Die Drei von der Müllabfuhr – Zu gut für die Tonne / (K)eine saubere Sache

Uwe Ochsenknecht, Hentschel, Arami, Gricksch, Drache, Hagen Bogdanski. "Mülle" & Zeitgeist

Foto: Degeto / Hagen Bogdanski
Foto Rainer Tittelbach

Ganz schön kompliziert geworden, die Welt. Mit Solidarität und dem Herz am rechten Fleck ist es nicht mehr immer getan. Schwere Zeiten also für Werner Träsch? Keineswegs. Ist dieser Müllwerker auch nicht belesen wie Kollege Ralle, so ist er doch stets offen für Neues und dankbar für Anregungen, die sein altruistisches Weltbild sinnvoll ergänzen. Und so muss der „Käpt’n“ einsehen, dass „Containern“ kein Diebstahl ist, das Transsexualität nichts mit Verkeiden zu tun hat und dass die Sache mit der Frauenemanzipation bei der Müllabfuhr komplizierter sein kann als gedacht. Der erste der beiden neuen Filme der Kiez-Reihe „Die Drei von der Müllabfuhr“ (Degeto / Bavaria Fiction) kommt mitunter etwas didaktisch daher. Dafür versöhnt der zweite über die folgenschwere Vereinsamung älterer Menschen in der Großstadt mit Plots, die sich stimmiger aus den Alltagssituationen entwickeln, mit mehr Aktionen der Protagonisten, vielschichtigeren Charakteren und starken Episoden-Darstellern. Die Folge: Die Episode „(K)eine saubere Sache“ berührt stärker. Das spricht nicht gegen relevante, gesellschaftskritische Diskurs-Themen, erst recht nicht gegen die im Film behandelten, es spricht nur gegen ein allzu durchsichtiges, pädagogisches Konzept.

Ganz schön kompliziert geworden, die Welt. Mit Solidarität und dem Herz am rechten Fleck ist es nicht mehr immer getan. Schwere Zeiten also für Werner Träsch (Uwe Ochsenknecht), den Kümmerer in Orange, der seinen Kiez kennt, aber mit den gesellschaftspolitischen Themen der Zeit nicht ganz so vertraut ist? Mitnichten. Ist dieser Müllwerker auch nicht gebildet und belesen wie Ralle (Jörn Hentschel), sein Kollege und Freund am Steuer, so ist er doch stets offen für Neues und dankbar für Anregungen, die sein altruistisches Weltbild sinnvoll ergänzen. Ihm bleibt allerdings auch nichts anderes übrig mit einer Journalistin (Laura Louisa Garde) zur Tochter, einer Lebenspartnerin wie Späti-Besitzerin Gabi (Adelheid Kleineidam) und mit einem jugendlichen Mit-Müllwerker (Aram Arami), der ihm zwar bei seinem sozialen Engagement nacheifert, aber mit einem Elan, den ein Sechzigjähriger nicht mehr ständig aufbringen kann. Und so muss Werner einsehen, dass „Containern“ kein Diebstahl ist, sondern für etliche Menschen in Berlin überlebenswichtig, und er lernt von Gabis Neffen Tim (Lukas Leibe), der übergangsweise bei ihm wohnt, und seiner Aktivistengruppe noch einiges mehr über unsere deutsche Wegwerfgesellschaft: 15 Millionen Tonnen Lebensmittel jährlich – einfach nur unfassbar. Und er lernt – nachdem ein Transmann bei der „Mülle“ mitrackert – sogar einiges über Transsexualität.

Die Drei von der Müllabfuhr – Zu gut für die Tonne / (K)eine saubere SacheFoto: Degeto / Hagen Bogdanski
Auch die unwissenden Zuschauer sollen am Freitagabend abgeholt werden. Für jede Meinung, jede Haltung zum Thema findet sich auch ein Vertreter im Film. Der Bäcker (Jean Denis Römer) ist noch skeptisch, was die Lebensmittelrettungsaktion von Lina (Sofie Eifertinger), Gabi (Adelheid Kleineidam) und Tim (Lukas Leibe) angeht. Doch letzterer hat stets überzeugende Argumente parat. So können Informationen zum Thema Nahrungsmittelspenden recht geschickt in die Handlung integriert werden.

