Die TV-Highlights ab März
01.06.2025
Aus der vermeintlichen sozialsatirischen Zeitgeist-Komödie ist über die Jahre ein Lehrstück über menschliche Dekadenz & zynische Medienmacht geworden. „Kir Royal“ schafft Minaturen der Comédie humaine und die Serie ist nicht deshalb ein Klassiker, weil sie 1986 den Grimme-Preis bekam, sondern weil sie jedem Jahrzehnt eine etwas andere Lesart ermöglicht: eine gesellschaftskritische, eine beziehungsorientierte, eine emanzipatorische, eine fernsehästhetische. tittelbach.tv zeigt, was man über „Kir Royal“ wissen & lesen sollte.
01.06.2025
12:00
Kika
Reihe
Matthias Brandt, Sergej Moya, Alissa Jung. Schönes Paar & quengelnder Kaiser
In seiner Adaption des berühmten Andersen-Märchens „Des Kaisers neue Kleider“ nimmt sich Autor David Ungureit einige Freiheiten, gibt der Geschichte damit einen angenehm heutigen Anstrich, ohne den Geist der Vorlage zu beschädigen. Für Puristen mögen die Dialoge allerdings gerade angesichts des spätmittelalterlichen Ambientes mitunter zu modern klingen. Mehr als ein Kindermärchen, von Matthias Brandt und Regisseur Hannu Salonen in Richtung Parodie getrieben. Laune macht aber auch das sympathische gespielte Liebespaar.
01.06.2025
12:45
SWR
Serie & Mehrteiler
Bielefeldt, Meletzky & die enorm präsente, unwiderstehliche Katharina Wackernagel
„Aenne Burda – Die Wirtschaftswunderfrau“ erzählt vom Aufstieg einer Unternehmerin, die nicht länger nur die Frau an der Seite eines erfolgreichen Mannes sein wollte. Triebkraft ihres Handelns waren neben der Vision von einer modernen Modezeitschrift mit Modellen zum Nachschneiderndem ein Stück weit auch die Verletzungen, die ihr durch den Casanova-Gatten widerfahren sind. Das Drehbuch von Regine Bielefeldt zeigt Aenne Burda als eine Frau, die ihrem Mann auf Augenhöhe begegnen will. Leistung, Pflicht, Verantwortung, das sind die von Männern geprägten Begriffe der Zeit, jener Nachkriegs(wunder)jahre, nicht Emanzipation, Gleichberechtigung oder gar Selbstverwirklichung. Die Jahre zwischen 1949 und 1954 werden chronologisch aufgefächert. Im ersten Teil dominieren der süddeutsche Provinzmuff und der Grauschleier der Nachkriegsjahre; Teil 2 hingegen liefert einem telegenen, höchst sinnlichen Bilderbogen der frühen 50er Jahre. Katharina Wackernagel verleiht dieser Frau eine große physische Präsenz und macht aus Burda das, was sie war: eine Persönlichkeit.
01.06.2025
14:40
One
Fernsehfilm
Moretti, Pütz, Bresgott, Noethen, Uli Stein. Intelligentes Biopic nicht nur für Klassikfans
Ein einzigartiges Talent in einer Zeit des Aufbruchs: „Louis van Beethoven“ (ARD / Eikon Media) würdigt den berühmten Komponisten, der vor 250 Jahren geboren wurde, als musikalischen Erneuerer und Verächter der Feudalherrschaft. Autor und Regisseur Niki Stein konzentriert sich auf die Kinder- und Jugendjahre in Bonn, ergänzt durch eine Episode wenige Monate vor dem Tod des tauben Musikers. Familiäre Existenzkämpfe und unerfüllte Liebe, die Abhängigkeit von höfischer Gunst und das Streben nach Freiheit und Unabhängigkeit: „Louis van Beethoven“ ist alles andere als ein langweiliger Jubiläums-Lehrfilm, bietet auch kein gefälliges „Best of“ seiner größten Hits, sondern erzählt intelligent und zum Teil mitreißend vom Leben des am Ende tauben, frustrierten Musikers. Erstklassige Schauspieler (Moretti, Noethen, Tambrea, Obonya) und Schauspielerinnen (Gastdorf, Bodenbender), ein eindrucksvoller Jung-Pianist (Colin Pütz), prächtige Kostüme und Kulissen und natürlich die Musik (nicht nur von Beethoven) machen diesen Film zu einem echten Weihnachts-Highlight – auch wenn manchen Schauspielern der rheinische Singsang nicht recht gelingen mag.
01.06.2025
20:15
One
Fernsehfilm
Malton, Knaup, Król, Raacke, Käfer, Niki Stein. Wohnzimmer als Leichenschauhaus
Der Tod des Vaters bietet Gelegenheit, die ganze schmutzige Familienwäsche der letzten Jahre in nur wenigen Stunden zu waschen. Vier Geschwister samt Anhang fürchten um ihr Erbe. Vielleicht ist ja schon alles zu spät. Womöglich hat „die ungarische Hure“, die den Lustgreis gepflegt und libidinös verwöhnt hat, sich nicht nur das Ferienhaus unter den Nagel gerissen. „Die Auferstehung“ (SWR / Eikon Media) ist ein tragikomisches Kammerspiel. Auch wenn sich keine Figur analysieren (lassen) möchte – dieser Abend ist eine einzige Familien-Aufstellung, für die „Kinder“ eher destruktiv, für den Betrachter erhellend. Vor allem die Post-68er, die Kinder der Siebziger, dürften sich in den Charakteren & Konflikten wiederfinden. Familiengeschichte ist immer auch Zeitgeschichte und umgekehrt – das macht der Film auf amüsante Weise deutlich. Und der Zuschauer kann selbst sein Urteil fällen.
