Eine suizidgefährdete Psychiatriepatientin, Ende 20, nutzt einen Freigang auf ihre Art: Sie büchst ihrem Vater aus, legt sich selbstvergessen auf einen Ast eines Baumes – und lässt sich fallen… Sie überlebt, weigert sich in der Folgezeit aber, ihre Krankheit zu akzeptieren: Rieke leidet an einer manisch-depressiven Störung. Ihr Ehemann Benno schaltet Bloch ein, der will auch gerne helfen, doch die Patientin ist momentan in ihrer „Hochphase“ und so nicht erreichbar für den Therapeuten. Also erkundet er zunächst das Umfeld der jungen Frau und stößt auf einen Vater, der die Probleme der Tochter massiv leugnet. „Meine Tochter ist völlig normal, es sind die so genannten Mediziner…“ Dieser Vater führt nicht nur einen Krieg gegen die Ärzte, er kämpft auch gegen sich und seine Gefühle. Er hat eine so große Wut auf die Ärzte seit dem Tod seiner Frau. Sie hätte gerettet werden können, glaubt er. Rieke war noch ein Kind. „Hat sie getrauert?“, fragt Bloch. „Sie war tapfer“, entgegnet der Vater.
Bloch hat es in „Heißkalte Seele“ offenbar mit zwei Patienten zu tun. Da ist die Tochter mit ihrer bipolaren Störung und ihr Vater, der bei ihr nun dasselbe Verhaltensmuster bemüht wie bei seiner Frau: Er bekämpft die Menschen, die helfen wollen, weil er damit seinen eigenen Schmerz bekämpfen will. Solange der Vater nicht „mitzieht“, dürfte eine Therapie bei der Tochter nicht anschlagen. Da hilft es auch nicht, dass Riekes Ehemann in seiner Verzweiflung während eines manischen Schubs seiner Frau mit der fünfjährigen Tochter Emma auszieht. Jetzt ist für Vater und Tochter Hollstein jener Benno der Buhmann. „Die beiden legitimieren sich gegenseitig ihre Lebenslügen“, analysiert Bloch die Situation. Erst als die Szenarien eindeutig sind, eine Badewanne mit heißem Wasser, ein zerschlagenes Glas, eine Fahrt zu einer Talsperre, ein Schritt vor dem Abgrund, scheint endlich auch der Vater zu verstehen.
Foto: SWR / Stephanie Schweigert
Dieser „Bloch“ zeigt, was dieses „biomechanische Feuerwerk im Kopf“ mit der Hauptakteurin macht. Sie kommt nicht zur Ruhe, sie findet keinen Schlaf, sie geht wie im Rausch shoppen, sie stellt die Wohnung auf den Kopf, sie will feiern, Sex, Sekt, Drogen. „Ich weiß auch nicht, warum ich so bin; ich will nicht so sein.“ Der Film von Silke Zertz (Buch) und Michael Verhoeven (Regie) definiert die Krankheit zugleich auch über das Umfeld der Patientin. Da ist ein Psychiatriepfleger, der sorglos mit der jungen Frau schläft, da ist der Ehemann, der selbst zum Patient zu werden droht, da ist die Tochter, bei der sich ähnlich verhängnisvolle Gefühle festsetzen könnten wie bei Rieke nach dem Tod ihrer Mutter, da ist der Vater, der nur in seiner selbst gezimmerten Realität lebt und nichts anderes sehen will. Und da ist Bloch, der deutlich macht, dass eine Therapie nur Sinn hat, wenn der Patient die Therapie auch tatsächlich will.
Vom therapeutischen Standpunkt also alles richtig gemacht. Aber auch bezogen auf die Reihe „Bloch“: Aus Krankheitsbildern ergeben sich selten gute Drehbücher, aus Interaktionen dagegen schon eher. Dennoch leidet „Heißkalte Seele“, dieser Film über eine bipolare Störung, unter zu viel Drumherum und unter seiner bipolaren Dramaturgie. Da ist zunächst alles ziemlich grau, bevor am Ende dann alles sehr schnell wieder viel zu rosig aussieht. Besonders bipolar ist die Charakterisierung des lange völlig uneinsichtigen Vaters. So ganz überzeugend ist diese Figur nicht geraten: dass ein Mann, der jedes Thema, jede Person akribisch recherchiert, der wissenschaftliche Abhandlungen liest und prozessiert, dass so ein Mann so völlig uneinsichtig ist in psychologische Zusammenhänge – das kann man dieser Figur im Jahre 2012 einfach nicht abnehmen. Wohl nie „Bloch“ gesehen!? Der Vater-Tochter-Konflikt wird so ein bisschen zum dramaturgischen Scheingefecht. Der wortlastige SWR-Film, sehr sachlich und klar erzählt, ohne große ästhetische Raffinesse inszeniert, verliert sich auch sonst gelegentlich in thematischen Nebenschauplätzen: da kriegt schnell noch mal das deutsche Krankensystem inklusive falsch abrechnender Ärzte einen mit – was von der Konzentration auf den eigentlichen „Fall“ ablenkt. Da kann Katharina Schüttler noch so eindringlich agieren – „Heißkalte Seele“ ist ein schwächerer „Bloch“. (Text-Stand: 7.11.2012)