Eine junge Frau, die immer nur gefallen will, versucht einen Neuanfang
Lucy (Julia-Maria Köhler) will es sich auf gar keinen Fall anmerken lassen, dass es ihr nicht gut geht. Am liebsten würde sie es auch selbst ignorieren: dass ihr Langzeitfreund Blake (Wayne Carpendale) sie verlassen und sie sich daraufhin um ihren Top-Job gedolmetscht hat und nun als Übersetzerin von Gebrauchsanweisungen ein tristes Dasein fristet. Das einzige, was ihr stets gut gelingt, ist das Lügen. Ob bei ihrem ignoranten Vater (Hanns Zischler), ob bei ihren vermeintlichen Freunden oder ihrer neuen Chefin: immer trumpft sie auf mit neuen Geschichten – und immer ist sie dabei die Größte, die Perfekteste, die Erfolgreichste. Das alles ändert sich schlagartig, als Cosmo (Anatole Taubman) auftaucht und nicht mehr von ihrer Seite weicht. „Ich bin dein Leben“, sagt er und will sie von einem Neuanfang überzeugen: „Du lebst nicht, du existierst nur noch.“ Und siehe da, die schöne Frau, die immer nur wahrgenommen und gefallen wollte, sehnt sich plötzlich nach einem anderen, einem tieferen Glück. Vielleicht ja doch wieder mit ihrem Blake, der als Fernsehkoch auf Reportage-Weltreise frei von Zwängen und Bindungen sein wollte, sich nach seiner Rückkehr nach Irland allerdings mit der Rolle des Ex-Ex durchaus wieder anfreunden könnte. Und Lucy schwankt noch zwischen altem und neuem Leben, zwischen Blake, den sie vor einigen Monaten unbedingt heiraten wollte, und Don (Steve Windolf), dem sympathischen Teppichreiniger von nebenan, der ihre Lust an der Lust wieder geweckt hat und der für sie durchaus auch als längerfristiges Liebesobjekt infrage kommen könnte.
Selbstfindung, Komik, Romantik, Ironie & ein Hang zum Meta-„Herzkino“
Es dauert 25 Filmminuten, bis die attraktive Heldin von „Ein Moment fürs Leben“ die traurige Wahrheit ihrer augenblicklichen Existenz erkennt. Und auch was ihren lieblosen, rigiden Vater betrifft und die sich unglücklich an die Familienzwänge anpassende Mutter, da gehen ihr so langsam die Augen auf. Das ist für eine Mittdreißigerin spät, aber besser spät als nie. Diese Selbstfindung ist der Unterboden einer Geschichte, die sich erfreulicherweise selbst nie zu ernst nimmt. Diese dritte ZDF-Verfilmung eines Cecelia-Ahern-Romans setzt sowohl auf das genreübliche Glücks(suche)motiv, was im Film selbst mit dem Begriff „Küchenpsychologie“ ironisiert wird, als auch auf das komödiantische Element. Dieser Dramödien-Effekt ist aber nicht der einzige Grund, weshalb sich diese Geschichte einer Wandlung von der fremdgesteuerten zur selbstbestimmten jungen Frau sehr erfrischend von anderen „Herzkino“-Plots unterscheidet. Denn den Drehbuchautorinnen Carolin Hecht und Sabine Glöckner gelingt eine Transzendenz im vermeintlich Trivialen, die durchaus etwas Wahrhaftiges besitzt und die zugleich in ihrer verspielten Art der Präsentation Laune macht. Anatole Taubman als das Leben der Heldin ist die Ironie in Person, ein großer Komödiant in einer letztlich angenehm kleinen Geschichte. Vor allem dieses phantastische Moment enthebt den Film von der Banalität des Alltags und gibt ihm eine Portion Leichtigkeit. Und die zahlreichen „Singing in the Rain“-Zitate setzen dem lockeren Spiel ein Krönchen auf.
