Gefängnistherapeut Michael Trenk ist mit seiner Arbeit zufrieden. Eine langjährige Patientin findet vorzeitig ihren Weg in die Freiheit. “Wahrnehmung und Selbstreflexion der eigenen Person massiv verankert und gesteigert“, spricht er in sein Diktaphon. „Verabschiedungs-Prozess über mehrere Etappen erfolgreich abgeschlossen”, konstatiert er sachlich.
Wenn’s nur so wäre. Offenbar hat der Sex-Appeal seiner Klientin die Wahrnehmung des Therapeuten getrübt. “Sie erregt meine Fantasie, ich begehre sie, ich will mit ihr schlafen”, hat er seine Empfindungen nach einer Therapiesitzung zusammengefaßt. Nachdem die junge Frau dieses Bekenntnis vernommen hat, ist er vor ihr nirgends mehr sicher. Sie ruft ihn an, belästigt seine Ehefrau, macht ihn lächerlich und bettelt um Liebe. Ein Mal lässt er sich hinreißen, schläft mit ihr. Wie er erst hinterher merkt – ein verhängnisvoller Fehler. Nach einem bewusst halbherzigen Selbstmordversuch geht die kranke Frau, die wegen Mord an einem aufdringlichen Mann im Gefängnis saß, aufs Ganze. Im Kopf den Satz, den ihr der Therapeut eingebläut hat: “Vertrauen Sie Ihren Wünschen & sorgen Sie für deren Erfüllung.”
Ein weiblicher Psycho – und der Therapeut hat’s nicht gemerkt. Die Story um eine krankhaft übersteigerte Liebe, die in Psycho-Terror und anderen Wahnsinnstaten gipfelt, ist nicht ganz neu. Doch in der Wienerischen Melange aus hysterischem Weib und triebgesteuertem Therapeuten besitzt “Ausgeliefert” einen ganz besonderen Reiz. Freud jedenfalls lässt grüßen. Und die Schauspieler sind allererste Sahne – um nicht zu sagen: österreichischer Schlagobers.
Harald Krassnitzer spielt sich unter der souveränen Regie von Andreas Prochaska vom selbstbewussten Psychologen mehr und mehr zum Opfer einer Psychopathin. Anfangs realistisch und beiläufig gespielt, steht er am Ende klein, mit Tränen im Hundeblick da und bekennt sich zur Liebe zu seiner Frau. Die spielt Ina Weisse angenehm still und leise. Aber auch Maria Köstlinger als noch nicht austherapierte Mörderin kommt in diesem Fernsehfilm ganz ohne Augenrollen und andere dramatische Effekte aus. (Text-Stand: 9.12.2003)