Baal war Brechts erster Bühnenheld, alter ego des blutjungen Nachwuchsdramatikers, der sich um 1920 noch vor allem mit Lyrik die Zeit vertrieb. Das gefeierte Genie, das selbst kein Genie sein will und sich lieber ins Leben fallen lässt. Uwe Janson hat sich dem Stück filmisch angenommen. Für Arte und den Theaterkanal verfilmte er “Baal” als eigenständigen TV-Film. Jedes Wort, das hier gesprochen, gesungen oder geschrien wird, ist aus einer der drei Fassungen des Stücks, die Bertolt Brecht bis zu seinem 25. Geburtstag geschrieben hatte.
Die Werktreue forderten vor allem die Brecht-Erben. Aber auch Janson wollte aus der wüsten Eloge auf die Selbstliebe kein gefälliges “Pop(p)drama” machen. Als junger Mann war “Baal” seine “Bibel”. Also behielt er das radikale Lebensgefühl bei und veränderte allein Zeit und Milieu. Aus dem Lyriker wurde ein Rock-Musiker, aus dem Mäzen ein Agent und aus dem Bänkelgesang zwischen den episodischen Szenen wurde schweißtreibender Punk. Der Mensch Baal aber blieb derselbe arrogante Großkotz, der sich nicht vereinnahmen lässt vom Kulturbetrieb, selbst aber alles und jeden verschlingt, der Frauen demütigt und schwanger sitzen lässt und der ständig zwischen Schnaps und Verführung neue Reize braucht. “Trink’, wenn du sonst schon nichts kannst.“ Er hält sich nicht an die Regel, dass der Künstler allein der Kunst dienen und den Genüssen des Lebens abschwören müsse. Er ist ohne Moral, ein Egozentriker, ein Suchender, für den Leben Experimentierfeld für Extremerfahrungen ist.
Matthias Schweighöfer spielt Baal. Er wütet und tobt durch das Loft-Ambiente der Berliner Subkultur, er verletzt mit funkelndem Blick und struppigem Zopf die Herzen, die ihn lieben. In der Natur indes, die er mit seinem Freund Ekart sucht, lässt der Zerrissene sich schon mal erweichen und zu lyrischen Stimmungen hinreißen. Dann ist er der sensible junge Mann, wie man ihn kennt aus “Die Freunde der Freunde” oder “Soloalbum”. “Meinen Sie, dass Ihr Milchbubi das spielen kann”, war die erste Frage, die Brecht-Tochter Barbara Brecht-Schall dem Regisseur stellte. “Die zeigte mir eine Kohlezeichnung, die den 45-jährigen Baal mit kantigem Kopf und Klampfe in der Hand zeigte“, so Janson, der im “Urbaal” keinen midlifekrisengeschüttelten Künstler spürte, sondern eher einen jugendlich Süchtigen sah.
Janson remixt den Brecht-Text, indem er wie in der modernen Popmusik Szenen desöfteren unterbricht und die Montage nutzt um einen eigenen Rhythmus zu erzeugen. Die Kamera ist nah dran an den jungen Wilden. Der Rausch wird physisch fassbar. Dennoch wird es “Baal” schwer haben, (s)ein Publikum zu finden. Die, die wegen Schweighöfer gucken, wird Sprache und Stil irritieren, und die Theaterliebhaber, nicht unbedingt Fans moderner Filmsprache, werden abgelenkt und solch poetische Sentenzen wie “Mein Herz ist wild wie eine Wolke der Nacht” schlichtweg überhören. (Text-Stand: 29.3.2004)