Die Ohrfeige

Mavie Hörbiger, Herbert Knaup, Julia Stemberger: Feuerwerk der Erleuchtung

Foto: BR / ORF
Foto Rainer Tittelbach

Alles beginnt mit einer Ohrfeige. In Windeseile folgen ein Autocrash, eine Strafpredigt, Schnöseligkeiten, Pampigkeiten und ein Haufen Verwechslungen. “Die Idee war, eine Ereigniskette zu entwickeln, in die nach und nach alle Hauptfiguren verstrickt werden”, so Regisseur Fabrick. Lachhafte Zufälle, komisches Schicksal, ungewöhnlicher Film.

Eine Ohrfeige trifft das Gesicht eines Gatten. Der steht beim morgendlichen Tennismatch neben sich, verschmettert einen Ball dermaßen, dass dieser einen Autocrash verursacht. Der Leidtragende, ein Lehrer von der traurigen Gestalt, bereitet wenig später einem Schüler sein Waterloo. Der schnöselt eine Kellnerin an, die einem unzufriedenen Gast daraufhin die Meinung geigt, worauf der Chef ihr mit Kündigung droht. Der eigentlich recht sympathische Gast, ein Musiker in finanziellem Engpass, kritzelt einige Noten auf eine Serviette und lässt sie liegen. Die Bedienung schreibt einer flüchtigen Bekannten auf die Rückseite der Serviette eine Nachricht. Die Nachricht kommt nie an, weil ein anderer die Melodie auf der Serviette entdeckt, für sein Eigentum ausgibt und sie für einen vergeigten Werbespot verwendet.

Der Einstieg in den Fernsehfilm “Die Ohrfeige” ist furios. Gezündet wird ein telegenes Feuerwerk mit Knalleffekten und einer Überraschung nach der anderen. “Kleiner Auslöser mit großen Folgen”, so bringt der Autor-Regisseur Johannes Fabrick das formale Prinzip seiner absurden Geschichte auf den Punkt. “Die Idee war, eine Ereigniskette zu entwickeln, in die nach und nach alle Hauptfiguren verstrickt werden.” Fabrick wollte aber mehr als nur den komödiantischen Zufall walten zu lassen. Seine Figuren sollten auch über das Leben nachdenken, darüber, ob die Zukunft vorherbestimmt ist oder nicht. “Kann es so etwas geben wie prophetische Träume?”, fragt sich ein morgens geschlagener und nachmittags verwirrter Mann. Seine Frau hatte geträumt, er würde sie mit einer Jüngeren betrügen. Und jetzt steht er da, mit heruntergelassener Hose. Vor ihm, kniend, die Traumfrau schlechthin, eindeutig zweideutig. Doch beide gerieten ohne erotischen Hintergedanken in diese delikate Lage.

Die OhrfeigeFoto: BR / ORF
Etwas Außergewöhnliches bahnt sich an. Julia Stemberger und Alexander Lutz

Mavie Hörbiger ist das sprichwörtliche “süße Maderl” in diesem Film, der im österreichischen Graz spielt. “Sie schaut ihn an – und da geht ja wirklich so a bisserl die Welt auf”, schwärmt der Regisseur von ihrer Natürlichkeit. “Ich war beeindruckt von dieser großen Wirkung, die sie mit ganz wenig hervorrufen kann.” Auch die anderen Darsteller treffen den richtigen Ton zwischen Farce und Ernsthaftigkeit. Herbert Knaup unterzieht seine Figur dem Wandel vom knallharten Banker zur Erleuchtung. Alexander Lutz gibt den romantischen Künstler, der überall Böses wittert. Und Julia Stembergers Agenturchefin spürt, was das Leben noch bereithalten kann außer Stress, dummen Mitarbeitern und egozentrischen Kunden.

“Die Ohrfeige” ist ein Spiel mit Möglichkeiten. Menschen probieren sich neu aus, der Zufall hilft nach. Weil Fabrick das als Märchen erzählt und nicht als Melodram, weil ihm der Zen-Buddhismus und der Zauber einer Vollmondnacht näher sind als Midlife-Krisen frustrierter Karrieristen, hat sein Film so ganz und gar nichts zu tun mit den grassierenden Selbstfindungskomödien. “Ich wollte mal ausbrechen aus der Geradlinigkeit und Alltäglichkeit solcher herkömmlichen Fernsehgeschichten”, sagt der Österreicher. “Die Ohrfeige” ist ein ungewöhnlicher Film. Kein Wunder, dass Fabrick der “Degetoisierung” des deutschen Fernsehens kritisch gegenübersteht. “Man macht, was man glaubt, was andere sehen wollen”, kritisiert Fabrick die Redakteure. Das treibe seltsame Blüten. Die Verantwortlichen würden sich herausreden: “Das ist ja nicht mein Geschmack, das wollen die Leute sehen.” Fabrick: “Das ist eine völlig verlogene Situation.” (Text-Stand: 30.8.2006)

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Fernsehfilm

BR, ORF

Mit Mavie Hörbiger, Herbert Knaup, Julia Stemberger, Alexander Lutz, Gabriela Benesch

Kamera: Helmut Wimmer

Szenenbild: Rudi Czettel

Schnitt: Hana Müllner

Musik: Günter Mokesch

Produktionsfirma: epo-Film

Drehbuch: Johannes Fabrick

Regie: Johannes Fabrick

EA: 30.08.2006 20:15 Uhr | ARD

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