Flucht aus Lissabon

Hans Sigl, Hana Sofia Lopes, Hans-Hinrich Koch, Steffi Doehlemann. Zu alt für diesen Sch…

Foto: ZDF / Oliver-Maximilian
Foto Tilmann P. Gangloff

„Flucht aus Lissabon“ (ZDF / Fiction Magnet, ndF) ist ein fesselnder Thriller mit Hans Sigl als untergetauchter Menschenrechtsaktivist und Fluchthelfer, der im Auftrag des BKA eine portugiesische Kronzeugin aufspüren soll. Die Programmiererin hat eine Software entwickelt, die „Fake News“ und „Deep Fakes“ filtert, wird von ihrem Arbeitgeber jedoch mit der Entführung ihres Sohns dazu erpresst, das Programm ins Gegenteil zu verkehren. Mit Sigl ist der alternde Held bestens besetzt, Hana Sofia Lopes ist eine Entdeckung fürs deutsche Fernsehen, die Musik sorgt für Dauerspannung, die Bildgestaltung ist beachtlich.

Jede gute Tat, jedes positive Gefühl, jede Schutzmaßnahme birgt stets das Gegenstück in sich: Selbst gute Taten können böse Folgen haben, hinterm Vertrauen lauert der Verrat, und jeder Schutz ist gleichzeitig eine Schwachstelle. All’ das beschreibt dieser Film, wenn auch auf einer tieferen Ebene, in erster Linie ist „Flucht aus Lissabon“ ein fesselnder Thriller: Hauptfigur Tom Fährmann (Hans Sigl), Menschenrechtsaktivist und früherer Fluchthelfer, muss ein Leben im Schatten führen, weil er der Polizei geholfen hat, die algerische Schleuser-Mafia zu zerschlagen; seither ist ein Kopfgeld auf ihn ausgesetzt.

Flucht aus LissabonFoto: ZDF / Oliver-Maximilian
Klasse-Duo über Generationsgrenzen hinweg: Sophia (eine Entdeckung fürs deutsche Fernsehen: Hana Sofia Lopes) und der traumatisierte Tom (Hans Sigl) haben den Ort ausfindig gemacht, an dem der kleine Noa gefangen gehalten wird.

Es ist jedoch nicht Fährmanns Geschichte, die Autor und Produzent Hans-Hinrich Koch erzählt: Sophia Moreno (Hana Sofia Lopes), eine portugiesische Programmiererin, hat im Auftrag der EU eine Software geschrieben, die in der Lage ist, „Fake News“ auszufiltern. Allerdings lässt sich das Programm auch ins Gegenteil verkehren, was sich ihr deutscher Arbeitgeber, Christian Aristides (Christoph Franken), zunutze machen will, und damit beginnt der Film: Sophia hat die Behörden informiert, aber ein Maulwurf hat Aristides beizeiten gewarnt. Beim Treffen mit BKA-Zeugenschutzbeamtin Alexandra Velten (Nadja Becker) in Lissabon erschießen seine Killer die portugiesischen Polizisten, Alexandra wird schwer verletzt. Sophia kann fliehen, ihr kleiner Sohn wird entführt. Fährmann kommt ins Spiel, weil Alexandras Vorgesetzte (Marion Kracht) herausfindet, dass es eine enge Verbindung zwischen ihm und ihrer Kollegin gibt: Wer könnte eine untergetauchte Person besser aufspüren als jemand, der ebenfalls auf Schritt und Tritt darauf achtet, von keinem Radar erfasst zu werden?

Koch, Geschäftsführer der Berliner Dependance der neuen deutschen Filmgesellschaft (ndF), war auch Produzent von „Flucht durchs Höllental“ (2019, ZDF); der Krimi war allerdings nur mäßig spannend und wirkte nach weit über hundert „Bergdoktor“-Episoden (ebenfalls ndF) wie ein Gefälligkeitsfilm für Sigl. Die Fortsetzung „Der Feind meines Feindes“ (2022, ZDF), für die Koch dann auch das Drehbuch geschrieben hat, war um Längen besser und ein fesselnder Thriller ohne Leerlauf, ebenso wie „Flucht aus Lissabon“. Koch nutzt die wenigen Entspannungsmomente, um relevante Hintergrundinformationen einzustreuen, die dem Thema Brisanz und Aktualität verleihen: Aristides will mit Hilfe von Sophias Software die Präsidentschaftswahl eines schwarzafrikanischen Staats zugunsten des militärischen Amtsinhabers manipulieren. Gelingt ihm das, droht Europa eine neue Flüchtlingswelle. Der Mann ist ein Zyniker, der seine Finger auch schon im Brexit hatte und angesichts der Rahmenbedingungen im fiktiven Kitwana – bittere Armut, Korruption, gewalttätige Konflikte zwischen Minderheiten – überzeugt ist, leichtes Spiel zu haben. Er setzt auf „Deep Fakes“, mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz erzeugte täuschend echte Videos. Fährmann und Sophia sorgen schließlich dafür, dass der Plan zum Bumerang wird.

