Monatsüberblick April

(tit.) Der April setzt die bisherigen Trends des Jahres fort. So taucht im Presse-Vorführraum der ARD die Rubrik für den Mittwochsfilm nicht mehr auf. Warum auch, schließlich gibt es keinen einzigen klassischen Fernsehfilm mehr. Das war im Februar mit der Wiederholung der Arte/BR-Koproduktion „Querschuss“ und im März mit der mauen Zeitgeist-Komödie „Eigentlich sollten wir“, eine Koproduktion von ORF mit geringerem BR-Anteil, nicht anders! Das ZDF macht es da schon besser, jedenfalls im April. Bei allem Krimi-Reihen-Overkill verliert man auf dem Lerchenberg die Format-Vielfalt nicht völlig aus den Augen. So gibt es im sonst vornehmlich von Krimi-Reihen okkupierten Montagsfilm immerhin drei Ausreißer. Dass „Rosenthal“ (ZDF, 7.4.) der 90-Minüter des Monats werden würde, ist bei dem schmalen Angebot keine Überraschung. In diesem alles andere als gefälligen Biopic wird die jüdische Identität des beliebten Showmasters mit einem Zeitporträt der siebziger Jahre ernsthaft und unterhaltsam zugleich kurzgeschlossen. Eine Woche später ein Höhepunkt in Sachen Thriller, (Liebes-)Drama, Psycho-Spannung: In „Ewig Dein“ (ZDF, 14.4.) brillieren Julia Koschitz und Manuel Rubey in einer toxischen Beziehungsgeschichte, die schon häufig erzählt wurde, aber selten so intensiv und fein nuanciert. Jetzt ein Tusch für die bisher einzige sehenswerte Komödie in den ersten vier Monaten: „Die Bachmanns“ (ZDF, 28.4.) mit Stefanie Stappenbeck, Oliver Wnuk und Natalia Belitski! Der Themenkomplex Patchworkfamilie wird zwar seit 20 Jahren immer wieder gern komödiantisch aufgespießt, aber Ralf Husmann kriegt auch dieses Genre, köstlich kombiniert mit dem Vorstadtsiedlungs-Mittelschicht-Horror, einfach besser hin als andere: absurd, wahrhaftig, witzig – und anschlussfähig.

Foto: ZDF / Britta Krehl / [M] Irek Herok
Wenigstens EINE (gute) Komödie in den ersten vier Monaten 2025. Oliver Wnuk & Stefanie Stappenbeck in „Die Bachmanns“ (ZDF)

Dass der föderalistische Aufbau der ARD jahrzehntelang ein großer Pluspunkt dieser bekanntesten Arbeitsgemeinschaft Deutschlands war, dürfte in diesen Tagen wohl noch öfter zu hören und zu lesen sein. Aktuell ist diese Struktur – jedenfalls was die fiktionale Vielfalt angeht – eher ein Hemmschuh (weshalb, dazu mehr möglicherweise auf t.tv im Sommerloch). Doch bleiben wir fürs Erste positiv: Der „Tatort“ ist einmal mehr auch im April das Maß aller Krimi-Dinge. Thematisch und tonlagentechnisch wird das Genre gleichermaßen ausdifferenziert. Kein absoluter Ausreißer nach oben. Aber vier Filme, die hochwertig das einlösen, was man vom „Tatort“ Münster (6.4.), Wien (13.4.), Hannover (21.4.) und München (27.4.) erwartet, auch wenn die Bayern diesmal in den Alpen ermitteln. Gut ist gut. „Öd“ aber nicht öd; womit wir bei der Krimi-Überraschung des Monats sind: Die beiden Episoden von „Morden auf Öd“ (RTL, 8.+15.4.) sind das Beste, was bisher unter dem RTL-Label „Krimi-Dienst-Tag“ zu sehen war. In den top besetzten Inselkrimis von den Grimme-Preisträgern Holger Karsten Schmidt (72 Kritiken aktuell in der t.tv-Datenbank) und Richard Huber, mal launig, mal hart, wird eine sympathische Kommissarin vom Festland in ein vorgestriges Nordsee-Biotop versetzt, das von einem einsilbig introvertierten, anfangs schwer einzuschätzenden Kollegen repräsentiert wird.

Foto: ZDF / Petro Domenigg
Das diesen Herren im Lauf der 8 Folgen das Lachen noch vergehen könnte, macht u.a. den Sog von „Die Affäre Cum-Ex“ (ZDF) aus.

