Auch ein Sohn & Hausmeister hat seine Träume
Roger ist Hausmeister – und das mit vollster Überzeugung. In einem vom Abriss bedrohten Schweriner Plattenbau ist er hängengeblieben – mit Mutti, die ein Alkoholproblem hat, dafür keinen Mann. Und so hat Roger auch keinen Vater. Womit vielleicht zu erklären wäre, weshalb er hier, zwischen Ostalgikern, gescheiterten Existenzen und einsamen Herzen so etwas wie das Mädchen für alles ist. Dieser Mann ist um die 40 – und ein Kind geblieben. Roger ist ein Träumer, der sich verlieben möchte. Und dann ist sie plötzlich da: die Frau für ihn, ein Strahlen in Blond, frisch aus Berlin. Jene Ellen wohnt direkt unter ihm, hat eine nette Teenagertochter, keinen Mann, aber auch keinen Blick übrig für ihn. Sie hat genug um die Ohren als neue Wirtin der Siedlungskneipe. Und da Roger sowieso nicht weiß, wie das geht mit den Frauen, will er erstmal üben per SMS. „East Country Love“ heißen die Zauberworte. Und bald hat er mit Hotline-„Svenja“ eine neue Liebe gefunden. Auch die will nur „reden“.
Schön & gut: Wohlfühlformel einmal anders(t)
„Früher war alles besser, früher war alles schön“, sagt Mutti und setzt die Wodkaflasche an. „Anderst schön“, würde der liebenswerte Held des gleichnamigen Fernsehfilms sagen. Dieser Roger ist ein unverbesserlicher Optimist, er selbst entspricht dem menschlichen „Anders-schön“-Prinzip „Schönheit strahlt von innen“. Sicher, er ist auch ein Schönfärber, der weiß, wie er sich die Wirklichkeit schön redet, aber auch ein bisschen schön macht. Auf dem Dach seines Plattenbaus hat er sich sein Refugium errichtet, seine kleine Welt mit Sonnenblumen und Schafen, mit Liegestühlen und Bierchen, in die er sich zurückzieht, wenn Mutti ihren „Hase“ mal wieder zu sehr nervt oder wenn seine Wunschwelt zusammenzubrechen droht – so wie nach 70 Filmminuten, als sich ihm erschließt, was der Zuschauer von Anbeginn der SMS-Beziehung weiß: dass Ellen sich als „Svenja“ etwas nebenbei verdient. Weil aber der Film von Bartosz Werner nach dem Drehbuch von Wolfgang Stauch von Anfang an Züge eines realistischen Märchens („Es war einmal ein Hausmeister“) trägt, das Lebensmotto von Rogers Vorgänger als Hausmeister („Am Ende wird alles gut. Und wenn es nicht gut ist, dann ist es noch nicht das Ende“) indirekt auch zum Motto der Geschichte erklärt wird und weil dieser Roger es einfach verdient hat, dass alles gut wird, muss am Ende einfach das Meiste gut werden. Allerdings ohne, dass das Happy End dieser Degeto-Dramödie schematisch die Freitagabend-Wohlfühlformel bedient. „Anderst schön“ ist anders, erfüllt nicht blindlings Konventionen und Zuschauerbedürfnisse, sondern folgt den Bedingungen seiner Geschichte.
