Ahlen, 1943: Der einst geschätzte jüdische Pferdehändler Siegmund Spiegel (Armin Rohde), genannt Menne, steckt in einem Dilemma. Am nächsten Tag soll er in den Osten deportiert werden, doch längst hat er erfahren, was dort auf die Juden Europas wartet. Dennoch schenkt ihm längst nicht jeder im „arisierten“ Umfeld Glauben. Weit wichtiger als das eigene Überleben ist Menne die Unversehrtheit von Gattin Marga (Veronica Ferres) und Töchterchen Karin (Luisa Mix). Ein Funken Hoffnung glimmt auf, als sich sein ehemaliger Kriegskamerad und Freund Aschoff (Martin Horn) bereit erklärt, die beiden auf seinem westfälischen Bauernhof zu verstecken – unter der ständigen Gefahr, von Nachbarn und Nazis ausgeforscht und im Falle einer Entdeckung hart bestraft zu werden. So schlägt sich der Familienvater zunächst auf eigene Faust durch, während seine Angehörigen Unterschlupf finden.
Eine wundersame Rettungsgeschichte. Was Marga Spiegel, Tante des 2006 verstorbenen Präsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland: Paul Spiegel, und ihre Familie im Dritten Reich erlebt haben, ist bewegend. Es zeigt anschaulich die Durchdringung der deutschen Gesellschaft durch den Nationalsozialismus bis ins kleinste Dorf. Aber es zeigt auch, dass sich nicht alle Deutschen durch das Angst- und Terrorregime einschüchtern ließen und – aus welchen Motiven auch immer – Zivilcourage und Mut bewiesen. Der niederländische Produzent und Filmemacher Ludi Boeken inszenierte „Unter Bauern“ weitgehend nüchtern und reduziert als Drama zweier ungleicher Familien, wobei der Fokus nicht so sehr auf den Opfern, sondern mehr auf den Rettern liegt. Der Film gibt einen Einblick in ein unspektakuläres, aber wichtiges Kapitel der Nazi-Zeit. Das ständige Verstecken, die Angst vor Entdeckung, der Mut dieser aufrechten Westfalen (die Namen der Bauern sind heute in Yad Vashem, der Gedenkstätte des Staates Israel an den Holocaust, verewigt), das alles berührt zutiefst. Inszeniert ist dieser Kinofilm ohne große visuelle Wucht, eher wie Fernsehen, wo er nun sicher besser aufgehoben ist. Dramaturgisch hat der Film Schwächen. Er konzentriert sich nicht nur auf die Haupthandlung, verliert sich zuweilen in Nebensträngen, die der Erzählung den Fluss nehmen und nicht mehr als angedeutet werden – so bei der aufkommenden Liebelei zwischen Aschoffs Tochter Anni und dem so glühenden Hitlerjungen. Manches wird zu überdeutlich, zu fingerzeigend in Szene gesetzt und in Dialoge verpackt. Und auch in puncto Schauspielführung sind Mängel erkennbar. Die Entwicklung der Figuren wird oft behauptet, nur zu selten inszeniert. Das gilt vor allem für die Rolle der Marga.
Veronika Ferres als Marga Spiegel sollte dem Film größere Popularität verleihen. Das ist offnsichtlich. Doch dem Film hat diese Besetzung nicht gut getan. Die Ferres spielt ihre Rolle wie meist in historischen Geschichten, erinnert sei nur an „Neger, Neger, Schornsteinfeger“ oder „Die Frau vom Checkpoint Charlie“. Selten sind die Momente, in denen die Mimin mit minimalem Spiel überzeugen kann, sie gibt diese Frau mit bekannter Gestik und Mimik als Gutmensch, als Übermutter, als Unerschrockene, die sich leidend durch schwere Zeiten kämpft. Wie wohltuend ist es da dem authentischen, kernigen, geerdeten Spiel einer Margarita Broich (als Aschoffs Frau) oder Martin Horn (als Bauer Aschoff) zuzusehen.
„Unter Bauern“ ist ein Film, der den wenigen, die Zivilcourage bewiesen und geholfen haben, ein Denkmal setzt, sie aber nicht heroisiert. Ein Film, der den Irrwitz eines fanatischen, irrationalen Hasses am Beispiel eines kleinen Dorfes vor Augen führt. Und ein Film über kleine Leute, die zu Großem fähig waren. Eine starke Geschichte, die einen über Mängel bei Inszenierung und Besetzung hinwegsehen lässt. Und dann dieser anrührende Schluss! Wenn kurz vor dem Abspann die echte Marga Spiegel, gestützt von der Tochter ihrer Retterin, Anni Aschoff, während der Dreharbeiten am Filmset erscheint.