Natürlich wird auch anderswo weiterhin viel, ja, zu viel gemordet. Gut, wenn wenigstens der Genremix für ein bisschen Abwechslung sorgt. „Mord in Wien“ (ARD, 24.4.), eine mögliche neue Reihe, besitzt zumindest ein feines Augenzwinkern. Die neue „Stralsund“-Episode (ZDF, 12.4.) ist ein top gespieltes Krimi-Drama und „Mord auf dem Inka-Pfad“ (ARD, 30.4.; Kritik folgt) ein mehr als sehenswerter True-Crime-Zweiteiler. Höhepunkt aber ist „Was wir begehren“ (Arte, 4.4.), das dritte Krimi-Drama um die beziehungstechnisch schwer gebeutelte „Katharina Tempel“ mit der großartigen Franziska Hartmann: Der Psychodruck auf die Kommissarin wächst weiter… Unterdurchschnittlich sind hingegen die neuen „Barcelona-Krimis“ (ARD, 10.+17.4.) und „Ostfriesenfluch“ (ZDF, 5.4.). Dass nun ausgerechnet Arte aushelfen muss, um diese nach 12 Episoden allenfalls nur noch mittelmäßige Krimi-Reihe als koproduzierender Sender mitzufinanzieren, ist ein weiteres Indiz für eine Entwicklung, die besonders den öffentlich-rechtlichen Sendern unwürdig ist (und die ich nicht länger mittragen möchte): kaum noch Dramen, kaum noch Komödien, kaum noch Einzelstücke. Aus diesem Grund werden wir künftig noch einige weitere – wie ich sie nenne – Gebrauchskrimi-Reihen nicht mehr kritisch begleiten. Mit den „Ostfriesenkrimis“ ist nach einem Dutzend Episoden jedenfalls Schluss, die Filme 13 und 14, Ende April auf Arte, überlassen wir gern anderen Medien… Fernsehkritik sollte sich nicht zum Erfüllungsgehilfen einer gesellschaftlich unverantwortlichen, verfehlten Senderprogrammpolitik machen.

Kommen wir zu Erfreulicherem. Der April ist seit dem März 2024 mal wieder ein Monat mit drei herausragenden, preiswürdigen Serien. Das Beste daran: Es ist kein Krimi dabei und doch entwickeln diese Produktionen – hat man sich erst mal eingesehen – über ihre viereinhalb bzw. sechs Stunden einen enormen Sog. Bei „Die Affäre Cum-Ex“ (ZDF, 13.+14.4.), der als wirtschaftspolitischer Verschwörungsthriller, als tragikomisches Drama und schließlich als wahres Heldinnen-Epos (schön sarkastisch: Lisa Wagner!) bestens funktioniert, ist es vor allem die dramaturgische Kippbewegung und die (Vor-)Freude darauf, dass es den Finanzkapitalisten, die die Staatskasse so lustvoll plünderten, doch noch an den Kragen gehen könnte, die mich um den Schlaf brachte. Auch die beiden anderen Serien habe ich an einem Abend bzw. in einer Nacht am Stück durchgeschaut. Ich wollte es einfach wissen… „Das zweite Attentat“ (ARD, 9.+11.4.) ist ein knallharter Verschwörungsthriller: Vor dem realen Hintergrund des Irakkriegs 2003 erzählt die hochwertig produzierte Serie eine fiktive, spannungsreiche und actionhaltige Agentengeschichte, die auch als emotionales Drama zu überzeugen versteht. International könnte vor allem die Serie „Parallel Me“ (26.4.) für Furore sorgen, nicht zuletzt wegen Paramount+ als Auftraggeber. Eine junge Frau in der Krise, die ihren Weg im Leben noch nicht gefunden hat, stürzt in einem wilden Tonlagenmix wie eine Superheldin durchs Multiversum, auf der Suche nach neuen Möglichkeiten des Glücks. Frisst am Ende die Multioptionsgesellschaft eines ihrer Kinder, weil alle Realitätsvarianten verspielt sind? Ob als Surflehrerin auf Bali oder als Pop-Star in Thailand, ob heterosexuell oder lesbisch, ob als akkurate Anwältin oder durchgeknallte Drogendealerin – die US-amerikanische-japanische Malaya Stern Takeda jedenfalls ist die perfekte Besetzung. Drei extrem unterschiedliche, herausragende Serien: So macht Fernsehen auch noch im Krisenjahr 2025 Spaß.

Foto: WDR / ARD Degeto / Thomas Kost
Eine Ausnahmeserien: Noah Saavedra in „Das zweite Attentat“. Harter Verschwörungsthriller hinter den Kulissen der Weltpolitik

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