Man wird ganz schön auf die Folter gespannt. Wo bleibt denn die so hochgelobte Nachwuchsdiva Sophie von Kessel!? Nach der Pilcher-Verfilmung „Stürmische Begegnung“ sollte sie doch mitspielen im ersten eigen produzierten TV-Movie von Pro 7. Die Garbo-like „Frau ohne Gesicht“, hinter dicken Brillengläsern versteckt, konnte es nicht sein. Der fehlte dieses gewisse Etwas. Und die von der Kamera auf Distanz gehaltene „Badende Venus“ war zu schnell als Wasserleiche zu besichtigen. Als die Schöne dann auftrat, hatte man sie längst vergessen. Nicht ihr Sex-Appeal war mehr gefragt, sondern des sympathischen Privat-Schnüfflers kleinen Obsessionen („Ich habe drei Grundsätze“) war man auf der Spur.
„Alles außer Mord“ aus heutiger Sicht
Mit dieser Reihe begab sich Pro Sieben 1994 erfolgreich aufs Feld der Eigenproduktionen. 14 Episoden entstanden in der Folgezeit bis 1996. Auf den Straßen von Hamburg tummelten sich als „Gäste“ viele neue, vor allem weibliche Schauspieler-Gesichter (Sophie von Kessel, Martina Gedeck, Ann-Kathrin Kramer, Christiane Paul) und in den Hauptrollen glänzten Dieter Landuris und Stefan Reck, die ihren Rollen eine Ironie mitgaben, die in den deutschen Krimiserienbislang nicht vorkam. So wurde das ungemein sympathische „Ermittlerduo“ aus Private Eye & Psychoanalytiker, gelegentlich ergänzt durch einen Klatschreporter, bei jüngeren Zuschauern rasch zur unverkennbaren Marke. Serien-Routinier Baier legte Uli Fichte kultverdächtige Nonsens-Dialoge in den Mund, während die Regisseure Wert legten auf eine frische Bildsprache.
Bei der Private-Eye-Reihe „Alles außer Mord“ ist alles etwas anders als in den gängigen öffentlich-rechtlichen Krimis. Ein möchtegern cooler Chaot, Anfang 30, hält sich mit Routine-Recherchen über Wasser, gerät aber in eine mörderische Intrige um Goldhamster, Kokain und drei schöne Frauen. Der schönsten erliegt er, was dem Zuschauer eine ironische Verführungsszene einbringt und dem Helden eine bittere Enttäuschung. Denn ganz im Stile von alten Bogart-Krimis ahnt man als Zuschauer, dass die hübscheste Frau auch die unmoralischste der drei Frauen sein dürfte. Unter Mordverdacht steht aber der werte Gatte.
„Die Frau ohne Gesicht“ ist ein kapitaler Schmunzelkrimi, dessen dezente Anleihen bei den klassischen Hollywood-Mythen von Erfolgsautor Michael Baier auf die Höhe des Zeitgeists gehievt wurden. Der von Sigi Rothemund routiniert inszenierte 95-Minüter lebt vor allem von Dieter Landuris, der seinen Hansestadt-Marlowe mit der Schnoddrigkeit des ewigen Junggesellen spielt, bei dem man – ähnlich wie bei Woody Allen – glaubt, zwischen Rolle und realer Person kaum unterscheiden zu können. Sein Uli Fichte könnte so für die junge Pro-7-Klientel zu einem Typ mit Fernsehzukunft werden. (Text-Stand: 10.4.1994)