Camping mit Herz

Christoph M. Ohrt, Diana Amft, Broecker. Launig – aber mit zu vielen Ungereimtheiten

Foto: Degeto / Sandra Hoever
Foto Tilmann P. Gangloff

Abgehalfterter Schlagersänger mit Zeltplatzphobie trifft Campingplatzbetreiberin kurz vor der Pleite: Das klingt nach einem Komödienstoff aus der Kategorie „Was gab’s denn noch nicht?“. Dabei ist die konstruiert wirkende Ausgangsposition sogar plausibler als die Umsetzung, denn „Camping mit Herz“ (Degeto / action concept) hat einige offenkundige Schwächen, die vor allem mit der Besetzung zu tun haben: Es knistert einfach nicht zwischen Christoph M. Ohrt und Diana Amft. Abgesehen davon ist es ohnehin unplausibel, dass die Mutter der Heldin den Sänger mit ihrer Tochter verkuppeln will, denn der Barde wäre vom Alter her eher ihre eigene Kragenweite. Dafür hat der Film einige schöne Momente zu bieten, und der Bottleneck-Blues sowie die herbstlichen Kalenderbilder passen perfekt zur Stimmung der Geschichte.

Abgehalfterter Schlagersänger mit Zeltplatzphobie trifft Campingplatzbetreiberin kurz vor der Pleite: Das klingt nach einem Komödienstoff aus der Kategorie „Was gab’s denn noch nicht?“. Dabei ist die konstruiert wirkende Ausgangsposition sogar plausibler als die Umsetzung, denn „Camping mit Herz“ hat einige offenkundige Schwächen, die vor allem mit der Besetzung zu tun haben. Die Geschichte ist allerdings tatsächlich originell: Karl-Heinz Sollheim (Christoph M. Ohrt), „Camping-Kalle“ genannt, hatte einst einen einzigen Hit, „Unter der Sonne“, und den muss er nun wieder und wieder zum Besten geben. Er selbst sieht sich dagegen als Country-Sänger, aber das will niemand hören. Der Film beginnt mit einer fiesen Entlarvung: Kalle bereitet sich nervös auf einen vermeintlich großen Auftritt vor, aber seine Bühne ist bloß der Parkplatz eines Baumarkts, und als er nach dem Ohrwurm einen Song vom neuen Album singen will, zerstreuen sich die zwei Dutzend Zuhörer, als hätte jemand eine Stinkbombe geworfen; dabei ist die Musik gar nicht schlecht.

Tess (Isabell Gerschke), die nimmermüde Agentin des Sängers, hat ein Gewinnspiel mit einem Radiosender arrangiert: Der Sieger darf Kalle eine Nacht auf seinem Campingplatz beherbergen. „Camping-Kalle“ landet also auf dem heruntergekommenen Ostseezeltplatz „meeresglück“. Dass der Name klein geschrieben wird, hat seine Bewandnis, wie sich später zeigt, denn der Sänger wird das Opfer eines Betrugs: „meeresglück“-Betreiberin Martha (Nina Franoszek) sieht in Kalle die letzte Chance, ihren Betrieb zu retten. Der überwiegend von verkrachten Existenzen bewohnte Zeltplatz wird schließen müssen, wenn es so weitergeht, aber davon hat Tochter Desiree (Diana Amft) keine Ahnung, denn die beiden Frauen pflegen eine konsequente Arbeitsteilung: Martha kümmert sich um die Buchhaltung, Desiree um die Gäste. Kalle hasst Camping zwar, weil er als Kind für eine Weile im Zelt leben musste, macht aber gute Miene zum bösen Spiel. Selbstverständlich entpuppt sich der vermeintlich arrogante Star, der vor jedem Auftritt Tabletten gegen Angstzustände nehmen muss, ohnehin als ganz sympathisch, wofür ihn der Film mit einer Romanze belohnt … Aber jetzt wird’s seltsam.

„Einige Plot-Details bleiben unklar (…), Amft und Ohrt kabbeln sich aber sympathisch. Mitunter holprig, aber charmant und skurril.“ (TV-Spielfilm)

Camping mit HerzFoto: Degeto / Sandra Hoever
Camping-Kalle (Christoph M. Ohrt) schlägt sein Zelt bei Desiree (Diana Amft) auf. Nordsee-Fans kommen auf ihre Kosten.

