Einen gewissen Tiefgang hatten die Komödien mit Hannes Jaenicke als ehemaliger Bundeswehroffizier Harald Westphal von Anfang an. Vordergründig waren die Geschichten ein großer Spaß, weil der sture Kommisskopp mit seinem Kasernenjargon permanent aneckte, sei es als Vater („Allein unter Töchtern“), Aushilfslehrer („Allein unter Schülern“) oder zuletzt in einem Berliner Multikultiviertel („Allein unter Nachbarn“). Diesmal aber überrascht Autorin Carolin Hecht mit einem völlig neuen Tonfall: „Allein unter Ärzten“ von Komödien-Experte Oliver Schmitz beginnt zwar wie die vier Vorläufer gewohnt humorvoll, wird jedoch im Verlauf der Handlung zunehmend ernster und schließlich unerwartet dramatisch.
Der Auftakt ist allerdings witzig wie immer: Den Campingausflug der Großfamilie Westphal hat Harald selbstredend generalstabsmäßig geplant. Dass die vegetarischen Töchter das Fleisch „vergessen“ haben, ist kein Problem, wenn man entsprechend ausgerüstet ist; aber erst wirft der potenzielle finnische Schwiegersohn Isko (Johann David Talinski) die komplette Angel ins Wasser, dann verhindert er, dass Harald eine Ente schießt; die Kugel trifft nicht das Tier, sondern das Boot, in dem die beiden unterwegs sind. Als Tochter Marla (Nina Gummich) plötzlich starke Bauchschmerzen hat und mit Verdacht auf Blinddarmreizung ins Krankenhaus muss, ist das noch halbwegs komisch, aber dann kommt der Geschichte nach und nach der Humor abhanden: Die junge Mutter leidet offenbar unter einer lebensbedrohlichen Allergie, nach und nach versagen die Organe; die Ärzte sind völlig ratlos.
Der Film bleibt seinem Etikett „Komödie“ dennoch treu, weil Westphal mit seiner Tochter das Mutter/Kind-Zimmer bezieht und sich mit jedem anlegt, der in der Klinik was zu sagen hat; allen voran mit dem arroganten Oberarzt (Michael Rotschopf). Dem jungen Assistenzarzt Ritter (Max Rothbart) verbietet er, Marla die Wahrheit über das Ausmaß ihrer Erkrankung zu sagen. Natürlich erfährt sie trotzdem, wie es um sie steht, und setzt den Vater wütend vor die Tür. Aber so leicht gibt ein Westphal nicht auf: Kurzerhand biwakiert Harald im Krankenhausflur, was zu einigen komischen Szenen führt. Da hat Hechts Drehbuch die gewohnte Leichtigkeit allerdings längst verloren. Dieser Verlust führt jedoch dank der Konfrontation mit dem Sterben zu einer neuen Qualität: Das Mutter/Kind-Zimmer befindet sich in der Onkologie; die hoffnungslos dem Tod geweihten jungen Patienten würden sonst was dafür geben, wenn sie Marlas 50:50-Chance hätten. Als nach den beiden Nieren auch die Leber der Offizierstochter den Dienst quittiert, wandelt sich der Film endgültig zur Tragödie.
Großen Anteil an der Besonderheit der Reihe hat die Kontinuität vor und hinter der Kamera. Mit Ausnahme der von Karoline Teska gespielten ältesten der drei Westphal-Töchter ist das Ensemble beisammen geblieben (Nina Monka als Tochter Floh und Dana Golombek als Westphals Freundin); Regie führte schon immer Oliver Schmitz („Türkisch für Anfänger“), Produzentin ist Kirsten Hager. Ebenso kontinuierlich ist andererseits der Wandel des jeweiligen thematischen Hintergrunds. Ganz ähnlich wie die ausgezeichnete „Bella“-Reihe (ZDF) mit Andrea Sawatzki nutzt das Drehbuch das eingeführte Personal, um auf unterhaltsame Weise Alltagsbewältigung zu vermitteln; bei aller Heiterkeit hat die jeweilige Handlung also durchaus eine gewisse Relevanz. Figuren und Geschichten dieser Art müsste im Übrigen auch die Degeto entwickeln, damit sich die Qualitätswende dort auch bei den Reihen manifestiert.
Bei allem Respekt für Buch, Regie und Mitspieler: Tatsächlich unersetzlich ist allein Hannes Jaenicke. Dass er sein Image auf die Schippe nimmt, ist als Rollenbeschreibung zwar mittlerweile fast redundant, weil er im Grunde kaum noch andere Figuren spielt, aber in den „Allein unter…“-Filmen ist die Selbstironie weniger auf den schnellen Gag aus und bekommt dadurch mehr Tiefe. Das wiederum liegt sicher auch am eingespielten Ensemble. Dass sich die Reihe dennoch weiter entwickelt, zeigt das neue Element des schwarzen Humors, für den sich im Krankenhaus Anlässe zuhauf finden. Aber weder die makabren Momente noch witzige Einfälle wie jener, als sich der schließlich mit einem Hausverbot belegte Afghanistanveteran gegen Ende als Busch verkleidet anschleicht, können verhindern, dass „Allein unter Ärzten“ im letzten Drittel zunehmend trauriger wird. (Text-Stand: 14.11.2014)