„Hat man denn jemals schon von einer Elefantenmutter verlangt, eine Gazelle zu werden?!“ fragt sich die Provinz-Postbotin Margret in dem deutsch-französischen Melodram „Eine Frau nach Maß“. Marianne Sägebrecht, die ehemalige Mnchner Kleinkunst-Matadorin, die Percy Adlon mit „Zuckerbaby“ und „Out of Rosenheim“ zu internationalem Ruhm führte, spielt jene in sich selbst ruhende Mittvierzigerin, die kurzzeitig aus ihrem Paradies vertrieben wird.
Morgens ein Pralinchen, ein Schäferstündchen mit ihrem Märchenprinzen – und der Tag wird wunderbar. Warum also sollte Margret etwas an ihrem Leben verändern? Weil sie 102 Kg wiegt bei nur 1,68 Meter Körpergröße befindet die französische Bürokratie. Also wird ihr eine Abmagerungskur verschrieben. Algen in allen Variationen von morgens bis spät. Doch fern von ihrem Geliebten Arthur verfällt die Frau, die alles andere als eine schlanke „Standardfrau“ werden möchte, in Traurigkeit. Ihr kleines Paradies stürzt vollends ein, als sie erkennen muss, dass Arthur sie mit einer Jüngeren und Dünneren betrügt. Die Frau mit der schönen Stimme besinnt sich nicht lange und heuert kurzentschlossen bei einer Tournee-Bühne an.
Es kommt, wie es kommen muss in dieser leisen Emanzipationsgeschichte, die in jedem von Detlef Rönfeldt sensibel inszenierten Moment vor allem eine anrührende Liebesgeschichte ist. Das Glück als Frieden mit sich und der Welt, die Ästhetik der Demut, innere Größe statt die grellen Äußerlichkeiten einer auf Jugendlichkeit und Körperkult getrimmten Kultur – all diese Werte vermittelt die Koproduktion zwischen MDR & France 3, die mit Marie-France Pisier, Michael Gwisdek und Jaecki Schwarz auch in den Nebenrollen glänzend besetzt ist.
Die Idee zu „Eine Frau nach Maß“ hatte die Sägebrecht selbst. Sie wollte dem aktuellen Lebensstil etwas entgegensetzen. Für sie gebe es „keine Vorurteile gegen Rassen, Klassen, menschliche Körperformen und Altersgruppen“. Umso skeptischer beäugt sie „die Diktatur der vorgenormten Form“, diesen allgegenwärtigen „Schönheits- und Jugendlichkeitswahn gegen die runde Apartheit und gegen die Weisheit des Alters“. Und sie spielt ihre Rolle mit großer Überzeugung, im wahrsten Sinne des Wortes: mit Leib und Seele. (Text-Stand: 1998)