Die Ungereimtheiten beginnen schon mit dem ersten Auftritt von Mutter und Tochter, denn Nina Franoszek und Diana Amft wirken eher wie Schwestern; tatsächlich ist Franoszek (Jahrgang 1963) nur zwölf Jahre älter als die Kollegin (1975). Noch irritierender sind die Versuche Marthas, ihre Tochter mit Kalle zu verkuppeln; der Sänger wäre vom Alter her eher ihre eigene Kragenweite. Ohrt (1960) trägt für diese Rolle einen weißen Vollbart, der ihm zwar gut steht, ihn aber keinesfalls jünger aussehen lässt. Außerdem wirken Desirees Feindseligkeiten gegenüber Kalle völlig unmotiviert. Die Rechtfertigung des Buchs (Andy Cremer, Josh Broecker) ist nur halbwegs plausibel: Desiree spürt, das mit Kalle irgendwas nicht stimmt, und hat offenbar einen Hass auf alle Männer, seit ihr geschiedener Mann – „auch so ein Blender“ – sie verlassen hat. Der Ex, Werner (Peter Schneider), betreibt den riesigen und ungleich moderneren Campingplatz „Meeresglück“ (!) ganz in der Nähe. Er war es, der das Preisausschreiben gewonnen hat; Martha hat ihm den Sänger am Bahnhof vor der Nase weggeschnappt. Dank Kalle geht die Zahl der Buchungen bei „meeresglück“ deutlich in die Höhe, und als auch noch ein TV-Team auftaucht, sorgt Desiree mit einem Trick vor laufender Kamera dafür, dass der Star noch ein paar Tage ihr Gast bleiben muss. Allen Feindseligkeiten zum Trotz erkennen die beiden, dass sie Einiges verbindet, aber als nach einer gemeinsamen Nacht die Wahrheit ans Licht kommt, fühlt sich Kalle als PR-Zugpferd missbraucht; außerdem macht Werner ihm ein Angebot, dass Agentin Tess nicht ablehnen kann.

„Camping mit Herz“ hat einige schöne Momente zu bieten. Die Szene, in der sich Kalle und Desiree erstmals näherkommen, als sie einander von ihren toten Vätern erzählen, ist sehr berührend. Auch die teilweise recht melancholische Musik (Siggi Müller, Hermann Skibbe, Jörg Magnus Pfeil) passt mit ihrer akustischen Bottleneck-Gitarre gut zu dem Film. Dass Kalle mehr als bloß ein nörgeliger Ex-Star ist, belegen die warmherzigen Telefonate mit seiner alten Mutter (Margot Nagel), der er schließlich ein zu Herzen gehendes Abschiedslied widmet. Ohrt singt seine Songs selbst und macht das derart gut, dass man zweimal hinhören muss, um seine Stimme zu erkennen. Von ähnlicher Qualität ist auch die Bildgestaltung (Eckhard Jansen), weil die herbstlichen Aufnahmen die Stimmungen der Geschichte perfekt widerspiegeln; das gilt vor allem für die wunderschön fotografierten Kalenderbilder von Himmel, Meer und Dünen am Campingplatz (gedreht wurde in Zingst auf der Halbinsel Darß).

Der erfahrene Regisseur Broecker steht dank diverser Reihen- und Serienepisoden ohnehin für ein gutes handwerkliches Niveau; herausragende Produktionen wie etwa die ARD-Trilogie „Eltern allein zu Haus“ sind in seiner Filmografie allerdings eher selten. Auch „Camping mit Herz“ gehört in die Abteilung „Gebrauchsfernsehen“: kann, muss aber nicht. Es gibt witzige kleine Missgeschicke, aber auch unnötig übertriebene Momente (Werner spuckt sein Essen aus, als er Desiree mit Kalle im Fernsehen sieht). Größtes Manko ist jedoch die fehlende Chemie zwischen den beiden Hauptdarstellern: Ohrt und Amft fremdeln viel zu sehr miteinander, um es jenseits der Verbalinjurien unterschwellig knistern zu lassen. Vielleicht war in einer früheren Drehbuchversion ja eine Romanze zwischen Kalle und Martha geplant; das wäre nicht nur plausibler und realistischer gewesen, sondern hätte womöglich auch schauspielerisch besser funktioniert. Produziert wurde der Film übrigens von action concept; das ist das Unternehmen, das im Wesentlichen „Alarm für Cobra 11“ herstellt.

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Fernsehfilm

ARD Degeto

Mit Christoph M. Ohrt, Diana Amft, Nina Franoszek, Isabell Gerschke, Peter Schneider, Uke Bosse, Nils Dörgeloh

Kamera: Eckhard Jansen

Szenenbild: Marion Foradori

Kostüm: Cornelia Streiter

Schnitt: Melanie Schütze

Musik: Siggi Müller, Hermann Skibbe, Jörg Magnus Pfeil

Soundtrack: Johnny Cash („One“, „Hurt”, „In My Life”) David Gray („The Light“, „Coming Down”, „Lullaby”, „Falling Free”), Muse („Butterflies and Hurricanes”)

Redaktion: Sascha Mürl, Sascha Schwingel

Produktionsfirma: action concept

Produktion: Stefan Retzbach

Drehbuch: Andy Cremer, Josh Broecker

Regie: Josh Broecker

Quote: 3,88 Mio. Zuschauer (16,6% MA); 2,90 Mio. (11,1% MA)

EA: 21.06.2019 20:15 Uhr | ARD

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