In der Titeltradition von Filmen wie „Buschpiloten küsst man nicht“, „Nette Nachbarn küsst man nicht“ oder „Undercover küsst man nicht“ hätte Sat 1 diese Komödie konsequenterweise „Rockstars küsst man nicht“ nennen müssen. Weil es aber bereits einen Roman dieses Namens gibt, ist es also „Rockstars zähmt man nicht“ geworden. Das klingt zwar auch nicht besser, doch davon sollte man sich ebenso wenig abschrecken lassen wie von den Parallelen zur Hugh-Grant-Romanze „Mitten ins Herz – Ein Song für dich“. Katharina Eyssen, die bislang die Drehbücher für so unterschiedliche Kinofilme wie die Körpertausch-Komödie „Seitenwechsel“ und das tragikomische Krebsdrama „Heute bin ich blond“ geschrieben hat, erzählt die Geschichte ganz anders: John Winter (Tom Beck) gilt als erfolgreichster deutscher Musiker, sein Hit „Helden der Nacht“ hat alle Rekorde gebrochen, und bislang hat er das Popstarklischee von Sex & Drugs & Rock’n’Roll in vollen Zügen genossen. Aber nun hat John eine feste Freundin, und alles ist anders. Als er mit Ella (Susan Hoecke) aus einem indischen Ashram zurückkehrt, liegt der Rock’n’Roll hinter ihm; der neue Song, auf den sein Manager Grobsch (Dirk Borchardt) händeringend wartet, klingt wie „Eso-Durchfall“, findet Grobschs Assistentin Lou (Cristina do Rego). Seine besten Lieder hat John geschrieben, wenn er Liebeskummer hatte, also soll Lou dafür sorgen, dass er unglücklich wird.
Tom Beck ist die Rolle wie auf den Leib geschrieben. Der „Einstein“-Star hat eine Musical-Ausbildung absolviert und diverse Alben veröffentlicht; auf dem letzten singt er deutsch. Dank Johns Ashram-Erleuchtung spielt Beck, in seinen Rollen sonst stets ein Valium-Kandidat, diesmal ganz ungewohnt mit angezogener Handbremse, deutet aber immer wieder an, dass die Überholspur nach wie vor in diesem Sänger steckt; das macht Beck richtig gut. Star des Films ist trotzdem Cristina do Rego. Seit zehn Jahren setzt die gebürtige Brasilianerin, mittlerweile Anfang dreißig, regelmäßig Glanzpunkte in Nebenrollen (etwa als Serientochter von Matthias Matschke in „Pastewka“), und oft genug strahlt sie dabei derart hell, dass sie die jeweiligen Hauptdarsteller fast in den Schatten stellt; ohne sie wären zum Beispiel die „Schnitzel“-Filme mit Armin Rohde und Ludger Pistor um eine große Attraktion ärmer.
Soundtrack: Tom Beck („Helden der Nacht“), American Authors („Best Day Of My Life“), Saint Lu Feat. Henning Wehland (“Rockstar Car”), Hinder (“Lips Of An Angel”, “Born To Be Wild”), Ed Sheeran (“All Of The Stars”), Guns n’ Roses (“Welcome To The Jungle”), James Bay (“Let It Go”), Kiesza (“What Is Love”), Alex Hepburn (“Broken Record”), OneRepublic (“Good Life”)
Auch in „Rockstars zähmt man nicht“ hat die seit 1993 in Deutschland lebende do Rego, Tochter einer Deutschen und eines brasilianischen Schauspielers, die besten Szenen, zumal sie im Unterschied zu vielen übereifrigen Kolleginnen ihres Alters nicht viel Aufwand braucht, um komödiantische Effekte zu erzielen. Allerdings hat Eyssen, selbst jahrelang Schauspielerin, ihr auch eine tolle Rolle geschrieben: Lou ist eine talentierte Musikerin, beschränkt sich jedoch seit einem traumatisierenden Bühnenerlebnis während der Schulzeit darauf, anderen dabei zu helfen, gute Musik zu machen; als Muse für John ist sie daher perfekt, zumal es ihr gelingt, Ella als berechnendes Weibsbild zu entlarven. Doch je hingebungsvoller sie über John schimpft (musikalisch hält sie ihn für überschätzt, menschlich für einen eingebildeten Fatzke), umso klarer wird ihrer Freundin Mia (Sina Tkotsch), dass sie in den Sänger verliebt ist. Tatsächlich entdecken John und sie in der Hütte, in die sich der Star nach der öffentlichkeitswirksamen Trennung von Ella zurückgezogen hat, nicht nur künstlerische Übereinstimmungen. Allerdings endet die traute Zweisamkeit jäh, als John herausfindet, dass Lous Zuneigung offenbar Teil eines Plans seines Managers ist.
Die Kernidee mag nicht originell klingen, zumal sie dem gewohnten Muster romantischer Komödien folgt, aber was sich Eyssen über die amüsanten Dialoge hinaus alles hat einfallen lassen, um Lou und John das Leben schwer zu machen, besitzt großen Unterhaltungswert, zumal Regisseur Kai Meyer-Ricks das Drehbuch angemessen temporeich umgesetzt hat. Während Sat-1-Komödien sonst oft eher preiswert aussehen, hat Kameramann Sönke Hansen für viele aufwändig wirkende Bilder gesorgt; auf diese Weise bekommt Eyssens mitunter fast schon übermütiger Ideenreichtum eine angemessene Verpackung. Ganz selten nur schießt Meyer-Ricks’ Inszenierung übers Ziel hinaus. Die meisten Szenen sind auf sympathische Weise übertrieben, und dank Lous diverser Spitzen gegen John und seinen Eso-Trip trägt der Film sogar satirische Züge. Für die gelungene Gratwanderung steht nicht zuletzt Dirk Borchardts Verkörperung des Managers. Grobsch ist zwar ein exaltierter Typ, der zu großen Gesten neigt, aber Borchardt versieht den Mann gleichzeitig mit einer aufgesetzten Großspurigkeit, hinter der sich ein anständiger Kerl verbirgt. Für den einzigen Missklang dieser kurzweiligen Komödie, die Matthias Schweighöfer mit seiner Firma Pantaleon Films hergestellt hat, sorgt ausgerechnet die Mutter des Produzenten: Aus unerfindlichen Gründen muss Gitta Schweighöfer Lous Mutter mit einem grotesken Pseudo-Schwäbisch versehen. Zum Ausgleich gibt es gegen Ende einen kleinen Cast-Knüller: John hat sich einst nach dem Tod der Mutter mit seinem Vater zerstritten; rechtzeitig zum gelungenen Comeback versöhnen sich die beiden, was Ilja Richter einige schöne Szenen beschert. Und auch wenn Beck die beiden Winter-Songs, den Hit „Helden der Nacht“ und das Abschlussliebeslied „Alles was ich hab“, im Stil typischer Giesinger/Forster/Bendzko-Musik komponiert hat: Gerade „Helden der Nacht“ hat Ohrwurmpotenzial und wird auch veröffentlicht. (Text-Stand: 28.7.2017)