Lässt sich Doro (Ulrike Kriener) schon wieder von ihrem unverbesserlichen Volker (Henry Hübchen) einwickeln? Beide leben seit sieben Jahren getrennt – er in einer schicken Penthouse-Wohnung, sie in jenem äußerst liebevoll eingerichteten Haus, in dem beide mit ihren mittlerweile erwachsenen Kindern, Tochter Katinka (Brigitte Zeh) und Sohn Paul (Marius Borghoff), gemeinsam gute Jahre hatten – bis sich Volker aus der Ehe verabschiedete. Ausgerechnet jetzt, wo der pensionierte Zahnarzt nach einem Unfall vorübergehend zum Pflegefall geworden ist, befindet sich der Trennungsgrund, Regina, auf Reisen. Also muss mal wieder die gute Doro nachgeben und den egozentrischen Ex-Gatten bei sich aufnehmen. Der hat zwar ein Bein und einen Arm in Gips, fühlt sich aber trotzdem bald wieder richtig wohl in der vertrauten Umgebung, ja, sogar das Ehebett trotzt der Ärmste „seiner“ Doro ab. Die ist hin und her gerissen – zwischen wiedererwachtem Verantwortungsbewusstsein und ihrer großen Zuneigung zu ihrem neuen Freund Moritz (Marcel Hensema). Ihr ist es ernst mit diesem Mann, der so liebeswert anders ist als Schwerenöter Volker. In wenigen Tagen haben die beiden Flora-Liebhaber eine Reise nach Südengland geplant. Fragt sich, ob es dazu kommt. Volker jedenfalls will sich auf gar keinen Fall in ein Pflegeheim abschieben lassen.
Foto: ZDF / Georges Pauly
Das Muster dieser ungleichen Dreiecksgeschichte kennen die meisten – aus dem Leben und aus vielen Filmen. Erzählen lässt sich diese Geschichte medial als Komödie, als Dramedy und natürlich auch als ernsthaftes Drama. Für den Fernsehfilm „Wir bleiben Freunde“ hat Drehbuchautorin Gabriele Kreis („Die Zeit mit Euch“) einen soliden Mittelweg gewählt, der moderat komisch und hinreichend unterhaltsam ist, der vor allem aber die lebensweltliche Situation der Protagonisten ernst nimmt. Der Film, den Hansjörg Thurn in der Tonlage kongenial inszeniert hat, verzichtet also auf die knallige Witzebene einer sogenannten Remarriage Comedy oder „Weibsbilder“-Komödie à la Hollywood: Weder wird der Mann hundertprozentig zum raffinierten Verführer, noch kostet die Frau köstlich süß ihre Rache aus. Besitzt ein solcher Mittelweg vielleicht auch nicht den allergrößten Unterhaltungswert, so zielt er doch auf ein umso höheres Maß an Realitätsnähe ab, ohne dabei in diesem Fall zum fiktionalen Ratgeber-TV zu verkommen. Würde die Geschichte in einen typischen „Inga-Lindström“- oder Pilcher-Plot gegossen werden, würden andere dramaturgische Muster die Handlung bestimmen. Auf derlei billige Automatismen lassen sich Kreis und Thurn nicht ein.
