Der Bozen-Krimi – Die Todsünde

Chiara Schoras, Stokowski, Klaschka, Halfar, Derflinger. Regionales & Religiöses

Foto Tilmann P. Gangloff

Der Film nicht nur vom internen Drama her intensiv: „Die Todsünde“ konfrontiert Kommissarin Schwarz mit einer streng gläubigen Gemeinde, die alle Errungenschaften der Moderne ablehnt. Die Begegnungen der selbstbewussten und kirchenkritischen Ermittlerin mit dem Oberhaupt des Dorfes bilden die Schlüsselszenen der Geschichte, zumal Oliver Stokowski den Mann mit einer reizvollen Mischung aus Sanftmut & Abgründigkeit versieht.

Wenn sich Filme mit Religion befassen, ist das Ergebnis zumindest aus Sicht gläubiger Menschen meist zwiespältig: Im besten Fall wirken die Figuren schrullig, aber oft genug werden sie auch als Fanatiker dargestellt. Der achtzehnte „Bozen-Krimi“ konfrontiert Sonja Schwarz und Jonas Kerschbaumer mit den sogenannten Sutterern, einer Gemeinschaft, die abgesondert irgendwo in den Bergen streng nach den zehn Geboten lebt und die Errungenschaften moderner Technik strikt ablehnt; aus Sicht von Schwarz erscheint die Gemeinde jedoch wie eine patriarchalisch strukturierte Sekte. Allerdings ist der Blick der Kommissarin auch nicht unvoreingenommen, denn Drehbuchautor Sven Halfar führt Heldin und Publikum auf einem Umweg ins Dorf.

Der Film beginnt zur blauen Stunde mit einem Babyfund: Jemand hat einen wenige Stunden zuvor zur Welt gebrachten Säugling auf der Schwelle von Schwarz und ihrer Schwiegermutter Katharina (Lisa Kreuzer) abgelegt. Für die Suche nach der Mutter bleibt jedoch keine Zeit, denn in der Wolfsklamm liegt eine tote Frau. Es sieht aus, als habe sie sich von der Brücke in die Tiefe gestürzt, doch ein Kajakfahrer, der die Leiche entdeckt hat, hat einen jungen Mann weglaufen sehen. Tatsächlich ergibt die Obduktion, dass sie gestoßen worden ist. Es handelt sich um Helena Egger, die wie zu erwarten auch die Mutter des Babys ist. Alles spricht nun gegen Raphael Zuber (Rojan Juan Barani); Helena hat nach ihrer Flucht aus dem Dorf in seiner Wohnung gelebt, und natürlich glaubt Schwarz, er sei auch der Vater des Babys. Zuber gehörte einst wie das Opfer zur Gemeinde der Sutterer, dort trifft Schwarz nicht nur auf die Eltern (Meike Droste, Bert Tischendorf) der jungen Frau, sondern auch auf das Oberhaupt des Dorfes, dessen fromme Fassade eine rigide Weltanschauung verbirgt: Für Franz De Billio (Oliver Stokowski) ist Sex vor der Ehe „die furchtbarste aller Sünden“.

Der Bozen-Krimi – Die Todsünde
Das Oberhaupt der Gemeinde Franz de Billio (Oliver Stokowski) führt ein hartes Regiment. Sex vor der Ehe ist nicht nur für ihn „die furchtbarste aller Sünden“.

Die Konfrontationen zwischen der kirchenkritischen sowie gerade auch als Frau selbstbewussten Polizistin und dem Priester sind die Schlüsselszenen des Films, weil hier mehr noch als bei den Gesprächen mit den Eltern zwei Weltanschauungen aufeinander prallen. Der Diskurs setzt sich im Revier fort: Kerschbaumer senior (Hanspeter Müller-Drossaart) ist gläubiger Katholik und ein alter Bekannter von De Billio, und während Schwarz beklagt, dass sich die Frauen im Dorf verstaubten Traditionen unterordnen müssten, weist Kerschbaumer junior darauf hin, dass dies doch ihre freie Entscheidung sei. Der fiktive Gemeindename „Sutterer“ ist eine Anspielung auf die vor knapp 500 Jahren von Jakob Hutter in Südtirol gegründete Glaubensgemeinschaft der Hutterer, die nach ähnlichen Bedingungen lebt; heute allerdings größtenteils in Nordamerika. Auch für den religiösen Sender, in dem De Billio regelmäßig predigt, gibt es mit dem österreichischen Radio Maria ein authentisches Vorbild.

All’ das lässt Halfar jedoch angenehm beiläufig einfließen, etwa in Form einer TV-Reportage, die Schwarz im Internet aufruft. Der Autor hat sich zuletzt vor allem als Regisseur hervorgetan, als er mit „Propheteus“ (2022) einen überaus vergnüglichen und auch optisch anspruchsvollen „Tatort“ aus Münster über die Verschwörungserzählung von außerirdischen Echsenwesen gedreht hat. Regie führte wie schon beim letzten „Bozen-Krimi“ Sabine Derflinger. Ihre Inszenierung ist erneut in gutem Sinn routiniert, ohne dabei optische Akzente zu setzen. Sehr hörenswert ist allerdings die immer wieder von einprägsamen Pianopassagen durchzogene Musik (Thomas Klemm). Sehenswert ist „Die Todsünde“ neben der interessanten Handlung vor allem darstellerisch. Oliver Stokowski versieht den Priester mit einer reizvollen Mischung aus Sanftmut und Abgründigkeit, Bert Tischendorf verkörpert den hartleibigen Vater, der seine Kinder eher verstoßen würde, als ihnen zu vergeben, ebenso glaubwürdig wie Meike Droste die von Zweifeln geplagte Mutter. (Text-Stand: 26.1.2023)

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Reihe

ARD Degeto

Mit Chiara Schoras, Gabriel Raab, Oliver Stokowski, Meike Droste, Bert Tischendorf, Hanspeter Müller-Drossaart, Valentina Emeri, Lisa Kreuzer, Charleen Deetz, Annalena Hochgruber

Kamera: Eva Testor

Szenenbild: Jost Brand-Hübner

Kostüm: Sonja Kappl

Schnitt: Britta Nahler

Musik: Thomas Klemm

Redaktion: Patrick Noel Simon, Katja Kirchen

Produktionsfirma: Merfee Film- und Fernsehproduktion

Produktion: Eberhard Jost

Drehbuch: Mathias Klaschka – Idee: Sven Halfar

Regie: Sabine Derflinger

Quote: 7,04 Mio. Zuschauer (24,8% MA)

EA: 14.02.2023 10:00 Uhr | ARD-Mediathek

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