Flucht aus LissabonFoto: ZDF / Oliver-Maximilian
Alexandra Velten (Nadja Becker) leitet eine von Interpol veranlasste Fluchtmission für die Cybercrime-Informantin Sophia Moreno.

Zunächst hat es den Anschein, als würde das Drehbuch die Identität des Maulwurfs viel zu früh verraten, aber tatsächlich beschert der Wissensvorsprung dem Film zusätzliche Spannung. Den Rest besorgt die Thriller-Musik von Martin Rott. Für Sigl (Jahrgang 1969) ist die männliche Hauptrolle ohnehin wie ein Geschenk: Fährmann leidet unter einem Trauma, seit er einst zwar gut drei Dutzend afrikanische Kinder retten konnte, aber einen zwölfjährigen Jungen eben nicht; daran muss er nun dauernd denken, als er gemeinsam mit Sophia ihren Sohn befreien will. Für Prügeleien mit deutlich jüngeren Männern ist er entschieden zu alt, aber nicht mal das bleibt ihm erspart; im Grunde fehlt nur noch der Satz „Ich bin zu alt für diesen Scheiß.“

Die vielsprachige Hana Sofia Lopes, als Tochter portugiesischer Eltern in Luxemburg aufgewachsen, ist eine echte Entdeckung fürs deutsche Fernsehen. Präsent und charismatisch ist Christoph Franken, noch gut in Erinnerung als riesenhafte, aber gutmütige Titelfigur aus der „Nord bei Nordwest“-Episode „Der Andy von Nebenan“ (2022). Die wichtigen Nebenfiguren sind ebenfalls prägnant besetzt. Für „Nord bei Nordwest“ hat Steffi Doehlemann nach diversen Serienfolgen und ihrem „Bergretter“-Langfilmdebüt auch schon gearbeitet. „Kobold Nr. Vier“ (2024) und zuletzt „Fette Ente mit Pilzen“ (2025) zeichneten sich nicht zuletzt durch eine vorzügliche Lichtarbeit aus; für „Flucht aus Lissabon“ (Kamera hier wie dort: Oliver-Maximilan Kraus) gilt das nicht minder. Dass sich die Regisseurin die bekanntesten Schauplätze Lissabons nicht entgehen ließ, versteht sich von selbst.

Flucht aus LissabonFoto: ZDF / Oliver-Maximilian
Überzeugende Kameraarbeit. Christian Aristides (Christoph Franken), der beizeiten vor Sophia Moreno und ihrem Programm gewarnt wurde, verlangt von seinem Handlanger (João Craveiro), dem entführten Noa einen GPS-Sender unter die Haut zu setzen.

tittelbach.tv ist mir was wert

Mit Ihrem Beitrag sorgen Sie dafür, dass tittelbach.tv kostenfrei bleibt!

Kaufen bei

und tittelbach.tv unterstützen!

1 Antwort

  1. Wenn Produzenten sich als Drehbuchautoren versuchen, geht das meist schief. Ausnahmen bestätigen die Regel (beispielsweise Brigitte Müller bei „Käthe und ich“). So leider auch hier: Eine dramaturgisch stark enttäuschende – früher hätte man gesagt – „Räuberpistole“, bei der häufig Zufälle die Handlung voranbringen müssen ( z. B. das „zufällig“ am Krankenbett herausgerutschte Handy von Marion Kracht, mit der dann die Schwerverletzte den Protagonisten informieren kann. Aua, das tat weh). Schade um die gute Arbeit von Steffi Doehlemann mit ihrem nicht minder guten Kameramann Kraus. Aber auch sie müssen leider wieder anerkennen, dass Billy Wilder recht hatte, als er meinte, dass man zwar immer aus einem guten Drehbuch einen schlechten Film machen kann, aber niemals aus einem schlechten Drehbuch einen guten Film. 3 Sterne

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Fernsehfilm

ZDF

Mit Hans Sigl, Hana Sofia Lopes, Christoph Franken, Marion Kracht, Nadja Becker, Vassilis Koukalani, João Craveiro, Erik Madsen, David Bredin

Kamera: Oliver-Maximilan Kraus

Szenenbild: Ana Teresa Castelo

Kostüm: Teresa Sousa

Schnitt: Melania Singer

Musik: Martin Rott

Redaktion: Silvia Lambri

Produktionsfirma: Fiction Magnet, ndF

Produktion: Hans-Hinrich Koch

Drehbuch: Hans-Hinrich Koch

Regie: Steffi Doehlemann

Quote: 5,82 Mio. Zuschauer (22,8% MA)

EA: 21.02.2025 10:00 Uhr | ZDF-Mediathek

weitere EA: 17.03.2025 20:15 Uhr | ZDF

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

Kontoinhaber: Rainer Tittelbach