Monatsüberblick November

(tit.) Keine Serie, kein Fußball – der November ist der erste Monat seit zwei Jahren, in dem der ARD-Mittwoch wieder voll & ganz dem Fernsehfilm gehört. Daniel Harrich, spezialisiert auf investigative TV-Fiktion, knöpft sich den umstrittenen Handel mit CO₂-Zertifikaten vor. In „Verschollen“ (ARD, 12.11.) sucht ein Vater, gespielt von Axel Milberg, seinen in Brasilien verschwundenen Sohn. Ein geradlinig erzählter, packender Öko-Thriller in teils grandiosen Bildern. Sogar zwei Komödien haben sich in die öffentlich-rechtliche Primetime verlaufen. Tragikomisch zu geht es in dem deutsch-österreichischen 90-Minüter „Tiefwassertaucher unterm Dach“ (ARD, 19.11.) mit Martina Ebm. Rupert Henning gelingt ein warmherziges, gut getimtes und kurzweiliges Plädoyer für mehr gesellschaftlichen Zusammenhalt. „Theken-Cowboys“ (ARD, 5.11.) ist eine famos gespielte, originell inszenierte und temporeich erzählte Komödie um drei Kumpels, die ihren Feierabend am Kiosk mit Gesprächen über Gott und die Welt totschlagen – bis eine Leiche und ein geheimnisvoller Koffer auftauchen. Das ARD-Fernsehfilm-Highlight ist „Polizei“ (ARD, 26.11.) von Buket Alakuş nach dem Drehbuch von Laila Stieler. Ein 16-Jähriger war zur falschen Zeit am falschen Ort: Berlin, 1. Mai 2021. Die Ereignisse haben ihn schwer traumatisiert. Zwei Jahre später folgt die Anklage. Er kann sich an nichts erinnern. Ein schmerzhafter Rekonstruktionsprozess beginnt. Das Coming-of-Age-Drama korrespondiert ein Stück weit mit Stielers Drehbuch zu dem vielfach preisgekrönten WDR-Drama „Die Polizistin“ (2000).

Foto: ZDF / Fabio Eppensteiner
Das ZDF-Highlight im November: Josef Hader in Matti Geschonnecks „Sturm kommt auf“ (10.11.) nach Oskar Maria Graf

Um den Korpsgeist bei der Polizei geht es unter anderem auch in „Maria hat Angst“ (Arte/ZDF, 28.11.). Lars Becker kombiniert in dem dramaturgisch dichten Film die Stärken der bisherigen Martinelli-Justizdramen mit der Milieu-Zeichnung seiner „Nachtschicht“-Reihe und verbindet so überaus packend das Anwalts- mit dem Polizeifilm-Genre. Das Beste, das das ZDF zu bieten hat, ist die Oskar-Maria-Graf-Verfilmung „Sturm kommt auf“ (10.11.) mit Josef Hader, ein historischer Zweiteiler, der (nicht nur) davon erzählt, wie sich zwischen 1918 und 1933 der Nationalsozialismus in einem bayerischen Dorf breit machen konnte. Ein Heimat-Western in einer einzigartigen Bildsprache: ein echter Geschonneck! Auch das Unterhaltungsfilm-Highlight im November kommt vom ZDF: „Liebesbrief an Jenny“ (30.11.) ist nicht nur eine „Notting Hill“-like Romanze mit Stefanie Reinsperger und Golo Euler, sondern vor allem auch ein engagiertes Plädoyer für die Akzeptanz des eigenen Körpers. Die Serien-Krone in Sachen Unterhaltung gehört mal wieder Annette Frier: „Frier und Fünfzig – Am Ende meiner Tage“ (Joyn, 10.11.; Sat 1, ab 24.11.). Die Schauspielerin spielt sich selbst; sie erlebt die Symptome der Wechseljahre, und weil sie mit ihren Rollenangeboten hadert, will sie eine Serie über das Klimakterium drehen. Man kann es sich denken: Das ist nicht immer nur komisch. Joyn & Sat 1 schicken auch „Der letzte Bulle“ wieder ins Rennen. Ob die sechste Staffel der einst launigen Serie so schlecht ist wie die Pressearbeit, können wir nicht beantworten. Um das Serien-Angebot vollzumachen: Nicht nur, aber vor allem für die jüngere Zielgruppe interessant ist „Stabil“ (One, 15.11.), eine Coming-of-Age-Serie, die in einer jugendpsychiatrischen Einrichtung spielt und ohne dramaturgische Zuspitzung auskommt. Von ganz anderem Kaliber ist „Die Nibelungen – Kampf der Königreiche“ (RTL+, 6.11.) von Cyrill Boss & Philipp Stennert. Die erstklassig inszenierte epische Sagenverfilmung ist weit mehr als nur eine Verlängerung des Kinofilms „Hagen – Im Tal der Nibelungen“ fürs Fernsehen.

Auch die Krimifreunde kommen im November nicht zu kurz. Da gibt es jede Menge solide bis gute Gebrauchskrimis mit Heldinnen in Klasse-Action („Sarah Kohr – Im Schatten“, ZDF, 3.11.), in Lebensgefahr („Theresa Wolff – Nebel“, ZDF, 29.11.), auf Themenfilm-Kurs („Helen Dorn – Schuld und Sühne“, ZDF, 1.11.) oder auf Kriegsfuß mit dem Wettergott („Sturmtief – Der Usedom-Krimi“, ARD, 6.11.). Eine besondere Erwähnung hat sich „Die Füchsin“ (ARD, 20.+27.11.) verdient. Die ARD-Krimi-Reihe kommt mit einem Relaunch: Die ehemalige Stasi-Agentin arbeitet jetzt für den Verfassungsschutz. Ein cleverer Schachzug. Männer ermitteln auch noch: Walter Sittler in „Der Kommissar und der See“ (ZDF, 12.11.) und Heino Ferch zum siebten Mal als Ingo Thiel (Arte, 21.11.). Bleibt das Flaggschiff des deutschen Fernsehkrimis: der „Tatort“. Vier können sich besonders sehen lassen: „Erika Mustermann“ (2.11.) mit Waschke & Harfouch, Robert Thalheims „Der Reini“ (16.11.) aus dem Schwarzwald, eine emotional intensive Krimi-Tragödie, zudem aus Stuttgart „Überlebe wenigstens bis morgen“ (23.11.), eine November-gemäße Krimi-Drama-Variation über die Einsamkeit, mit Feingefühl statt moralischer Keule. Und mit dem zweiten „Tatort“ um die „Cold Case“-Wühlmäuse Foroutan/Hasanovic entwickelt sich das vielversprechende Ermittler-Duo behutsam weiter. Der Fall bleibt wie beim Auftakt „Dunkelheit“ eher düster, „Licht“ (30.11.) bezieht sich neben dem Erkenntnisdrang auch auf die Lichtsetzung.

Foto: SWR / diwafilm / schlicht.de
Ein ARD-Highlight im November: Daniel Harrichs „Verschollen“ (12.11.) mit Axel Milberg, Julia Koschitz & Benjamin Sadler

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