Es steht zwar „Katie Fforde“ drauf, aber es ist Pilcher drin: „Ein Haus am Meer“ erzählt eine typische Cornwall-Geschichte, die zufällig an der Küste Neuenglands spielt; gefällige Musik, entsprechend schöne Bilder von Wasser und Himmel und Cabrio inklusive. Die verwitwete Anwältin Anne Clark (Ulrike Folkerts) ist kürzlich sechzig geworden und muss nun ihren Abschied nehmen; so sehen es die Regeln der Kanzlei, bei der sie angestellt ist, vor. Für ihren Ruhestand hat sie sich ein Strandhaus gekauft. Der Alterssitz ist traumhaft gelegen, aber renovierungsbedürftig, und das ist ein Problem, denn Anne bekommt angesichts ihrer kärglichen Rente keinen Kredit. Das ist zwar angesichts der horrenden amerikanischen Anwaltshonorare kaum zu glauben, aber auch nicht das zentrale Thema der Handlung. Die kommt erst richtig in Fahrt, als Tochter Holly (Romina Küper) übers Wochenende vorbeischaut und ihren neuen Freund mitbringt. Anne ist gleich dreifach konsterniert: Joe (Götz Schubert) ist nicht nur in ihrem Alter, er war vor vierzig Jahren auch ihre erste große Liebe. Noch tiefer trifft sie allerdings die Tatsache, dass er sie nicht wiedererkennt.
Die Geschichte funktioniert nach dem Muster eines typischen Talkshowthemas aus den 90er Jahren: „Hilfe, ich liebe den Freund meiner Tochter!“, aber „Katie Fforde“-Autor Jörg Tensing zeigt, dass sich aus dem Story-Stereotyp dank witziger Dialoge und hübscher Handlungs-Wendungen Einiges rausholen lässt. Regisseur Helmut Metzger war für das „Herzkino“ im ZDF bereits rund ein Dutzend Mal in New England und hat schon einige Tensing-Bücher verfilmt, die meist einen ernsten Hintergrund hatten; „Martha tanzt“ (2014) zum Beispiel war eine Mischung aus Liebesgeschichte und Mobbing-Drama, in „Hexensommer“ (2016) sieht sich eine dunkelhäutige Pfarrerin mit der unverhohlenen Feindseligkeit eines fundamentalistischen Amtskollegen konfrontiert. Im Vergleich dazu wirkt „Ein Haus am Meer“ wie eine unbeschwerte Komödie, aber auch hier gibt es ein Subthema, das zudem gerade den Zuschauern im Alter der Hauptfigur aus der Seele sprechen wird: Anne ist ausgezeichnet in ihrem Job, wird aber trotzdem vor die Tür gesetzt; genauso wie ihr Nachbar Mike Birnbaum (Hartmut Volle), ein Schiffsingenieur, den all’ seine Erfahrung und viele Dienstjahre für stets den selben Arbeitgeber ebenfalls nicht vor dem Rauswurf bewahrt haben.
Foto: ZDF / Rick Friedman
Im Vordergrund steht jedoch selbstverständlich die Dreiecksbeziehung, aus der schließlich ein Viereck wird, damit am Ende niemand allein schlafen muss. Dass Joe irgendwann dämmert, um wen es sich bei der Mutter seiner Freundin handelt, ist ebenso wenig überraschend wie die Tatsache, dass die Jugendliebe neu entfacht wird. Sehenswert ist der Film trotzdem: weil Götz Schubert und Ulrike Folkerts mit viel Spielfreude in ihren Figuren aufgehen, zumal Tensing ihnen wunderbar bissige Dialoge geschrieben hat. Vielleicht ist es zuviel hineininterpretiert, aber Folkerts scheint den Ausflug an die amerikanische Ostküste besonders zu genießen. Die Schauspielerin, die erst im nächsten Jahr sechzig wird, bekommt nur selten Gelegenheit, aus dem Korsett ihrer „Tatort“-Rolle auszubrechen, und es wirkt wie Ironie des Schicksals, dass dies nun schon zum wiederholten Mal auf dem Komplementärsendeplatz des ZDF zum Sonntagskrimi im „Ersten“ geschieht (zuletzt im Pilcher-Film „Schwiegertochter gesucht“).
Metzger hat die Geschichte zudem mit dem nötigen Schwung umgesetzt; besonders flott ist eine Szene, in der Joe, Anne und das Ehepaar Birnbaum bei einer Beach-Party eine eindrucksvolle Version des berühmten Travolta-Tanzes aus „Saturday Night Fever“ aufs Parkett legen. Dies ist der Moment, in dem es auch bei Surf-Legende Joe (Anne: „Alt genug für eine Legende ist er ja“) klick macht. Natürlich wird Holly die beiden im Bett erwischen, und selbstredend kommt es zu weiteren Verwicklungen. Weil das alles jedoch viel Spaß macht, stört auch eine Ungereimtheit nicht weiter: Aus unerfindlichen Gründen erzählt Holly ihrem Freund, Annes früherer Kanzleikollege Leonard (Stephan Szasz) habe ein Auge auf ihre Mutter geworfen; dabei will der Mann bloß einen juristischen Rat bei einem Fall. Die Behauptung dient einzig und allein dem dramaturgischen Zweck, Joes Eifersucht zu wecken, damit die Männer einen Kindergartenstreit beginnen können; der ist immerhin witzig genug, um den Vorwand rasch in Vergessenheit geraten zu lassen. Sehr sympathisch ist auch das Vorschlussbild mit den beiden jeweils für Demokraten und Republikaner reservierten Bahnhofsbänken, die das Team bei den Dreharbeiten entdeckt und umgehend genutzt hat; Joes Bankwahl ist ein für diesen Sendeplatz ungewöhnlich konkretes politisches Statement.