„Freie Fahrt für freie Bürger“, ein Uralt-Slogan, der seit Jahrzehnten gilt im autoverrückten Deutschland. Noch immer treibt es friedliebenden Bürgern trotz tausender Autobahntoten die Zornesröte ins Gesicht, wenn es um das Thema Tempolimit geht. Am vermeintlich letzten Stück Freiheit und am Mythos Automobilindustrie als einzigem Garanten für deutsche Wirtschaftsmacht und Arbeitsplatzerhalt will keiner rütteln. Den Produzenten Christian Granderath trieb das Thema um – seit er Thomas Schadts Dokumentarfilm „Der Autobahnkrieg“ gesehen hatte. Die Initialzündung für „Erlkönig“ waren Jahre Leserbriefe in der „Zeit“. Granderath: „Die Verfasser empörten sich nach dem durch einen ‚Drängler’ verursachten Tod einer jungen Frau und ihres Kindes darüber, dass diese an ihrem Tod doch selbst schuld sei – weil sie auf der Autobahn zu langsam auf der Überholspur gefahren war.“
Ein solches Szenario ist nun auch der Ausgangspunkt für einen spannenden Fernsehfilm, der nicht verzichtet auf einige Seitenhiebe in Richtung Automobilindustrie. Stefan Dähnert („Tatort: Tod eines Häckslers“) erzählt von einer Versicherungsmathematikerin, die einer jungen, labilen Frau, die auf der vermeintlich leeren nächtlichen Autobahn tödlich verunglückt, Selbstmordabsicht nachweist. Ihr kleiner Sohn hat überlebt und liegt im Koma. Die Lebensversicherung wird nicht ausgezahlt. Die Versicherung legt den Fall zu den Akten. Doch Dähnert hat die Unfälle auf Autobahnen, die durch rasende Testfahrer ausgelöst werden, recherchiert, hat sich mit den geheimen Prototypen neuer Automodelle, den so genannten „Erlkönigen“ beschäftigt und er weiß auch um die David-gegen-Goliath-Wirkung einer Erin Brokovich. „Um in dieser Männerwelt die richtigen, einfachen Fragen stellen zu können, war eine Frau die erste Wahl“, betont Dähnert. „Ich wollte eine Heldin, die allein durch Fragen und brutales Bestehen auf der Wahrheit, der Menschlichkeit zum späten Sieg verhilft.“
Foto: ZDF / von Vietinghoff
Silke Bodenbender spielt jene aufrechte, teilweise übereifrige Nachfragerin, die einem fiktiven Automobilkonzern beziehungsweise dessen mit 311 km/h über die Autobahn bretternden und den Unfall verursachenden Testfahrer den Prozess machen will. „Auch wenn es in dieser Geschichte um Autos geht, birgt der Film für mich einen frauenaffinen und politischen Stoff“, sagt Bodenbender. Ihre sympathische Ausstrahlung und die Regie des starken Emotionen nicht abgeneigten Urs Egger lassen allerdings rasch erkennen, auf welchen Schleichwegen sich die Heldin zum Happy End bewegen wird. Mit allen verscherzt sie es sich, sogar mit ihrem Ehemann und ihrem väterlichen Chef. Zwischenzeitlich.
Eine, die so viel Ausdauer und Zivilcourage hat und so nett aussieht, muss es einfach schaffen: als Mutter, als Mitarbeiterin, als sozial verantwortlicher Mensch. Dramaturgisch lässt sich also durchaus herumkritteln an diesem gut besetzten „Gesprächsstofffilm“. Beim Gucken jedoch kann man sich ihm kaum entziehen. Bodenbender als schwangere Versicherungsmathematikerin wird selbst bei einigen Autobahnrasern Punkte sammeln. Keine Punkte in Flensburg, die (und mehr) kriegen die stiernackigen „Freiheitskämpfer“ verpasst. (Text-Stand: 19.11.2007)