01.06.2025
21:45
3sat
Fernsehfilm
Tanja Wedhorn, Götz Schubert, Ella Lee, Boenig, Wigand. Die fetten Jahre sind vorbei
Weil die Tochter lieber die Welt retten will, als für die nächste Matheklausur zu pauken, lassen sich die Eltern Nina und Martin (Tanja Wedhorn, Götz Schubert) auf einen folgenschweren Deal ein: Wenn für Lilly zumindest bis zum Abi die Schule wieder an erster Stelle steht, werden sie ab sofort ein nachhaltiges Leben führen. Das ist natürlich leichter gesagt als getan, weil die Tochter ziemlich radikale Vorstellungen hat. Das komische Potenzial des Stoffs liegt auf der Hand. Tomy Wigand hat das erste verfilmte Drehbuch von Jule Boenig angemessen temporeich umgesetzt, gerade Schubert hat viele lustige Szenen und heitere Dialoge. Aber damit wollte sich die Autorin nicht begnügen: Plötzlich schlägt die Handlung eine ganz andere Richtung ein. „Klima retten für Anfänger“ (Degeto / ITV), knallbunt verpackt, macht vor allem auch wegen des Ensembles Spaß; die junge Ella Lee setzt erneut Akzente.
01.06.2025
23:45
SWR
Kinofilm
Robert Gwisdek, Jacob Matschenz, Anna & Dietrich Brüggemann. Bezaubernde Suche
Ein querschnittsgelähmter Zyniker und sein Zivi haben ein gemeinsames Objekt des Begehrens: die Cellistin Annika. Drei junge Menschen begegnen sich, suchen Freiheit – und holen sich etwas Romantik in den gleichförmigen Alltag. „Renn, wenn du kannst“ von Dietrich Brüggemann, der das dialogstarke Drehbuch mit seiner Schwester und Hauptdarstellerin Anna Brüggemann geschrieben hat, ist kein Sozialdrama alter Schule. Dieser kleine Kinofilm ist frisches, junges Kino, physisch realistisch, irreal und poetisch zugleich, auf den Spuren von Truffauts „Jules und Jim“ und dann doch wieder ganz anders!
02.06.2025
01:35
SWR
Serie & Mehrteiler
Bielefeldt, Meletzky & die enorm präsente, unwiderstehliche Katharina Wackernagel
„Aenne Burda – Die Wirtschaftswunderfrau“ erzählt vom Aufstieg einer Unternehmerin, die nicht länger nur die Frau an der Seite eines erfolgreichen Mannes sein wollte. Triebkraft ihres Handelns waren neben der Vision von einer modernen Modezeitschrift mit Modellen zum Nachschneiderndem ein Stück weit auch die Verletzungen, die ihr durch den Casanova-Gatten widerfahren sind. Das Drehbuch von Regine Bielefeldt zeigt Aenne Burda als eine Frau, die ihrem Mann auf Augenhöhe begegnen will. Leistung, Pflicht, Verantwortung, das sind die von Männern geprägten Begriffe der Zeit, jener Nachkriegs(wunder)jahre, nicht Emanzipation, Gleichberechtigung oder gar Selbstverwirklichung. Die Jahre zwischen 1949 und 1954 werden chronologisch aufgefächert. Im ersten Teil dominieren der süddeutsche Provinzmuff und der Grauschleier der Nachkriegsjahre; Teil 2 hingegen liefert einem telegenen, höchst sinnlichen Bilderbogen der frühen 50er Jahre. Katharina Wackernagel verleiht dieser Frau eine große physische Präsenz und macht aus Burda das, was sie war: eine Persönlichkeit.
02.06.2025
12:30
MDR
Fernsehfilm
Kalenberg, Panzner, Korneev, Beatrice Meier, Nana Neul. Monogam auf Lebenszeit?
Treueschwüre und Hochzeitsmythos sind lebendiger denn je. Schön, dass „Eine Sommerliebe zu dritt“ die ewige Illusion von der romantischen Liebe nicht mitmacht und amourös-erotische Alternativen zur Zweisamkeit ins Spiel bringt. Schön auch, dass Autorin Beatrice Meier und Regisseurin Nana Neul die Zuschauer nicht bekehren wollen. Alle haben selbst die Wahl: die Charaktere, wie sie leben und lieben wollen, und die Zuschauer, was sie alles in diesem Film sehen wollen. Es ließe sich einiges entdecken: ein ideal gecastetes & aufeinander eingespieltes Trio, die beiläufigen Zeichen, die Blicke und Bilder, die mehr erzählen als jede Dramaturgie. Dieser Film erklärt wenig, zeigt viel und will den Zuschauer in Versuchung führen.
02.06.2025
20:15
ZDF
Fernsehfilm
Meret Becker, Landau, Lukas, Bading, Deppert, Nana Neul. Großmutter wird wieder Mensch
Mittfünfzigerin Anne (Meret Becker) lebt einsam auf einem brandenburgischen Bauernhof, als eines Tages ihre achtjährige Enkelin (Luise Landau) vor der Tür steht, weil ihre Mutter, Annes Tochter, im Gefängnis sitzt. Rasch ist das Leben der eigenbrötlerischen Frau völlig auf den Kopf gestellt. Zunächst aber ist da die Ankündigung „Familie is nich!“ (ZDF, Arte / Lieblingsfilm), mit der Anne ihre Enkelin gleich mal einzunorden versucht. Der Film ist denn auch weniger ein Familiendrama als das Porträt einer Frau, die sich verändert, von der Vergangenheit löst und sich für andere öffnet, wunderbar verkörpert von Meret Becker. Fazit: eine „kleine“ und unsentimentale Geschichte über drei Generationen eigenwilliger, unkonventioneller, temperamentvoller Frauen. Mit leichten dramaturgischen Holperern.
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