Es war im November 1963. Es begann mit dem schwersten Grubenunglück im Nachkriegsdeutschland. Und es endete mit der aufwändigsten und spektakulärsten Rettungsaktion in der Geschichte des Bergbaus. Wie das Fußball-Wunder von Bern wurde auch das Wunder von Lengede zum nationalen Symbol. Der Überlebenswille der Kumpels und der unermüdliche Einsatz der Bergungstruppen sorgten für das Happy-End.
Die Ereignisse von damals haben ”alles, was eine große Geschichte ausmacht”, so Sat-1-Geschäftsführer Martin Hoffmann: “bewegende Schicksale, eine dramatische Liebesgeschichte, große Helden.” Und so war es genau der Stoff, den sich der Sender nach den Quoten- und Kritiker-Erfolgen “Der Tunnel” und “Tanz mit dem Teufel” noch einmal zur Image-Aufbesserung leisten wollte. Sieben Millionen Euro wurden locker gemacht für 46 Schauspieler, 1800 Komparsen, die Errichtung eines künstlichen Stollens, durch den per Knopfdruck 290.000 Liter Wasser geschossen werden können, und für eine auch über Tage verblüffend stimmige Ausstattung, wie man sie sonst nur von Hollywood her kennt.
Elf verschüttete Bergleute, die nach 14 Tagen gerettet werden – das ist ein sagenhafter Stoff, dramaturgisch und telegen ist aber noch nichts an diesem dokumentarischen Fakt. Und so stellte Autor Benedikt Röskau zwei Paare in den Mittelpunkt. Da ist der Bergmann Franz Wolbert und seine Frau Helga. Ein typisch deutsches Arbeiterehepaar, dem die große Liebe abhanden gekommen ist, das aber zusammenhält, was auch kommen mag. Mit den beiden befreundet ist ein anderes Paar: Bruno Reger, ebenfalls Kumpel, und Renate, die raus will aus Lengede. Gemeinsam träumen sie sich ins Ausland. Nach dem Unglück, bei dem ein Klärteich bricht und eine halbe Million Kubikmeter Wasser in Minutenschnelle die Grube überflutet, hat der Film zwei dramatische Zentren. So wird das Geschehen unter wie über Tage miteinander verzahnt. “Oben die bangenden Ehefrauen der Verschütteten, unten die verzweifelten Bergleute”, so Produzent Michael Souvignier. “So entsteht Spannung und Emotionalität.“ Und je näher es an die Rettungsaktion geht, die wegen Einsturzgefahr noch Tage dauerte, nachdem man die in einem stillgelegten Stollen ausharrenden und zunehmend mutloseren Bergleute entdeckt hatte, geraten der Grubendirektor, ein Vermesser und vor allem ein unermüdlicher Ingenieur stärker ins emotionale Zentrum der Geschichte.
Dank dieses Kampfs auf drei Baustellen ist “Das Wunder von Lengede” auch ein kleines Wunder der Dramaturgie geworden. Auch wenn der deutsche Bruce Willis, Heino Ferch, als Hauptfigur aufgebaut wird, einen so strahlenden Aktivisten wie einst in “Der Tunnel” kann er – eingeschlossen unter Tage – nicht abgegeben. So teilt er sich die Aufgabe als moralische Heldenfigur zunehmend mit Armin Rohde, der oben baggert um das Leben seiner Kumpels. Jan Josef Liefers ist der tragische Held, Heike Makatsch das Versprechen auf 68 und Nadja Uhl die liebende Frau an des Mannes Seite. Der Rest, Schauspieler wie Halmer, Groth oder Heinze, ein stimmiger Look, eine akzentuierte Montage, das alles fügt sich unter der traumwandlerisch sicheren Regie von Kaspar Heidelbach zu einem bewegenden Ganzen. Ein großes TV-Drama also. Auch Ferch sieht in dem Film einen Archetypus des Dramatischen. “Es geht um Menschen, einfache Menschen, die völlig unvorbereitet mit den Grenzen ihres Lebens konfrontiert werden und versuchen, zu überleben.” (Text-Stand: 9.11.2003)