Monatsüberblick Januar

(tit.) Der Januar ist seit jeher der Monat, in dem am meisten ferngesehen wird. Damit er auch ein Monat öffentlich-rechtlicher Selbstvergewisserung wird, setzen ARD und ganz besonders das ZDF auch dieses Jahr wieder auf der Deutschen liebstes Genre! Denn nur der Krimi garantiert satte Zuschauermillionen und Marktanteile. Die Stammkundschaft ab 50 Jahren, die sich gern an Bewährtem ergötzt, kann sich freuen auf den 84. „Wilsberg“ im 27. (Lansink-) Jahr oder auf die 98. Episode von „Ein starkes Team“, seit 1994 im Programm. Wer’s etwas frischer mag, dem bietet das ZDF Marie Brand (seit 2008), „Die Toten vom Bodensee“ (seit 2014) und „Nord Nord Mord“ (seit 2011).

Foto: NDR, Degeto / Gordon Timpen
Minusrekord: „Haare? Hartmann!“ aus der ARD-Reihe „Nord bei Nordwest“ ist der einzige Fünf-Sterne-90-Minüter. Der öffentlich-rechtliche Spagat zwischen Qualität, die auch ein etwas jüngeres Publikum im Blick hat, und Quote, die bestimmt wird von einem Stammpublikum, dem Krimi und eigene Gewohnheiten die Welt bedeuten, gelingt vor allem dem ZDF in diesem Monat nicht.

Nichts gegen Fernsehen, das (millionenfach) gesehen wird. Aber aufregend ist das nicht. Ich jedenfalls bin frustriert. Habe gerade viel Zeit, Energie und Geld in die neue Seite gesteckt – und dann das: gefühlt einer der schlechtesten Fiction-Monate seit es tittelbach.tv gibt, also seit 15 Jahren! Glücklicherweise sind ZDF-Gebrauchskrimis nicht gleichzusetzen mit „Tatort“. Das ARD-Flaggschiff hat mit dem neuen „Borowski“ (12.1.) und mit „Das Ende der Nacht“ (26.1.), dem sechsten Fall der Saarbrücker, die sich zunehmend als gemischtes Quartett profilieren, zwei Sonntagskrimis im Programm, die mehr sind als Krimi-business-as-usual. Und zumindest sehenswert sind „Der Stelzenmann“ (1.1.) aus Ludwigshafen, „Restschuld“ (5.1.), nach längerer Zeit mal wieder ein Fall in der Kölner Themenkrimi-Tradition, und „Verblendung“ (19.1.) aus Stuttgart, ein kammerspielhaftes Geiselnahme-Planspiel.

Das ZDF hat nur einen Krimi, der aus dem The-same-procedure-Modus ausschert: „Nix für Angsthasen“ (18.1.), die zwanzigste „München Mord“-Episode, schön absurd, mit skurrilen Charakteren, wie zu besten Zeiten dieser etwas anderen Krimi-Reihe. Das Crime-Highlight im Januar kommt noch eine Spur absurder daher: „Haare? Hartmann!“ (ARD, 9.1.) ist die zweite Episode der neuen „Nord bei Nordwest“-Staffel und der einzige Neunzig-Minüter, der es in diesem Monat auf fünf Sterne bringt. Auch die zwei anderen Episoden, „Fette Ente mit Pilzen“ (2.1.), ein Agenten-Krimi mit Thriller-Momenten, und „Das Nolden-Haus“ (16.1.), ein – am Ende verkappter – Geisterfilm, bedienen den Ritualcharakter der Reihe, ohne die immergleichen Krimischablonen zu bedienen.

Für deutsche Verhältnisse filmisch sehr überzeugend ist der einzige(!) klassische ARD-Mittwochsfernsehfilm im Januar: „Helix“ (8.1.), ein Mix aus Genforschungskrimi, Polit-Thriller und Familiendrama, top besetzt mit Svenja Jung, Marie Bloching („Angemessen Angry“), Mina Tander und Samuel Finzi. Ein weiteres Highlight des Monats ist die ARD-Serie „A Better Place“ (ab 22.1.), eine Social-Fiction, die die Prämisse „ein Strafrechtssystem ohne Gefängnisse“ dank starker Figuren und dramatischer Wendungen überzeugend durchspielt. Eine Serie völlig anderer Art ist „Gerry Star“ (Prime Video, 10.1.) mit dem grandiosen Sascha Nathan, eine Fremdschäm-Comedy um einen Schlagerproduzenten, ein Maulheld Marke Stromberg, „eine absolute Vollpfeife“. Einen Komödien-90-Minüter, der sich sehen lassen kann, gibt es auch: die vierte Episode der ARD-Freitags-Reihe „Anna und Ihr Untermieter“ (24.1.). Das Allerbeste zum Schluss: Höhepunkt des Monats ist die sechsteilige ARD-Serie „The Next Level“ (31.1.) mit Lisa Vicari als leidenschaftliche Reporterin, Jens Harzer und Paula Kober, die mit einer amerikanischen Technoklub-Toten beginnt, sich zum mehrfach gespiegelten Beziehungsdrama entwickelt und gleichsam von der Sehnsuchtsmetropole Berlin erzählt, die gern das neue New York wäre. Höchst passend, dass im Ersten auch die zweite Staffel der herausragenden amerikanischen Journalisten-Krimi-Serie „Tokyo Vice“ (ab 17.1.) gezeigt wird. Das ZDF hat nichts Vergleichbares anzubieten. Die zweite Staffel von „Der Palast“ (ab 6.1.) hat einige starke Tanz- und Revue-Szenen, dafür aber Plot- und Darsteller-Schwächen. Wer jung (geblieben) ist und sich schräg überraschen lassen will, der muss auf eine britische Antihelden-Comedy-Serie zurückgreifen, die es am 14.1. auf ZDFneo und in der ZDF-Mediathek als Binge-Vergnügen zu sehen gibt: „Extraordinary“. Ein Sechs-Sterne-Nachtrag: die Bearbeitung des Theater-Klassikers „Die Ermittlung“ (ab 27.1. in der ARD-Mediathek) von Peter Weiss, nach der Kinoversion nun im Serienformat!  (Text-Stand: 3.1.2025)

Foto: ZDF / Jürgen Olczyk
Einziger Lichtblick im Gebrauchskrimi-Einerlei des ZDF: „München Mord – Nix für Angsthasen“. Das Kellertrio feiert Jubiläum.

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