Das Prinzip Hoffnung: Herzensbildung eines Teenagers
Die Realität kann manchmal so grausam sein. „Roger, guck mal in’ Spiegel. Kann so einer wie der da im Spiegel so einer wie der da unten auch was bieten?“, lallt ihm seine Mutter entgegen, bevor sie „der da unten“ deren Höschen, das Roger während des Vollzugs seiner Hausmeistertätigkeit mehr aus Schusseligkeit als vorsätzlich eingesteckt hatte, zurückbringt. Dann eben doch nur „East Country Love“. Doch wie in dieses Abenteuer starten? Was schreiben? Ellens 15jährige Tochter Jill, die eher als ihre Mutter die Anders-, ja Einzigartigkeit des schüchternen Hausmeisters erkennt, macht einen Vorschlag: „Ich heiße Roger Kröger, ich bin Hausmeister, wohne bei Mutti, hab keine Kohle und seh’ nicht aus wie Brad Pitt.“ Das sei ja nicht so dolle, findet Roger. „Aber das ist die Wahrheit“, sagt Jill, rät aber zum dezenten Flunkern – und so schreibt Roger: „Ich heiße Spencer, lebe in einem großen Haus auf dem Land und bin Facility Manager.“ Jill fungiert als eine Art Medium zwischen den Erwachsenen, die blind vor lauter Aufgaben, die der Alltag ihnen aufdrückt, das Wesentliche nur schwer wahrnehmen. Sie, die damit umgehen muss, dass ihr Vater keinen Kontakt mehr mit ihr haben will, verkörpert in diesem Film das Prinzip Hoffnung. In einer anrührenden, poetisch herzerweichenden Szene spielt sie auf dem Dach des Hochhauses Cello, setzt damit in der Mitte des Films einen Kontrapunkt zum alltagsnahen Geschehen, indem sie die Bewohner für einen Moment aus der Tristesse herausreißt und ihnen etwas von der vergessenen Schönheit des Lebens vermittelt. Die Klarsicht & Herzensbildung des Teenagers, der Emilie Neumeister dafür ein perfektes Gesicht verleiht, zeigt sich auch in der Interaktion mit ihrer Mutter, der Jill auf der Zielgeraden zum Happy End Nachhilfe gibt in Sachen emotionale Intelligenz.
Regisseur Bartosz Werner über den Subtext DDR:
„Im originalen Plattenbau in Schwerin zu drehen war für mich sehr wichtig, da der Film auch ein Stück weit Zeitdokument sein sollte. Ein Stadtteil, der einst für die neue Zukunft der damaligen DDR stehen sollte, wird nun abgetragen und somit auch die Geschichte der Menschen, die dort ihre Hoffnungen sahen.“
Große Sympathie für die kleinen Leute
Der mit skurrilen Charakteren ausgestattete Realismus mit Hang zur Glücksbotschaft und zur gesellschaftlichen Metaphorik (ein Stück Ex-DDR = ein Stück weit eine verlorene Utopie), der den Film zu einem Ausnahmestück auf dem Freitagssendeplatz der ARD macht, fand in Nachwuchsfilmer Bartosz Werner den idealen Regisseur. Schon in seinem „kleinen“ Debütfilm „Unkraut im Paradies“ bewies er sein großes Talent (und seine große Sympathie) für humorvolle, lakonisch erzählte Alltagsgeschichten von Menschen, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens geboren wurden. In beiden Filmen geht es ums Erwachsenwerden – im Film von 2010 mit einem Held um die 20 und jetzt in „Anderst schön“ mit einem um die 40. Diese unangemessene Muttersöhnchen-Situation muss eine etwas andere, von vornherein absurd komische Tonlage zur Folge haben. Andererseits vernachlässigt Werner nicht die Ernsthaftigkeit von Autor Wolfgang Stauchs Stoff – und gibt vor dem finalen Aufbruch des halben Dutzend „Stehaufmännchen“ auch immer wieder der Wehmut eine Stimme.
Hübner, Große, Krößner: Eine Besetzung vom Feinsten
Für diese Geschichten im Angesicht der Abrissbirne, in dem die Lebensfreude letztlich das Dramatische besiegt, bedarf es Schauspielern, die Tragik und Komik gleichermaßen glaubwürdig zum Ausdruck bringen. DDR-Star Renate Krößner als Königin des schlechten Benehmens, der Schweriner Original-Plattenbau und die überaus sorgfältige Ausstattung legen ein glaubwürdiges Fundament, das Steffi Kühnert („Halbe Treppe“), Hermann Beyer als Parkinson-Witzbold und Barbara Philipp (die Assistentin im Tukur-„Tatort“) mit hübschen Sidekicks bereichern, und dem Charly Hübner und Christina Große die Krone aufsetzen. Der Mecklenburger, der auch im ernsten Fach, so im „Polizeiruf 110“ aus Rostock, ein echter Typ ist, schließt mit „Anderst schön“ nahtlos an seine Top-Komödien „Bornholmer Straße“ (Grimme-Preis nicht nur für ihn) und „Vorsicht vor Leuten“ an. Christina Große hatte 2014 ihr bisher erfolgreichstes Jahr und wurde als auffälligste Schauspielerin für den Grimme-Preis nominiert. Somit gilt auch für die Besetzung dieser wunderbaren ARD-Degeto-Dramödie und dieses klugen Wohlfühlfilms: einfach anders & viel besser! (Text-Stand: 17.5.2015)