„Der Körper fault vor sich hin und ist inzwischen ziemlich ramponiert. Ich werde mich von ihm lösen und ihn seinem Schicksal überlassen.“ Der Journalist Tiziano Terzani (1938-2004) lässt seinen Sohn zu sich in die Toskana kommen. Der Krebs gibt ihm nicht mehr viel Zeit. Der alte Mann will noch etwas von seinem Erfahrungsschatz weitergeben an den Sohn, der es nicht immer leicht mit dem eigensinnigen Intellektuellen gehabt hat. Vor allem aber möchte er, dass die einstigen Spannungen zwischen den beiden sich auflösen auf dem Weg ins Unvermeidliche. Mit allem anderen ist der Journalist, der für den „Spiegel“ in Vietnam und China war und der, als er krank wurde, seinen Beruf aufgab, um in Tibet die Erleuchtung zu suchen, offenbar im Reinen. Vor allem mit sich selbst. Er habe ein erfülltes Leben gehabt, er könne ohne Reue gehen, heiter und gelassen, sagt er. Doch vor der Verabredung mit dem Tod, überliefert der unsentimentale Alte dem Sohn noch sein geistiges „Testament, das du dann zu einem Buch zusammenstellen könntest“, wie Tiziano Terzani dem Junior nahe legt. Und so kam es: die Sterbegespräche des Südostasien-Kenners erschienen 2007 im „Spiegel“-Verlag.
Foto: BR / Rolf von der Heydt
„Das Ende ist mein Anfang“ heißt auch der Film, ein kleiner Film von Jo Baier, der 2010 kurzzeitig auf der großen Leinwand zu sehen war. Mehr noch als das Buch, das Erfahrungen eines Journalistenlebens und Erkenntnisse über den Sinngehalt des Lebens spiegelt, wird das Kinokammerspiel eine Auseinandersetzung mit dem letzten großen Abenteuer. „Der Tod ist das einzig Neue, was mir noch passieren kann“, glaubt Terzani. Bruno Ganz spielt ihn als Bild gewordener Methusalem – lichtes Haar, weißer Rauschebart, gekleidet im Gewand eines Weisen. Wach der Geist, schwach der Körper. Passend das zitierte Bild vom Geist, der sich vom Körper löst, so wie sich im Denken Terzanis die Sicht auf die Wirklichkeit von seiner ideologische Brille befreite. „Ich wollte die Armen gegen die Reichen verteidigen“, sagt er, aber der Kommunismus wies dann doch nicht den richtigen Weg. Bereits in den späten 70er Jahren war ihm Gandhi näher als Mao. Aber was den Konsumismus, die Vergnügungssucht der westlichen Gesellschaft, angeht – über die marktwirtschaftliche Verführung wettert er noch heute, um im nächsten Moment die Magie eines Marienkäfers zu preisen. „Jetzt fühle ich mich leicht. Weil ich nichts Besonderes mehr bin, kann ich denken: Ich bin alles.“
Zwei Hauptdarsteller, zwei Nebendarsteller, ein Thema. „Das Ende ist mein Anfang“ ist ein minimalistisch erzählter Film, bestimmt vom Dialog und einem Ambiente, gleichermaßen getragen vom Reiz der Toskana wie den warmen, freundlichen Bildern der sensiblen Kamerafrau Judith Kaufmann, einem Ambiente, das den Zuschauer einlädt, entspannt den Ausführungen des Sterbenskranken zu folgen. Semantische Nuancierungen mit Hilfe der Filmsprache strebt Regisseur Baier nicht an. Puristen werden sagen, dass dieser Film sehr viel weniger „transportiert“ als das Interview-Buch, das zum Bestseller wurde. Das ist richtig – aber falsch als Argument gegen den Film. Dieser konzentriert sich darauf, sich dem Tabuthema Tod auf ungewöhnliche Weise zu nähern. Das ist gut so. Wer mehr von diesem ungewöhnlichen Journalisten erfahren will – der sollte das 400seitige Buch lesen.