Es heißt Abschied nehmen von Simon Polt. Sein geistiger Vater Alfred Komarek hat dem österreichischen Gendarmen noch einen letzten Fall geschrieben: „Alt, aber Polt“. In dem kleinen Ort im Weinviertel wird der „Herbstzauber“ gefeiert. Doch statt sich in der Kellergasse unter die Menschen zu mischen, sitzt der ehemalige Polizist Polt (Erwin Steinhauer) mit seinen Freunden in seinem Presshaus, um jungen Wein zu probieren („Viel bringst ned zusammen, Simon, aber trinken kann man ihn“). Der Kurzbacher (wie immer gespielt vom Ende 2017 verstorbenen Hans-Michael Rehberg) ist dabei, und auch dessen Bruder (Michael Mendl). Dann geht es nach Hause. Mit dem Fahrrad. „Warum nimmst du ned ein Frauenradl, tätst dir leichter, ich fahr schon seit zehn Jahren mit Radl von meiner Erna.“ Darauf ein anderer: „Wer ned mit der Zeit geht, geht mit der Zeit, und wer mit der Zeit geht, der kauft sich jetzt ein E-Bike-Radl“. Doch der Polt sagt nur: „E-Bike, nie im Leben. Und seine Freunde spotten: „Da radelt er in die Nacht und ist irgendwie aus der Zeit gefallen.“
Er trifft auf die angetrunkene Schauspielerin Mira Martell (Iris Berben), die auf einer improvisierten Bühne sitzt: „Ich wollte mit einer Soireé diesem Abend eine künstlerische Note geben. Wenn es ums Trinken geht, werden die Leute schon kommen, dachte ich, und die Welt durch das Veltliner-Glas betrachten.“ Polt fährt weiter, beobachtet eine „Gang“, die umherzieht. Die Nacht geht zu Ende. Am nächsten Morgen ist die Tochter eines angesehenen Winzers tot, ertrunken in einem Bach. Was ist passiert? Der zuständige Polizist Grabherr (Rainer Wöss) bittet Polt um Mithilfe. Der hört sich um, stellt Fragen, sucht Antworten. Die Gang, mit der das junge Mädchen unterwegs war, treibt sich auf Friedhöfen herum und ist dem Satanskult zugetan. Polt will wissen, ob es da einen Zusammenhang gibt. Er bekommt Unterstützung von Mira Martell, der ehemaligen Dorfschönheit Grete (Michou Friesz) und dem Kriminalpolizisten Zlabinger (Florian Teichtmeister). Alle drei haben eines gemeinsam. Sie sind dem Alkohol nicht abgeneigt. Gemeinsam bringen sie Licht ins Wiesbachtal.
Alt ist er geworden, der Polt. So auch der Titel: „Alt, aber Polt“. Denn Klarheit will der Ex-Gendarm immer noch. Er ist ein Wahrheitssucher. Und ein Wahrheitsfinder. Er schaut den Menschen in die Augen, ist beinahe stoisch ruhig dabei, braucht nicht viele Worte. Er ist ein Grübler, ein Melancholiker und ein feinsinniger Mensch. Sieben Geschichten um den Gendarmen hat Alfred Komarek geschrieben, die letzte wurde 2015 veröffentlicht. Und sie ist die sechste, die jetzt verfilmt wurde (nur „Zwölf mal Polt“ nicht). Wie bei allen anderen Vorlagen hat erneut Julian Roman Pölsler den Roman in ein Drehbuch gegossen und gewohnt liebevoll und einfühlsam in Szene gesetzt. So zeichnet alle Filme der Reihe ein Stil, ein Fluss, eine Tonalität aus. Es sind die Figuren und die Landschaft, die diesen Film in ihrem Wechselspiel so sehenswert machen. Polt braucht diese Landschaft, das niederösterreichische Weinviertel. Und diese Landschaft braucht Polt. Aber nicht nur Polt. Alle Figuren – egal, ob im Zentrum oder am Rand – wirken wie aus der Zeit gefallen, ein bisschen wie geschnitzt. Und selbst die jungen Wilden agieren hier langsamer als anderswo. Seine Weinrunde ist wie ein Gemälde. Szenenbild und Kostüme haben einen großen Anteil an dieser wunderbaren Stimmung des Films. Und auch die Musik von Haindling, die den Bildern Klang verleiht.
Wie Polt diesen Fall angeht, wie er ihn aufklärt, das ist wie eine 90-minütige Meditation. Er ruht in sich. Und der Film ruht in sich. Polt nimmt sich Zeit für die Menschen um ihn herum mit ihren Sorgen, Nöten, Schicksalen und Lebensgeschichten. Wie die der Mira Martell, einer älterem Schauspielerin, die sich von ihrem Beruf zurückgezogen hat, die aber noch in ihrem Traum der großen Diva weiterlebt. „Ich bin eine alte verdrehte Schachtel, verliebt in die eigene Vergangenheit“, gesteht sie dem Polt. Iris Berben spielt sie. Und so hat man die Berben wohl noch nie gesehen. Ihr gelingen zarte und verletzliche Momente und die Szenen zwischen ihr und Erwin Steinhauer, der den Simon Polt in jeder Geste, jedem Blick, jedem Satz, jeder Pause längst schon verinnerlicht hat, sie gehören zu den intensivsten dieses Films. Buch-Autor und Regisseur entlassen den Polt also ins Alter. Er wird fehlen. Seine Stille wird fehlen. Und die Landschaft, in der agierte, wird fehlen. Man konnte die Keller riechen, den jungen Wein förmlich schmecken, man trat ein in das Kaufhaus Habesam mit seinen Waren aller Art. Mach es gut, Polt. Pass auf dich auf!
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