Ex-Fußballprofi Georg Trotter (Tobias Moretti) hat sich als Arzt und Dopingjäger einen Namen gemacht. Seit einem Unfall, durch den er vor zehn Jahren seinen Sohn verlor und der Georgs Frau Diana (Angel Coulby) in den Rollstuhl zwang, ist alles anders. Vom Klinikalltag in Großbritannien zermürbt, nimmt „der Bluthund“ das Jobangebot seines alten Freundes Andreas Müller (Benjamin Sadler) an. Die Trotters ziehen vom grauen Liverpool in die Tiroler Berge und Georg übernimmt die ärztliche Leitung einer der modernsten Sportkliniken der Welt. So weit, so gut, um die zukünftigen Gegenspieler zu positionieren. Glaubhaft ist diese Konstellation, auf der alles Folgende beruht, nicht unbedingt. Weder, dass ein kühl kalkulierender Mensch wie Müller sich freiwillig den sturen Bock Trotter ins Haus holt, noch dass dieser das Angebot annimmt. Dass die Zusammenarbeit unter keinem guten Stern steht, manifestiert sich von nun an in allen Begegnungen. Wie ein Backup zu Trotters wachsenden Zweifeln erzählt „Das Netz – Prometheus“ parallel von einer Mordserie in Liverpool. Die Ermittlungen führen Kommissarin Erika Green (Amanda Abbington) von einem toten Ex-Trainer auf die Spur von vertuschten Todesfällen in einem Fußballclub. Und zu den Trotters.
Amanda Abbington spielt diese Kommissarin als Frau aus Fleisch und Blut. Ständig auf der Straße, meist übernächtigt, nahbar und mit feinem Humor gesegnet. Autor Martin Ambrosch (auch: „Das Netz – Spiel am Abgrund“) gönnt Green darüber hinaus eine eigene Geschichte. All das macht sie neben den Trotters zum emotionalen Zentrum der Erzählung. Die Szenen in Liverpool sind ein willkommener Ausgleich zur sterilen Laborwelt in den österreichischen Bergen. Dort eröffnen zwischen Eighties-Sound und futuristischen Computerklängen flirrende Sounds die Szenerie. Das Klinikpersonal bewegt sich im künstlichen Licht. Die Menschen wirken entweder alterslos perfekt (Benjamin Sadler) oder muten bereits roboterhaft an. Bestes Beispiel ist die gern von unten angestrahlte Agata Buzek als Biochemikerin Edmunda Cerna. Keine unkontrollierte Regung durchfährt ihr Gesicht, kein Haar, das sich nicht der helmartigen Frisur anpasst. Wenn auch von einem anderen Ambiente umgeben, reihen sich auch die wohlhabenden Geldgeber (Ina Weisse, Peter Lohmeyer) und die chinesischen Investoren (Uisenma Borchu, Nicholas Goh) der Klinik in die Riege der Unnahbaren ein.
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Während die superreichen Geheimnisträger meist nur stehen, sitzen, blicken oder befehlen, läuft sich Georg Trotter in den heiligen Hallen die Füße wund. Immer wieder folgt die Kamera Tobias Moretti durch Labore, Kliniken und Hausflure. Sein Gang ist pendelnd, schwer, entschlossen: Schon die Art sich zu bewegen, macht Georg Trotter zu einem Außenseiter in dieser Welt der scheinbar Schwebenden. Scheinbar, denn so edel sie erscheinen, so entschlossen werden sich die Initiatoren der schönen neuen Welt bald selbst zerfleischen. Was zu Anfang ein schweigender Auftragsmörder erledigt (August Wittgenstein kommt über die gesamte Strecke mit drei Sätzen aus), übernehmen am Ende die Jäger des von Biochemikerin Edmunda entwickelten lebensverlängernden Enzyms. Junge Spieler sind als Versuchskaninchen für dieses Enzym gestorben, alte Manager wollen damit ihr Leben verlängern. Mit dieser Klammer zur Fußballwelt treten im zweiten Beitrag zur „Netz“-Reihe bereits bekannte Gesichter aufs Parkett. Wirklich präsent ist dabei nur Marek Wlodarczyk in der Rolle des Investors Franco Casutt. Die Auftritte von Tom Wlaschiha als Fußball-Scout Richard Felgenbauer, Farba Dieng als Spieler Emanuel Kanu und Raymond Thiry als World-League-Chef Jean Leco gleichen eher Gastspielen. Die Anbindung an das Thema Fußball und die Verzahnung mit der vorangegangenen Serie („Das Netz – Spiel am Abgrund“) bleibt lose. Auch nach einem Fußballfeld oder Stadion hält der Zuschauer diesmal vergebens Ausschau.
Zwischen hypermodernen Bergchalets und verlassenen Kiesgruben setzt das Vater-Sohn-Regie-Gespann Andreas (Folge 1-4) und Daniel (Folge 5-8) Prochaska den Kampf der Kontrahenten diesmal in Szene. Mal steht Bond-mäßig der Helikopter bereit, mal verlaufen sich zwei im nebelverhangenen Gespensterwald. Alles interessante Thriller-Schauplätze, allerdings nur bedingt brauchbar, um die Geschehnisse hinter den Kulissen des Weltfußballs zu erhellen. „Das Netz – Prometheus“ lässt den Realitätsbezug hinter sich und stellt am Ende viel größere Fragen. Wollen wir Unsterblichkeit? Wollen wir perfekte Körper? Zu welchem Preis erhebt sich der Mensch über seine eigentliche Bestimmung? Groß gedacht, aber auch weit übers Tor hinausgeschossen. (Text-Stand: 20.10.2022)