ziemlich sexy.

Der Hafenpastor und das Blaue vom HimmelFoto: NDR / Sandra Hoever
Die Stimme, Jan Fedder, und die Top-Mimin, Margarita Broich, die im dritten „Hafenpastor“-Film etwas am Rande steht bzw. sitzt.

Irgendwie musste Wild jedoch auch den Rest des Ensembles unterbringen, allen voran Margarita Broich als Books Freundin. Das funktioniert nicht ganz so überzeugend: Sabine hat ihren Rentenbescheid bekommen und erkannt, dass sie nicht den Rest ihres Berufslebens in der Ausländerbehörde verbringen will. Deshalb hat sie sich für zwei Jahre bei einem Entwicklungshilfeprojekt auf Sri Lanka beworben; und Book soll mitkommen. Der hat aber gar keine Zeit, sich darüber den Kopf zu zerbrechen, und er will seine Schäfchen auch nicht im Stich lassen. Noch größerer Fremdkörper im Handlungsrahmen ist ein Nebenstrang mit einem jungen Mann, der den VW-Bus der Kirchengemeinde klaut und entsprechenden Ärger mit Küster Eddi bekommt. Weil Maik den Wagen bei seiner Flucht gegen einen Pfosten gefahren hat, muss er Eddi nun bei der Reparatur helfen, und natürlich schließen die beiden widerwillig Freundschaft. Die entsprechenden Szenen sind glaubwürdig gespielt und sympathisch, haben aber einen Haken: Maik ist erst 16, weshalb Rita auch beide Augen zudrückt, aber sein Darsteller Laurenz Lerch ist bereits Anfang 20, und so sieht er auch aus.

Soundtrack: Pink Martini („Ich dich liebe“), David Rose & His Orchestra („The Stripper“), Ella Fitzgerald (“Summertime”), Lale Andersen (“He, hast du Feuer, Seemann?”), Billy Idol („White Wedding“), AC/DC (“Hell’s Bells”), Air (“Playground Love”), Diana Krall (“Let’s Fall in Love”)

Regie führte Jan Hinrik Drevs, der bislang vor allem dokumentarisch tätig war – mit einer Ausnahme: 2008 ist „Underdogs“ in die Kinos kommen, ein sehenswertes Knastdrama mit Thomas Sarbacher, der auch hier in einer kleinen Rolle mitwirkt. Seinen ersten Fernsehfilm hat Drevs unauffällig, aber tadellos inszeniert; die Führung der Schauspieler ist allerdings sehr gut. Gerade Bohm bekommt diesmal mehr Raum, den er nutzt, um dem zwielichtigen Bodo auch sympathische Seiten abzugewinnen. Rita ist als Figur ebenfalls stark aufgewertet worden. Trotzdem ist der nach schwerer Krankheit fast fragil wirkende Jan Fedder als Kirchenmann und vorbildlicher Humanist der uneingeschränkte Star des Films, zumal sich Wild einige schöne Szenen für die Hauptfigur ausgedacht hat. Originell sind zum Beispiel Books Zwiegespräche mit seinem Chef: Wenn er dem Herrn sein Herz ausschütten will, ruft er ihn einfach an und hinterlässt eine Nachricht auf dem AB. Da es sich dabei um seinen eigenen Anschluss handelt („Hier hört der Herr. Ihm kannst du alles sagen“), wird Rita auf diese Weise zufällig zur Mitwisserin des Geheimnisses von Hanno und Ina. Ihre alten Gefühle für den Kollegen sind längst wieder erwacht, aber in einem Akt der Selbstverleugnung sorgt sie dafür, dass die Geschichte zu einem überraschenden guten Ende findet; und das durfte Drevs im Millerntor-Stadion drehen, was dem Film eindrucksvolle Finalbilder beschert.

Der Hafenpastor und das Blaue vom HimmelFoto: NDR / Sandra Hoever
Und dann mach’ ich mir ein Schlitz ins Kleid … Die andere, wohlbekannte Seite von St. Pauli. Burlesque-Tänzerin Ina (Verena Altenberger; schon in dieser kleineren Rollen gibt die großartige Schauspielerin alles) mit Pastor Book (Jan Fedder)

Es gibt ohnehin einige große Momente, und das gilt keineswegs nur für die geschmackvoll inszenierten Darbietungen in Bodos Bar. Für die aber ganz besonders, zumal sie von sorgsam ausgewählten Liedern untermalt werden; etwa, wenn Ina sich zu Billy Idols „White Wedding“ im sexy Hochzeitskleid auf der Bühne räkelt und nun auch klar wird, warum die Verkäuferin im Brautmodengeschäft sie schon kannte, als sie dort gemeinsam mit Rita vorbeischaute. Und natürlich erscheint just jetzt Hanno, weil Türsteher Fetti (markant & sympathisch: Tristan Seith) die Polizei gerufen hat. Sehr hübsch ist auch die Idee, dass Rita ihren Thermosbecher gern am Henkel wie einen Colt um den Finger wirbelt. Als sie Hanno zum ersten Mal wiedersieht, ist sie so überrascht, dass sie prompt Kaffee auf ihr T-Shirt schüttet. Später versucht sie in der Kirche, die Flecken mit Weihwasser zu entfernen, was ihr einen Tadel von Anke einbringt, aber auch ihr distanziertes Verhältnis zu Kirche und Religion veranschaulicht.

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Reihe

ARD Degeto, NDR

Mit Jan Fedder, Margarita Broich, Marie-Lou Sellem, Anna Brüggemann, Uwe Bohm, Verena Altenberger, Matthias Weidenhöfer, Laurenz Lerch, Tim Grobe, Tristan Seith, Thomas Sarbacher

Kamera: André Lex

Szenenbild: Hans Zillmann

Kostüm: Anette Schröder

Schnitt: Nikolai Hartmann

Musik: Florian Siegmund, Oliver Schwarz, Christopher Dierks

Produktionsfirma: Aspekt Telefilm

Drehbuch: Stefan Wild

Regie: Jan Hinrik Drevs

Quote: 3,18 Mio. Zuschauer (10,4% MA)

EA: 14.10.2016 20:15 Uhr | ARD

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