Foto: ZDF / Reiner Bajo
Moderner, junger, frischer & besser besetzt als im ZDF-Sonntagsfilm üblich
„Ein Moment fürs Leben“ fühlt sich rund zwei Jahrzehnte jünger an als die meisten ZDF-„Herzkino“-Filme – und das hat nur bedingt etwas mit dem Alter der jeweiligen Akteure zu tun, wohl schon eher mit dem Alter der Vorlagengeberin (Cecelia Ahern ist Jahrgang 1981) und ihrem bewussteren und modernen Umgang mit Alltag, Psychologie und Ästhetik. Diese Dramödie bietet eine breitere Palette an Lesarten an, als es gemeinhin für die Romantikschiene im ZDF üblich ist. Es ist vor allem die Ironie, die diesen Frauenstoff auch für Männer oder Kitsch-Verächter beiderlei Geschlechts goutierbar macht. Und es sind selbstredend auch die Schauspieler, die von vornherein für diesen Film einnehmen. Julia-Maria Köhler, Anatole Taubman oder Steve Windolf – alle drei sind in dieser Geschichte absolute Sympathieträger, ja selbst Wayne Carpendale dürfte trotz seiner Egoistenrolle die Aufmerksamkeit so mancher Zuschauerin auf sich ziehen. Auch das ist ein Unterschied zu anderen Sonntagsfilmen im ZDF, bei denen sich fehlender Charakter zumeist auch in einer langweiligen Besetzung spiegelt. Und seien wir ehrlich (schließlich ist Ehrlichkeit eine im Film propagierte Eigenschaft), auch bei den Identifikationsfiguren sind es mehr als nur deren „innere Werte“, es ist maßgeblich auch deren Äußeres, die Qualität des Aussehens, Charme, Charisma und Sexyness, das besonders in Filmen der leichten Gangart für sie einnimmt. In diesem Punkt sind Köhler (allein die Variationsmöglichkeiten ihrer Haarpracht sind enorm), Taubmann & Windolf – verglichen mit anderen „Herzkino“-Casts – einfach unschlagbar.
Die Sinnlichkeit der Bilder: eine Inszenierung, die sich sehen lassen kann
Aber Sinnlichkeit steckt auch in den Bildern. Von der ersten Einstellung an verwöhnt diese Ahern-Verfilmung das Auge des Betrachters mit edlem Look, satten, klaren Farben, starken Kontrasten. Jophi Ries, von Haus aus Schauspieler („SOKO Köln“), zeigt nach „Ein Sommer auf Lanzarote“ in seinem zweiten Film als Regisseur also viel mehr als nur ein großes Gespür für sein ursprüngliches Metier. Und Ralf Noacks Kameraarbeit steht in dieser Dramedy in nichts seinen vorzüglich fotografierten Krimi-Grotesken, dem „Tatort – Der treue Roy“, den „Metzger“-Filmen und dem furiosen „Zorn – Kalter Rauch“ nach. Aber auch das Szenenbild erzählt die Geschichte amüsant mit (so lässt sich an der Positionierung des Riesen-„Singing in the Rain“-Plakats die psychische Verfassung der Heldin ablesen), genauso wie die kleinen Gesten der Schauspieler. Wer Köhlers Lucy die ersten Minuten in Augenschein nimmt, erkennt eine Frau, die gefallen will, den äußeren Schein liebt und die nach außen hin perfekt sein will. Da hätte es gar nicht der Explizitheit im Dialog bedurft. Dramaturgisch etwas aufgesetzt und emotional überflüssig wirkt auch die Läuterung von Lucys Vater. Der Verzicht auf diese Szene hätte einem Hanns Zischlers Tränen erspart, die wenig zu dieser Rolle, so ganz & gar nicht zum Stil dieses Klasse-Mimen passen und die der Situation eine falsche Tonlage geben. Da ist die „Analyse“ der Beziehungssituation durch die Heldin schon etwas zeitgemäßer: „Ich liebe dich nicht; also ich glaube, ich bin mir ziemlich sicher, dass ich es bald tun werde; obwohl ich nichts versprechen kann; es könnte auch alles in Tränen enden.“
Foto: ZDF / Reiner Bajo