Eine Hochzeit im Grünen. Der achtjährige David langweilt sich. Er zieht sich in den Wald zurück, penetrant verfolgt von einem Clown. Auch die sechsjährige Tine, geschminkt wie ein Clown, rennt hinter dem Jungen her, will mit ihm spielen. Doch der gerät zunehmend in Panik – und schmeißt einen Stein. Das kleine Mädchen wird tödlich getroffen. Für David beginnt eine schwere Zeit in der geschlossenen Abteilung einer Kinderpsychiatrie. Die Psychologin Nora muss herausfinden, ob der Junge gewalttätig ist, ob er unter einer psychischen Störung leidet, ob der Vorgang, der zum Tod des Mädchens führte, Totschlag oder ein Unfall war. Die junge Frau benötigt großes Fingerspitzengefühl, muss viel Zeit und Energie aufbringen für ihren kleinen Patienten. Darüber vergisst sie ihr eigenes Leben und: ihre Schwangerschaft, die ihr momentan nicht in den Lebensplan passt. Eine schwere Zeit haben auch die Eltern der betroffenen Kinder. Tines Mutter kapselt sich völlig ab – und versucht vergeblich, Kontakt zu David aufzunehmen. Dessen Mutter schwankt zwischen Vorwürfen und pragmatischer Einschätzung der Vorgeschichte: Immer wieder hat sie ihr Kind allein gelassen. Und sie hat ihm erzählt, ihr Vater sei Clown und nach Australien ausgewandet. Eine folgenschwere Lüge.
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„Uns trennt das Leben“ ist der Abschlussfilm von Alexander Dierbach (32) an der HFF München. Das sensibel erzählte Drama konzentriert sich zunehmend auf die Arbeit der Psychologin mit dem schwer zugänglichen Jungen. Diese seelische Sisyphosarbeit wird von Szenen begleitet, die alle anderen für den „Fall“ relevanten Interaktionen reflektieren. Da sind am Rande die Eltern des Opfers, die sich über die unterschiedlichen „Lösungen“, den Tod der Tochter zu verarbeiten, voneinander entfernen. Da ist – näher am Zentrum – die Mutter des „Täters“. Sie hatte wenig Zeit für ihr Kind – und sie redete die vielen Stunden, die sie mit ihrem neuen Freund verbrachte, als Suche nach einem neuen Papa für David schön. Mit solchen Rationalisierungen plus der Lügen über den Vater war der Junge sichtlich überfordert. Die Folge: Stresssymptome, Wahrnehmungsstörungen, Halluzinationen. Schließlich blendet sich der Film auch ins Privatleben der Psychologin ein: Sie ist engagiert, hoch motiviert, sie will dem Jungen helfen, sie will ihn verstehen und verdrängt dabei ihre eigenen Probleme. „Muss man – wenn man das alles sieht – nicht Angst haben, selber ein Kind zu bekommen, wenn man sieht, was man alles falsch machen kann?“, fragt sie sich und ihren Kollegen.
Es dauert gut 20 Minuten, bis der Film sein Zentrum findet, bis Dierbach deutlich macht, was er erzählen möchte. Es ist vielleicht immer noch etwas zu viel der Problemfelder: die Schwangerschaft hätte ausgereicht als existenzielle Projektionsfläche. Weshalb auch noch die Auseinandersetzungen mit dem Freund? Der Filmemacher nimmt die psychologische Grundsituation ernst, will jeder seiner Figuren „gerecht“ werden und nähert sich ihnen respektvoll. Mit etwas mehr narrativer Reduktion und dramaturgischer Konzentration hätte es ein überragender Debütfilm werden können. So ist „Uns trennt das Leben“, der inszenatorisch eine große Klarheit besitzt, die vor allem getragen wird von der großartigen Besetzung (perfekt: Koschitz, gut wie immer: Sarnau, bestens geführt: Jannick Brengel), ein überaus bemerkenswerter Erstling. Mit seinem Gespür fürs ausgewogene Drama wird mit Alexander Dierbach zu rechnen sein. Sicher auch zur ARD-Primetime. (Text-Stand: 29.1.2012)