Seit einiger Zeit versieht die ARD-Tochter Degeto ihre Freitagsfilme mit Titeln, die mindestens den Tatbestand der Verunglimpfung erfüllen; angesichts von Verirrungen wie „Mein Schwiegervater, der Stinkstiefel“, „Mein Sohn, der Klugscheißer“ oder „Immer Ärger mit Opa Charly“ hinter denen sich durchaus anspruchsvolle Geschichten verbargen, ist der Unmut der Filmemacher mehr als verständlich. Der Fortsetzung zur Alterskomödie „Almuth und Rita“ hat die Degeto den Titelzusatz „Zwei wie Pech und Schwefel“ verpasst, was zumindest bei Mitgliedern der Zielgruppe 50 plus umgehend die Assoziation zur gleichnamigen Haudraufkomödie mit Bud Spencer und Terence Hill (1974) wecken wird. Von diesem Niveau ist der Film mit Senta Berger und Cornelia Froboess zwar weit entfernt, aber ausnahmsweise ist die abschreckende Wirkung durchaus angebracht. Schon Teil eins (2014) war in erster Linie wegen der beiden großen Schauspielerinnen sehenswert: Berger als verknöcherte Almuth, geschieden, alleinstehend, als ehemalige Münchener Zahnärztin mit eigener Praxis aber vermögend; Froboess als Rita, eine lebenslustige Putzfrau aus dem ostdeutschen Umland Berlins, die sich lautstark im aufgeräumten Leben ihrer Arbeitgeberin breitmacht.
Dem hat die Fortsetzung im Grunde nichts hinzuzufügen. Oft wirken solche Produktionen wie Remakes, weil sie die gleiche Geschichte noch einmal erzählen, aber selbst das trifft diesmal nicht zu. Die karge Handlung erinnert an Musikalben, die nach einem Überraschungs-Erfolg rasch auf den Markt geworfen werden, weil noch Material übrig war. Da die beiden Frauen ja schon in Teil eins so etwas wie Freundinnen geworden sind, müssen sie sich erst wieder entfremden, um erneut zueinander zu finden. Außerdem verliert Rita ihren Mann Werner (Hansjürgen Hürrig) und findet vorübergehend Trost bei Almuth, die allerdings rasch wieder ihren Eispanzer umschnallt. Dass zudem noch ohne Vorwarnung ihre Tochter Kathrin (Aulitzky) samt Kindern vor der Tür steht, weil sie den Gatten beim Seitensprung erwischt hat, findet Almuth ausgesprochen lästig. Als Rita die Betten macht und Almuth ihre Tochter belehrt, sie solle die Kinder nicht an „Bedienstete“ gewöhnen, platzt der Putzfrau der Kragen. Diese Streitszene ist typisch für die unentschlossene Haltung des Films, der jede potenzielle innere Spannung im Keim erstickt: Rita wirft Almuth an den Kopf, sie tauge nichts und sei ein schlechter Mensch; anschließend erklingen auf der Tonspur fröhlich fiedelnde Streicher.
