Der Fluss war einst ein Mensch

Alexander Fehling in Jan Zabeils Debüt: ein Deutscher ist Gast im „Haus der Tiere“

Foto: SWR / Rohfilm
Foto Rainer Tittelbach

Die Reise eines jungen Deutschen durch Afrika wird zur Grenzerfahrung. Auf einem kleinen Boot muss er die Leiche eines alten Fischers durch eine schöne, aber wilde Delta-Landschaft transportieren. Starke Bilder und eine beeindruckende Tonspur über das Leben und Sterben in der Natur prägen dieses Filmdebüt, das ohne Drehbuch entstand, ganz auf Musik verzichtet und mit Dialogen spart. Afrika pur, jenseits der gängigen Klischees, fast dokumentarisch. Landschaft, Rhythmus, Spiritualität sind wichtiger als die (ungeschliffene) Handlung.

Irgendwo in Afrika: Ein junger Mann strandet mit dem Auto in einer urwüchsigen Flußdelta-Landschaft. Ein alter Fischer nimmt ihn in seinem kleinen Kanu mit. Am nächsten Morgen ist der Alte tot, und der Reisende aus Deutschland muss sich allein zurechtfinden in der verlassenen, aber von wilden Tieren bevölkerten Gegend. Die Leiche in eine Plane gewickelt, unbeholfen im Umgang mit dem wackligen Boot, versucht er menschliche Hilfe zu finden.

Der Film enthält nur ganz wenige Dialoge und verzichtet auch auf Musik. Nur aus einem klapprigen Radio, das der Fischer mit sich führt, erklingt einmal ein klassisches Stück. Die Kulisse bildet das Okovangodelta in Botswana. Wasser, Schilf, Grasland. Der Film nimmt sich Zeit, nimmt den Rhythmus der Landschaft auf. Langsam gleitet das Boot durch die herrlichen Delta-Kanäle, der junge Deutsche schläft, der Fischer kontrolliert seine Netze. Vereinzelt sieht man wilde Tiere aus der Ferne. Mal schnaubt ein Flusspferd, stampft ein Elefant vorbei.

Der Fluss war einst ein MenschFoto: SWR / Rohfilm
Verloren? Mit dem Einbaum durch die afrikanischen Flussarme. Alexander Fehling

Regisseur Jan Zabeil erzählt bedächtig, aber ohne die gängigen Afrika-Klischees. Die Menschen sind hier nur Gast im „Haus der Tiere“, wie der alte Einheimische am Lagerfeuer dem Fremden erzählt. Das Naturerlebnis steht im Vordergrund, ohne falsche Romantik, wofür nicht nur die Bilder, sondern vor allem auch die eindrucksvolle Tonspur sorgt. Die Geräusche der Wildnis bilden eine vielstimmige, vor allem nachts bedrohliche Klangkulisse. Dann versucht der namenlose Deutsche verzweifelt ein Feuer zu entzünden, und die Kamera wird sprunghaft und zittrig. Mit kleinem Team wurde gedreht, neben Schauspieler Alexander Fehling waren nur der Regisseur sowie jeweils ein Mann für Kamera und Ton unterwegs. Im Kinosaal erzielt diese dokumentarisch anmutende Filmgestaltung allerdings sicher eine größere Wirkung als vor dem heimischen Fernseher.

Zumal die Handlung nicht gerade reich an dramatischen Höhepunkten ist und auch bewusst viele Leerstellen lässt – Zabeil hat für sein Filmdebüt auf ein Drehbuch verzichtet. Warum ist der namenlose Deutsche, von dem man dank des Lagerfeuer-Gesprächs nur erfährt, dass er ein Schauspieler ist, überhaupt in Afrika? Urlaub? Selbsterfahrungstrip? Es gibt keine Ansätze für eine Biographie und auch keine nachvollziehbaren Motive. Nicht einmal dafür, warum er in das Boot des Fischers steigt. Allein der Augenblick zählt und das Verhältnis von Mensch und Natur. Der Reisende gerät an seine Grenzen, erlebt Angst, Überforderung und Einsamkeit. Der Weiße ist kein Kolonialherr oder Helfer der armen Schwarzen – er benötigt selbst Hilfe. Die findet er schließlich in einem Dorf. Die Geschichte erhält im letzten Drittel noch einmal Schwung. Dabei nutzt Zabeil die spirituellen Vorstellungen der Einheimischen vom Umgang mit dem Tod, in denen sich ihr Leben im „Haus der Tiere“ spiegelt. Ein ungeschliffenes, aber reizvolles Filmdebüt, das viel aus den wenigen Mitteln macht, die den Machern angesichts nur bescheidener Förderung zur Verfügung standen. (Text-Stand: 29.9.2013)

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Kinofilm

SWR

Mit Alexander Fehling, Sariqo Sakega, Obusentswe Dreamar Manyima

Kamera: Jakub Bejnarowicz

Ton: Anton Feist, Magnus Pflüger

Produktionsfirma: Rohfilm

Drehbuch: Jan Zabeil, Alexander Fehling

Regie: Jan Zabeil

EA: 16.10.2013 22:00 Uhr | SWR

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