1000 Mark pro Tag – da kann Privatdetektiv Uli Fichte (Dieter Landuris) nicht nein sagen. Obwohl er Freddy (Sven Eric Bechtolf), einen alten Kumpel, der ihm den Auftrag als Bodyguard vermittelt, noch nie so richtig leiden konnte. Immer arrogant tun, aber nichts gebacken kriegen. Und so ganz ungefährlich scheint der Job auch nicht zu sein. Immerhin ist ein Mordanschlag auf Freddys Schutzobjekt, Firmensanierer Strattmann, verübt worden. Noch bevor Uli den Dienst antritt, recherchiert er die Umstände der Spielzeug-Autobombe, die Freddy erwischt und ins Krankenhaus katapultiert hat. Vielleicht galt sie ja sogar ihm? Denn dieser scheint mal wieder ein Ding drehen zu wollen, bei dem auch das holde Töchterchen (Katharina Böhm) des knochenharten Sanierers eine Rolle übernommen hat. Dann melden auch noch Strattmanns zwielichtige tschechische Geschäftsfreunde Ansprüche an. Derweil erliegt Psychoanalytiker Frieder Tamm beinahe den Verführungskünsten eines attraktiven Babysitters (Petra Kleinert) und muss seinem Freund mal wieder aus der Patsche helfen.
„Tödlicher Irrtum“ ist die fünfte Episode aus der Pro-Sieben-Reihe „Alles außer Mord“ (1994-97), die in den 90er Jahren Kultstatus erreichte und immerhin drei bis vier Millionen Zuschauer vor den Bildschirm lockte. Dramaturgisch ist das alles sehr locker gesponnen, sprunghaft wie die Hauptfigur und sich am Regelkanon cooler Privatdetektivgeschichten orientierend. Dabei gehören Story, Handlungslogik und Spannung in der Regel nicht zu den Glanzleistungen der Reihe. Aber es gibt Ausnahmen. Das ist im Übrigen eine der vielen Qualitäten dieser Privatfernsehwundertüte: Die Folgen besitzen unterschiedliche Handschriften und Genre-Präferenzen. Was den sogenannten „Look“ angeht, entwickelte die Reihe in ihren 14 Neunzigminütern eine wegweisende Mischung aus cooler Kinoästhetik und schmuddeligem Schimanski-Touch. „Alles außer Mord“ funktioniert vor allem seriell: diesen Uli Fichte, diesen Frieder Tamm, die lädt man sich gern nach Hause ein; es sind zwei, mit denen man gern mal ein Bier trinken würde. Hier, der leidenschaftliche Detektiv, begeisterungsfähig, ehrlich und chaotisch; dort, der sympathische Psycho-Streber und verantwortungsvolle Familienvater – zusammen sind sie unschlagbar. Profi-Autor Michael Baier, sonst eher im ganz leichten Serienfach („Die Guldenburgs“) zu Hause, hat in seinem Duo die widersprüchlichen Sehnsüchte Familienglück und Freiheitswille verankert und überspielt das sehr geschickt mit seinen Krimigeschichten. „Alles außer Mord“ funktioniert im Grunde ganz ähnlich wie eine Familienserie. Das ist heute ja bei der ZDF-Privatdetektivserie „Wilsberg“ nicht anders.
„Tödlicher Irrtum“ von Nikolai Müllerschön ist eine typische Episode. Der Fall ist lange schwer durchschaubar. Als Zuschauer folgt man dem Treiben mit einer gewissen Neugier – dabei sind Situationskomik und Dialoge das dramaturgische Schmiermittel. Auch wenn man einen leichten Informationsvorsprung gegenüber Uli Fichte besitzt, größeren Durchblick hat man nicht, man hängt an seinen Lippen (er redet gern und viel) und ist abhängig von seiner Intuition. Dass am Ende der Täter des Mordanschlags mehr oder weniger aus dem Hut gezaubert wird, das wäre für einen Krimi heutzutage ein No-Go, „Alles außer Mord“ lässt man es durchgehen. Dafür hat die Reihe einen der besten Scores der Fernsehgeschichte. Klaus Doldinger variiert in jeder Folge den Titelsong auf unterschiedlichste Weise. Das trägt mit bei zur atmosphärischen Dichte der Filme mit ihrem Faible für die Nacht und den Hamburger Hafen. Diese Reihe macht reichlich melancholisch beim Wiedersehen…