Foto: Degeto / Sabine Finger
Erneut hat sich Autorin Brigitte Blobel diverse Szenen ausgedacht, um die Verschiedenheit der beiden Frauen auf die Spitze zu treiben, aber Regisseur Nikolai Müllerschön ist es diesmal nicht gelungen, die Episoden zu einem Handlungsfluss zu verknüpfen. Deshalb wirkt „Zwei wie Pech und Schwefel“ (der Arbeitstitel, „Almuth und Rita räumen auf“, passte ebenfalls nicht zur Geschichte) wie eine Aneinanderreihung einzelner Ideen, von denen einige immerhin recht hübsch sind. Und natürlich macht es Spaß, Berger/Froboess zuzuschauen, auch wenn es selbst diesen beiden erfahrenen Schauspielerinnen kaum gelingt, die Klischeehaftigkeit ihrer Figuren aufzubrechen. Das gilt vor allem für Froboess: Frohnatur Rita lässt sich selbst durch Werners Tod nur vorübergehend aus der Bahn werfen und trägt ihr Herz auch weiterhin auf der Zunge. Berger vermittelt immerhin den Zwiespalt, in dem Almuth steckt: Einerseits würde sie gern anders, andererseits kann sie nicht raus aus ihrer Haut. Im ersten Film hat Blobel ihre Antiheldin mit einer unterkühlten Mutter konfrontiert, nun spiegelt sie ihren Charakter in der Tochter: Kathrin will unbedingt vermeiden, eine ähnlich „eiserne Lady“ wie Almuth zu werden, neigt aber wie diese dazu, unbequeme Gespräche mit dem Ausruf „Schluss, aus, Themawechsel“ zu beenden, was zum Glück nicht mehr so inflationär oft vorkommt wie in Teil eins. Die mühsam, aber überzeugend aufgebaute gegenseitige Zuneigung zwischen den Titelfiguren bleibt im zweiten Film dagegen eine Behauptung, die nicht belegt wird. Dass Rita die Distanz wahrt und weiterhin „Frau Doktor“ und „Sie“ sagt, passt wiederum gut ins Bild.
Leider fehlen diesmal die Details, durch die sich „Almuth und Rita“ auch bei der Bildgestaltung (hier wie dort Daniel Koppelkamm) auszeichnete. Die Umsetzung ist nicht nur ausgesprochen konventionell, sie sorgt auch nicht dafür, die Unglaubwürdigkeit einiger übertriebener Szenen zu mildern: Als Almuth Rita zu „La Traviata“ mitnimmt, inszeniert Müllerschön den Auftritt haargenau so, wie man sich die Anekdote „Eine Putzfrau in der Oper“ vorstellt: Froboess muss Mund und Augen aufreißen, mitten in einer Arie laut schluchzen und sich in der Pause darüber mokieren, dass alle anderen den bewegenden Darbietungen so ungerührt folgen. Schlechter Slapstick ist schließlich ein Streit der Frauen um Lebensmittel, die Rita aus Almuths Mülleimer gerettet hat: Sie zerren so lange an der Plastiktüte, bis sie zerreißt und beide durch die Küche fliegen. Noch lächerlicher ist nur eine Autofahrt durch die Stadt, die wie eine plumpe Rückprojektion aus den Fünfzigerjahren wirkt.
Der Hang zur Übertreibung zieht sich durch alle Ebenen; ein weiterer Beleg ist Ritas mit Kuscheltieren und anderem Kram überfrachtete Wohnung. Auch die beiden Hauptdarstellerinnen sind nicht davor gefeit. In dieser Hinsicht hat Berger die dankbarere Rolle, denn während Rita munter drauflos berlinert, wahrt Almuth die Contenance und erlaubt sich allenfalls indignierte Blicke; das aber reicht oft. Viel schöner sind die wenigen kurzen Momente, in denen Berger nur ahnen lässt, was in der Frau vorgeht; etwa, als ihr Freund Klaus (Wolfram Berger) erwähnt, dass sie beim Aushang für ein Golfturnier als Ehepaar geführt werden, und Almuths Gesichtszüge vereisen. Ansonsten wird das Offensichtliche stets auch ausgesprochen. Bekommen schon die Hauptfiguren kaum Tiefe, so gilt das für die Nebenrollen erst recht; dabei macht Klaus seiner alten Freundin sogar einen Heiratsantrag. Selbst der vom sächselnden Hürrig fast als Witzfigur angelegte Werner wirkt dank seiner aufrichtigen Herzenswärme komplexer als Klaus, obwohl er sich recht bald aus dem Film verabschiedet. Werner sorgt zudem für die wenigen wirklich heiteren Momente, und das sogar noch postum, als Almuth ihm bei der Trauerfeier wünscht, er möge im Himmel Udo Jürgens begegnen; und vielleicht auch Costa Cordalis. (Text-Stand: 4.11.2016)