Sonntagsvierer

Wildbolz, Halmer, Rauhaus und eine Uraltlavendel-Schauspielkultur mit Alpenblick

Foto: Degeto / Lukas Unseld
Foto Rainer Tittelbach

Aus einem Golfwochenende von vier Freunden, die sich nach langer Zeit wiedergefunden haben, wird eine Nabelschau: vertane Chancen, Krankheit, Entfremdung. Die erwachsene Themenpalette ändert wenig daran, dass sich Autor Martin Rauhaus mit seinen Sottisen und Zitaten verzettelt und der Film dramaturgisch nie in Schwung kommt. Größtes Manko aber ist jene komödiantische, überbetonte Boulevard-Spielart der Schauspieler, deren Schweizer Klangfarbe der Sargnagel dieses betulichen Degeto-Dramoletts vor Alpenpanorama ist.

Ein Altherrenquartett hat schon bessere Zeiten gesehen. Ebenso die Freundschaft von Emil, Bruno, Fritz und Dieter. Der Streit um eine Frau hat Emil und Bruno einst entzweit und den „Sonntagsvierer“ sterben lassen. Nun, wo nicht mehr viel Zeit bleibt zur Versöhnung, treffen sich die vier noch einmal zu einem Golfwochenende in den Schweizer Alpen. Es wird kein leichter Gang, vor allem für Emil, der einst Bruno die Frau ausgespannt hat. Nach einigen glücklichen Jahren haben er und seine Ingrid sich zunehmend voneinander entfernt. Bruno dagegen schaffte es nie, sich längerfristig zu binden. Aber neben dieser „alten Geschichte“ gibt es eine neue, nicht weniger tragische: bei Emil ist eine tückische Abart von Parkinson diagnostiziert worden. Sein Plan: Er will Gift nehmen und bittet die Freunde, den Tod so aussehen zu lassen, als ob ihn beim Golfen ein Herzinfarkt ereilt habe. Emil will seine Frau, die weder etwas von seiner Krankheit noch von seinen Selbstmordabsichten weiß, gut versorgt wissen. Weil sie glaubt, ihr Emil habe eine Affäre, taucht auch sie bald im Golfhotel auf. So clam und heimlich wird sich Emil wohl doch nicht aus dem Leben schleichen können.

„Sonntagsvierer“ ist ein Film, bei dem man hin und her gerissen ist. Anfangs nerven die Verschrobenheiten der alten Herren, die grenzdebilen Aufschneidereien, die aufgesetzten Animositäten. Man fragt sich auch: wo will dieser Film überhaupt hin? Sollen wir jetzt 70 Minuten in alten Rollenmustern verharrenden Rentnern bei der Selbstfindung, Freundschafts-Animation oder – schlimmer noch – beim Golfen zuschauen? Mit dem Krankheitsbekenntnis weiß man, wo’s lang geht. Diese Szene gerät denn auch nach all dem anfänglichen Larifari mit Alpenblick überaus eindringlich. Anstatt gleich in die Geschichte, in den Konflikt zu gehen, dorthin, wo es wehtut, eiert Autor Martin Rauhaus sich durch eine unerträglich lange Exposition. Eine deutsche Drehbuch-Unart, die allein den Applaus der Senioren ernten dürfte.

Das fehlende Tempo der Geschichte durch schnittige Golf-Sequenzen auszugleichen, ist ein Versuch, etwas Fahrt aufzunehmen. Das Grundproblem bleibt aber: Rauhaus verzettelt sich im Kleinklein, im Geplänkel, in den Sottisen, in aufgesetzten Zitaten von „Casablanca“ bis Wittgenstein. Das mag gelegentlich ein Schmunzeln auf die Wangen des geneigten Zuschauers zaubern, damit schafft man aber keine „Handlungsgrundlage“. Mit Rauhaus’ Stärke, komischen und zugleich charakter(ab)bildenden Wortgefechten, kommt man außerdem bei diesem Personal und mit dieser Besetzung nur bedingt weiter. Und da ist dann das Nächste, was an diesem Film nervt: es ist jene Uraltlavendel-Schauspielkultur der Überbetonung, jenes komödiantische Overacting, das heute allenfalls noch auf die Boulevardbühne passt. Das alles ist nicht zu verwechseln mit jenem Hang älterer Herren, die Dinge gerne zu dramatisieren, worauf der Autor, lebens- und komödienerfahren wie er ist, deutlich rekurriert. Die Schweizer Klangfarbe, selbst ins Hochdeutsche gewendet, trägt das Übrige dazu bei, dass der Kritiker mit diesem „Sonntagsvierer“ (Ausnahme: Halmer) so gar nicht warm wird, obgleich gegen die Botschaften dieses Unterhaltungsfilms, was das Leben und die Liebe, was Freundschaft, Krankheit und den Umgang miteinander angeht, nichts einzuwenden ist.

SonntagsviererFoto: Degeto / Lukas Unseld
Immer Ärger mit Emil. Alles soll wie ein Herzinfarkt auf dem Golfplatz aussehen. Wildbolz, Leiser, Halmer, Hess: „Sonntagsvierer“

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Fernsehfilm

ARD Degeto

Mit Klaus Wildbolz, Herbert Leiser, Günther Maria Halmer, Walter Hess, Heidi Maria Glössner, Beatrice Keller, Melanie Winiger

Kamera: Filip Zumbrunn

Schnitt: Benjamin Fueter

Musik: Fabian Sturzenegger

Produktionsfirma: die film gmbh

Produktion: Uli Aselmann

Drehbuch: Martin Rauhaus

Regie: Sabine Boss

Quote: 3,41 Mio. Zuschauer (11,3% MA)

EA: 23.06.2011 20:15 Uhr | ARD

Spenden über:

IBAN: DE59 3804 0007 0129 9403 00
BIC: COBADEFFXXX

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