Der Mai ist der letzte Monat der Saison 2024/25. Im Juni gibt es noch drei „Tatorte“, dann schaltet auch die ARD auf Sommer… Das Programm im Wonnemonat kann sich sehen lassen, besonders auch, weil es narrativ und genretechnisch ein kleines Bisschen vielfältiger ist als in den Monaten, in denen am meisten ferngesehen wird. Das Beste ausnahmsweise mal zuerst. Der wegen des Weihnachtsmarkt-Anschlags verschobene Magdeburger „Polizeiruf – Widerfahrnis“ (ARD, 4.5.) mit Claudia Michelsen ist ein ausgezeichnetes Beispiel dafür, wie es funktionieren kann, die Ansprüche von Krimi-Fans und Zuschauern, denen das ARD-Mittwochs-Drama fehlt, spannend, filmästhetisch brillant und schauspielerisch herausragend gleichermaßen zu bedienen. Dass es auf dem FernsehKrimi-Festival in Wiesbaden dafür zwei Preise gab, für Regie (Umut Dağ) und Beste Darstellerin (Mareike Sedl), ist kein Zufall. Der „Polizeiruf – Ein guter Tag für den Bananenfisch“ (ARD, 18.5.), ein schrillerer Versuch, aus der Krimi-Dramaturgie auszubrechen und dem Publikum mal etwas anderes zuzumuten als Ermittlerkrimis und Tote am Fließband, dürfte es trotz Johanna Wokalek und Stephan Zinner schwerer haben, bei der breiten Mehrheit zu punkten: drei Dragqueens in Lebensgefahr, die erst mal jedes Tunten-Tamtam-Klischee bedienen, bevor Autor Günter Schütter und Regisseur Dror Zahavi ihnen in die Seele schauen; dazu wird getanzt, gesungen, aber auch scharf geschossen. Der Fernsehfilm des Monats ist „Sterben für Beginner“ (ZDF, 5.5.) nach dem gleichnamigen Sachbuch von Eric Wrede. Hier ist es nicht die medial bevorzugte gewaltsame Variante des Ablebens, die im Mittelpunkt steht, sondern das ganz gewöhnliche – so häufig verdrängte – Sterben und ein sehr menschlicher Umgang mit ihm: Ein dem Tod geweihter junger Mann um die 30 hinterlässt seine geliebte schwangere Frau, sein ungeborenes Kind und den besten Freund. Edin Hasanovic, Max Hubacher, Svenja Jung & Peter Kurth überzeugen in dieser das Leben feiernden Tragikomödie, die sehr präzise von diesem Wechselbad der Gefühle erzählt und die damit – zwischen tiefem Schmerz und schöner Innigkeit – ein Stück Sterberealität widerspiegelt.

Gewohnt gut ist der Rostocker „Polizeiruf – Böse geboren“ (ARD, 25.5.), in dem Lina Beckmanns Melly Böwe in ihrem fünften Einsatz an der Seite von Anneke Kim Sarnaus Katrin König erstmals Farbe bekennen muss und psychologisch schärfere Konturen bekommt. Auch der Bremen-„Tatort“ (ARD, 11.5.) kann sich sehen lassen. Das Gleiche gilt für alle Krimi-Produktionen, die wir kritisiert haben: Wer statt Drama-Beiwerk lieber ein bisschen Action und vor allem viel Thriller-Spannung mag, der darf sich auf zwei neue „Amsterdam-Krimis“ mit Hannes Jaenicke freuen. Im ZDF legt das „Stralsund“-Relaunch mit der Episode „Blutgeld“ (10.5.) weiter zu, und „Das Geisterschiff“ (19.2.) ist ein überdurchschnittlicher Beitrag der Erfolgsreihe „Die Toten vom Bodensee“. Ob aus dem ausgezeichnet fotografierten und darstellerisch überzeugenden Film „Die Tote vom Jakobsweg“ (ARD, 22.5.) mit Michael Epp, Dirk Borchardt und Mercedes Müller eine Reihe wird, bleibt abzuwarten. Der Titel klingt eher nach Einzelstück. Auf jeden Fall nur ein 90-Minüter ist „Ohne jede Spur – Der Fall der Nathalie B.“ (ARD, 29.5.) mit Luise von Finckh: Erzählt wird die Geschichte der österreichischen Triathletin Nathalie Birli, die im Jahr 2019 entführt, in einem abgelegenen Haus gefangen gehalten und gefoltert wurde. Ein psychologisch tiefes, stark gespieltes, hochintensives Drama einer Selbstermächtigung. So kann man sich True Crime gefallen lassen. Ebenso wie dieser Film ist auch der vermeintlich unspektakuläre, aber absolut stimmige Landkrimi „Der Tote in der Schlucht“ (ZDF, 26.5.) mit Patricia Aulitzky & Gerti Drassl (beide eine Klasse für sich!) eine österreichisch-deutsche Koproduktion. Irgendwann werden wir es wohl analysieren müssen: das Phänomen, dass es die Austria-Krimis so häufig besser (= schräger, grantiger, charakterstark statt banal psychologisierend, „authentischer“, origineller) machen als deutsche Produktionen.
Der Rest ist überschaubar. Für schwarzhumorige, bisweilen makabere Unterhaltung sorgen „Drunter und Drüber – Chaos auf dem Friedhof“ (Prime Video, 9.5.), eine muntere Dramedy aus Wien, mit Nicholas Ofczarek und Julia Jentsch, und „Keine Scheidung ohne Leiche“ (ZDF, 29.5.) mit Tom Beck, eine Komödie, die einfach nur Komödie im Stile von „Immer Ärger mit Harry“ sein will. Schon interessant, dass der Tod – nimmt man „Sterben für Beginner“ hinzu – uns in diesem Monat gleich dreimal außerhalb des Krimi-Genres begegnet. Dem Tod von der Schippe gesprungen ist übrigens der ebenso coole wie depressive Doc aus der etwas anderen „Herzkino“-Reihe „Dr. Nice“ (ZDF, ab 11.5.), die mit drei neuen Episoden aufwartet. Nun ein ganz harter Schnitt: Niki Steins und Stefan Austs Doku-Drama „Stammheim – Zeit des Terrors“ (ARD, 19.5.) ist ein Gefängnis-Kammerspiel um die RAF-Köpfe Ulrike Meinhof, Andreas Baader, Gudrun Ensslin und Jan-Carl Raspe, das 50 Jahre danach die internen Gruppenkonflikte und das Verhältnis zum Wachpersonal stärker in den Mittelpunkt rückt als frühere Filme. Wer die Kinofilme „Stammheim“ (1986) und „Der Baader/Meinhof-Komplex“ (2008) und die eine oder andere Dokumentation dazu kennt, braucht diesen neuen Spiegel-TV-Aufguss nur bedingt, für Zuschauer späterer Jahrgänge mag das nicht gelten. Und noch ein Aufguss völlig anderer Art: „Die Augenzeugen“ (ARD, 3.5.), eine Mini-Serie mit Nicolette Krebitz & Lucas Gregorowicz, basierend auf der international erfolgreichen norwegischen Serie „Eyewitness“ (2014).
