Nach dem unterdurchschnittlichen Januar und einem soliden Februar mit zwei Ausnahme-Serien („Spuren“ und „Krank Berlin“) zeigt die Qualitätskurve im März deutlich weiter nach oben. Gab es im Monat der Bundestagswahl gerade mal zwei „Tatorte“, stehen nun fünf auf dem Programm. Zwei davon sind mehr als gut: „Charlie“ (BR, 2.3.), ein wuchtiger NATO-Manöver-Krimi, und „Abstellgleis“ (WDR, 30.3.) aus Dortmund, mit einem Kommissariat voller Verdächtiger und mit Stefan Konarske, dessen Daniel Kossik vorübergehend heimgekehrt ist. Dass Sascha Arango (Buch) und Lars Kraume (Regie) Axel Milberg mit „Borowski und das Haupt der Medusa“ (NDR, 16.3.) einen ebenso würdigen wie furiosen Abgang bescheren würden, war anzunehmen. Doch wer hätte gedacht, dass der „Tatort“ aus Köln – obwohl seit einigen Jahren erfolgreich aus dem Themenfilm-Whodunit-Korsett ausgebrochen – nach über einem Vierteljahrhundert noch ein solches Meisterstück wie „Colonius“ (WDR, 9.3.) hervorbringen würde!? Und weitere Krimis können sich sehen lassen: Ulrich Noethen ermittelt als (nomen est omen?) Stiller in einer neuen „Wendland“-Episode (19.3.), und Friedemann Fromm hat einen weiteren „Helen Dorn“-Fall (ZDF, 8.3.) erdacht und inszeniert. Eine Klasse besser als die meisten ARD-Auslandskrimis am Donnerstag ist „Ein Kreta-Krimi“ (6.3.) mit Naomi Krauss: glaubwürdige Besetzung, gute Backstory und eine gewisse Tiefe dank einer Heldin, die auf die sechzig zugeht. Das Crime-Einzelstück „Flucht aus Lissabon“ (ZDF, 17.3.) mit Hans Sigl setzt auf Thriller-Momente, während der zweite „Tod am Rennsteig“-Krimi (ARD, 13.3.) vor allem mit dem Duo Kristin Suckow & Bernhard Conrad punktet.

Nach den Krimis nun zu … weiteren Krimis. Denn auch RTL und RTL+ haben seit zwei Jahren der Deutschen liebstes Genre-Kind adoptiert. Die neue Reihe „Alpentod – Ein Bergland-Krimi“ (RTL, 4.+11.3.) mit Tim Oliver Schultz und Veronica Ferres ist okay für die, die unbedingt jeden Abend ihren Mord nach der „Tagesschau“ haben müssen. Dass es bei einem Kommerzsender auch origineller geht, zeigte sich bereits letztes Jahr mit der Reihe „Behringer und die Toten“ (RTL, 18.+25.3.) mit Antoine Monot und Cosima Henman, die mit zwei sehenswerten neuen Episoden aufwartet. Apropos Kommerz: Die Austria-Netflix-Serie „Totenfrau“ (19.3.) mit Anna Maria Mühe geht in die zweite Runde und ist noch besser als die erste Staffel. Ihre Fortsetzung finden auch die „Masuren-Krimis“ (ARD, ab 27.3.) mit Claudia Eisinger und der Staatsanwältinnen-Krimi „Wiener Blut“ (ZDF, 24.3.) mit Melika Foroutan, die bekanntlich neue Frankfurter „Tatort“-Kommissarin wird. Und einer geht noch: „Mordlichter – Tod auf den Färöer-Inseln“ (ARD, 29.3.) mit Odine Johne. Viele Krimis: Das bedeutet Nachsitzen zum Fasching für Tilmann P. Gangloff. Unermüdlich stellt er sich mit Lust den Variationen des Immergleichen.
„… überall Mord und die dunkle Seite der Menschen. Es gibt im TV heute ein Übermaß an Gewalt, Sadismus, Blut und Tod; auch bei den Streamingsendern. Ich finde das gruselig! Serientäter, Quälereien, angstgeweitete Augen junger Frauen und die Arbeit von Gerichtsmedizinern, die detailliert gezeigt wird. Das wird immer schlimmer. Einmal pro Tag die Nachrichten zu sehen, reicht doch schon aus, dass es einen fröstelt. Es gibt so viele andere bislang unerzählte Geschichten, es muss nicht immer Mord und Gewalt sein.“ (Axel Milberg im Interview: TV-Spielfilm 6/2025)
Es ist paradox. Die Krimi-Monokultur des deutschen Fernsehens ist insgesamt eine genre- und gesellschaftspolitische Zumutung. Einzeln betrachtet allerdings sind die meisten Produktionen dramaturgisch und filmisch gut, handwerklich sowieso, und sie sind immer öfter bestrebt, die bewährten Krimi-Muster mit Hilfe anderer Tonlagen (Drama, Komödie, Thriller) reizvoll zu variieren. Was bleibt ist ein Unbehagen an der Programmplanung, in diesem März ganz besonders, weil es der Zufall so will, dass 70 Prozent aller 90-Minüter Krimis sind, es keine überragenden Serien gibt wie beispielsweise im März 2024 („Reset“, „Kafka“, „Sexuell verfügbar“) und dass auch im Bereich der leichten Genres, Dramedy, Social Comedy, Romanze etc., der Hang zur Plantagen-Produktion besonders deutlich wird: „Frühling“ ohne Ende im ZDF-„Herzkino“, dreimal „Einspruch, Schatz!“, und der April ist freitags zugepflastert mit „Praxis mit Meerblick“. Die zwei Wohlfühl-Episoden von „Die Drei von der Müllabfuhr“ (ARD, 7.+14.3.) wirken dagegen wie ein schönes, dezentes Ritual. Ansonsten: kein ernsthaftes Drama, eine einzige Komödie, „Eigentlich sollten wir“ (ARD, 26.3.), die sich nicht nur thematisch verheddert, und mit „Zimmer im Grünen“ (ZDF, 30.3.) mit Janina Fautz, ein nettes Landlust-Movie, eine abgewandelte Fortsetzung von „Unterm Apfelbaum“ (2022). Was zum Schmunzeln, für den kleinen Fiction-Appetit zwischendurch, gibt es in drei Dramedy-Serien, feine Streaming-Schmankerln: „Like a Loser“ (ZDF-Mediathek, 2. Staffel, ab 7.3.), die launige Adaption der Brit-Comedy „Ghosts“ (ARD-Mediathek, ab 7.3.) und „Marzahn – Mon Amour“ (ARD-Mediathek, ab 14.3.) mit Jördis Triebel, ein melancholischer Reigen kleiner alltagsnaher Miniaturen, eine liebenswerte Serie. Eine doppelte Überraschung liefert mal wieder Netflix: „Delicious“ (ab 8.3.) eine Drama-Serie mit subtilem Horror; es ist das Regie-Debüt der Schauspielerin Nele Müller-Stöfen. Da die März-Serien nicht so recht satt machen, mein internationaler Free-TV-Tipp: „Hacks“, (ZDF, 11.3.), ein Emmy-gekrönter Generationen- und Stand-Up-Comedian-Clash, bissig, schwarzhumorig und abgründiger als der gemeine deutsche Krimi-Zuschauer auf den ersten Blick vermuten mag.