Apropos Muster: Wichtiger als dramaturgische Muster sind in „Wir bleiben Freunde“ die (oftmals unguten) Muster, die sich in einer langjährigen Beziehung herausgebildet haben. Und so ist unschwer zu erkennen, wie in der weiblichen Hauptfigur der Konflikt arbeitet zwischen Pflicht und Neigung oder – zeitgemäßer ausgedrückt – zwischen dem verinnerlichten Rollenbild, das die Gesellschaft ihr als Frau zuweist, und ihren individuellen Bedürfnissen. In welchem Genre der Film erzählt ist, erweist sich letztendlich als Mittel zum Zweck. Viel grundlegender ist die Perspektive und vor allem – denn auch Pilcher & Co sind aus weiblicher Sicht erzählt – die zeitgemäße Psychologie. Doro kann einfach nicht nein sagen, trotz verletzter Gefühle spürt sie sofort eine gewisse Verantwortlichkeit und sie will es allen recht machen. „Ich will keinen Stress“, sagt sie selbst. Und Volker? Der spielt ein Spiel und zieht immer wieder die Nostalgiekarte. Schwer zu sagen, ob alles nur Berechnung ist oder ob seine Liebesbekenntnisse auf der Zielgeraden doch mehr als bloße Lippenbekenntnisse sind. Das geht Doro wohl ähnlich. „Kommt mir wie gestern vor“, gerät er über die Erinnerungen an alte Zeiten ins Schwärmen. „Mir wie ein anderes Leben“, entgegnet sie ihm, eher sachlich als sarkastisch. Gleichzeitig aber fragt sie sich schon, beispielsweise im Gespräch mit ihrer Freundin (Johanna Gastdorf), ob Volker und sie sich nicht vielleicht doch zu früh getrennt haben. Lachen jedenfalls können sie nach wie vor gut miteinander. Dennoch dürfte wohl auch der Zuschauer, egal welchen Geschlechts, der alten Liebe keine allzu große Chance geben.
Das liegt auch maßgeblich am Spiel von Ulrike Kriener, die bei allen Zweifeln, die an Doro nagen, ihre Figur doch recht souverän über die Zeit bringt. „Eigentlich ganz schön, deinen Vater mal so richtig am Boden zu sehen“, redet sie sich die Situation erträglich. Und sie sieht’s pragmatisch: „Ich nehme ihn einfach wie er ist – und das für fünf Tage.“ Auch wenn es dann ein paar Tage mehr werden, ist sie kein unverbesserliches Dummchen, das die Emanzipation mit Füßen tritt. Henry Hübchen ist zwar als Manipulator überzeugender als in der Rolle des geläuterten Liebenden, aber durch sein Handicap hält sich seine Souveränität in Grenzen. Sodass sich selbst das männliche Geschlecht wohl eher auf die Seite der Frau im Haus schlagen dürfte; daran kann selbst Frauenschwarm Henry Hübchen wenig ändern. Zu Beginn wird ein bisschen gescherzt über den „liebenswerten, charmanten Familienmacho“ (Hübchen), der zum Pflegefall geworden ist. Immer mal wieder fällt er auf die Nase, schafft es nicht auf die Toilette (stolz wie ein Kleinkind: „Ich hab‘ mich nicht eingenässt“) und auch sein Spruch „Danke, ich bin Sportler“, mit dem er Hilfe ablehnt, macht ihn anfangs eher lächerlich. Seinen Sarkasmus aber hat er nicht verloren. Auf die „Sportler“-Replik von Doros Lover „Ich auch: Rudern – und Sie?“, kontert er: „Alles andere“, und er freut sich riesig über seinen Treffer.
Foto: ZDF / Georges Pauly
Dieser Dritte im Beziehungsbunde, Moritz, hält sich ansonsten auffallend zurück. Das hat dramaturgische Gründe. Autorin Kreis hätte mit einem dringlicheren neuen Partner an Doros Seite den Konflikt wohl kaum so lange – sprich: neunzig Minuten – in der Schwebe halten können. Ein bisschen abwarten, ein bisschen sauer sein, ein bisschen Versöhnung. Auch Marcel Hensema („Und wer nimmt den Hund?“) ist eine stimmige Besetzung für den Friedhofsgärtner, vor allem dann, wenn er Moritz‘ freundlich-sympathische Seite, das, was die Heldin an ihm liebt, zeigen darf (als Trauerkloß wirkt er indes etwas eindimensional). Der Beruf ist im Übrigen gut gewählt: Der Weg zum Grab der Frau ist nicht so weit, man kann der Figur eine gewisse Nachdenklichkeit ins Buch schreiben, ihre Zurückhaltung wirkt motiviert, und der Beruf gibt Volker die Möglichkeit zu lästern: „Ach, da ist er sicher ‘ne richtige Frohnatur.“ Gelegentlich versteht sich allerdings auch Moritz auf Ironie. „Kämpf um sie“, rät ihm eine Vertraute. Darauf er: „Genau, ich heb schon mal ein Grab für ihn aus.“