Waschen, legen, föhnen – trendy und stylish bis in die Spitzen. Niki und Philipp, verheiratet und seit 10 Jahren ein Paar, führen in Berlin einen angesagten Friseursalon. Mit Anfang 30 möchte Philipp so langsam die „Familienplanung“ ins Auge fassen, doch Niki will davon nichts hören. Sie möchte lieber mit dem Laden expandieren. Die Pläne liegen schon auf dem Tisch. Eigenmächtig hat sie sich die Geschäftsfläche eines zweiten Salons ausgeguckt – direkt gegenüber. Dann steht plötzlich ihre Jugendliebe Finn vor ihr. Der notorische Geschäftemacher bietet mit – und ersteht für seine Frau Mia die Räumlichkeit. Doch damit nicht genug. Finns Zuckerpüppchen will dort ausgerechnet auch einen Frisiersalon eröffnen. Und das mit nicht immer lauteren Geschäftspraktiken. Wie kommen beispielsweise Nikis Kundendateien in Mias PC? Für Niki ist klar, Finn ist noch immer „das gleiche Arschloch wie früher“. Der jedenfalls baggert sie unentwegt an. Und Philipp kennt noch immer nicht die ganze Wahrheit über Finn und Mia. Das würde ihm vielleicht ihre „Baby-Allergie“ erklären.
Tobias Oertel über das Grundprinzip von „Bis in die Spitzen“:
„Das Besondere an der Serie ist die Unvorhersehbarkeit. Debbie Horsfield, die Autorin der britischen Vorlage, überrascht immer in den Momenten, in denen man als Zuschauer meint, den weiteren Verlauf der Geschichte zu erahnen. Immer tritt das Unerwartete ein, immer das Unbequeme. Sie verführt uns und bestraft uns, wenn uns nach Harmonie zumute ist. Es kommt nie zum Happy-End. Die Serie kratzt an Tabu-Themen, ohne sozialkritisch zu werden. Sie erzählt von Menschen, die Fehler machen und damit leben müssen. Sie ist unmoralisch. Leben eben.“
„Bis in die Spitzen“ betreibt 13 Folgen lang ein amouröses Bäumchen-wechsel-dich-Spiel. Macho Finn treibt zwischenzeitlich sogar Softie Philipp aus dem Haus – und dann in die Arme seiner eigenen Frau. Auch das Nebenpersonal hat so seine Not mit Liebe, Lust und Leidenschaft. Es wird getratscht, gelebt, geliebt, gewaschen und geföhnt – das Haarstudio als Intrigen-Salon voller Eitelkeiten und Eifersüchteleien. Die Serie, die 2005/2006 bei Sat 1 mit nur mäßigem Erfolg lief, ist wie beispielsweise „Stromberg“ die Adaption eines britischen BBC-Formats („Cutting It“). Die Konstellationen, die Konflikte und die Inhaltsangabe lassen auf ein seifiges Vergnügen schließen. Doch „Bis in die Spitzen“ entwickelt andere Qualitäten. Das hat ästhetisch nichts mit Telenovela zu tun. Die Serie ist beste Popkultur-Unterhaltung. Ein bisschen trivial, aber eben auch mehr – Wahrheiten über das Leben inklusive.
„Die Figuren, auch die so genannten Sympathieträger, sind auch nur Menschen und sie haben Facetten, die nicht immer liebenswert sind, aber das macht sie nachvollziehbar und sehr wahrhaftig“, betont Hauptdarstellerin Jeanette Hain. Ihre Niki ist eine Verdrängungskünstlerin mit Kamm und Schere. „Sie ist eine Getriebene, ihr Antrieb ist ein tiefer Schmerz, der aus einer unerfüllten Sehnsucht gespeist wird“, so Hain. So stylish und cool das Großstadttreiben zunächst Blick erscheinen mag – die glatte Oberfläche wird von wankelmütigen Charakteren aufgeraut und die durchweg wunderbaren Schauspieler sorgen für den Rest dieser nicht nur handwerklich sehr überzeugenden, reichlich unterschätzten Serie. (Text-Stand: 20.8.2011)