„Zu gut für die Tonne“, der siebte Film aus der ARD-Reihe „Die Drei von der Müllabfuhr“, wird also zur Lehrstunde für Uwe Ochsenknechts Werner Träsch, diese Held-des-Alltags- und Identifikationsfigur für die ARD-Unterhaltungsfilm-Zielgruppe am Freitagabend, die das Helfersyndrom gesellschaftlich relevant ausleben darf. Dass eine der Episodenhauptfiguren Lehrer werden möchte, passt ins Bild. Für die Ü60-Zielgruppe mag erheblicher Informationsbedarf bestehen bei Themen wie „Containern“ oder Trans-Identität. Mit einem etwas blauäugigen Vermittler, fremdelnd mit dem Zeitgeist wie viele seiner Generation, aber eben doch wohlwollend und tolerant in seinem Verhalten, kann eine solche leichte Dramödie auch „einen Beitrag zur kritischen Bewusstseinsbildung leisten“ (Presseheft). So dürften sich das die Macher gedacht haben. Träsch nicht wie in den ersten Episoden zum Maß aller moralischen Dinge zu machen und den Kiez zum Nabel der Welt, war eine gute Entscheidung. Diese Erweiterung der Perspektive schafft Raum für Entwicklung, für neue Erfahrungen und Einsichten. Andererseits geht gerade in der ersten der beiden neuen Episoden (Buch: Gernot Gricksch) etwas verloren vom Charme des Alltags, der früher die Kiez-Momentaufnahmen belebte. In der ersten Hälfte von „Zu gut für die Tonne“ werden soziale Themen und individuelle Probleme angehäuft, dass keine Zeit für die stimmigen Details bleibt, die für die Reihe bisher typisch waren. Und so werden die Geschichten vom Kritiker nicht als Alltags-Geschichten wahrgenommen, sondern als dramaturgisches Konstrukt. Erst als alle Konflikte auf dem Tisch liegen, findet der Film zu sich selbst, und es schlägt die Stunde der Charaktere.

Die Drei von der Müllabfuhr – Zu gut für die Tonne / (K)eine saubere SacheFoto: Degeto / Hagen Bogdanski
Sich gegenseitig helfen gehört zum Alltag, ist das Credo der drei „Jungs“ von der Müllabfuhr. Pamela (Gisa Flake), die übermotivierte „Solistin“, einst Kugelstoßerin, will „männlicher“ sein als jeder Mann. Sie setzt sich selbst unter Druck: Gerade als Frau dürfe sie keine Schwäche zeigen. Diesen „Quatsch“ kann ihr „der Käpt’n“ ausreden. Und als Ex-Altenpflegerin kann sie sich bald einbringen in den A-Plot.

Stimmiger werden die Geschichten in der zweiten Episode (Buch: Julia Drache) erzählt. In „(K)eine saubere Sache“ hat man wieder mehr den Eindruck, dass sich die Themen aus dem Alltagsleben ergeben. Dazu gehört, dass sich das feste Personal wieder öfter trifft: Eine Szene zwischen Werner und Gabi im Bett, seine Tochter Annika mit Tarik beim Restaurant-Besuch, eine Stippvisite des Müllwerkers beim alten, vereinsamten Kowalski – aus solchen Alltags-Situationen ergeben sich nach und nach die Geschichten. Und weil keine Fakten referiert werden, sondern großartige Mimen wie Jutta Wachowiak und Axel Werner universale Gefühle zum Ausdruck bringen, kommen einem die Charaktere und geht einem diese Geschichte sehr nahe. Eine Frau, die sich bei alten, alleinstehenden Menschen als Haushälterin in deren Leben einschleicht (Victoria Mayer), hat es auf deren Wohnungen abgesehen. Auch der B-Plot bringt mit dem weiblichen Zuwachs im Führerhaus Emotionen ins Spiel, obwohl es Pamela (eine Wucht: Gisa Flake) selbst nicht so hat mit dem Zeigen von Gefühlen. Die übermotivierte „Solistin“, einst Kugelstoßerin und Altenpflegerin, will „männlicher“ sein als jeder Mann. Das kann nicht lange gut gehen mit dem eingeschworenen Trio, das auf Teamgeist setzt. Und dann bekommt diese etwas schwierige Frau vom „Käpt’n“ auch noch ein anzügliches Präsent.

Die Drei von der Müllabfuhr – Zu gut für die Tonne / (K)eine saubere SacheFoto: Degeto / Hagen Bogdanski
Während in der ersten neuen Episode tief in die Zeitgeist-Themen-Kiste gegriffen wird, werden in „(K)eine saubere Sache“ die Geschichten eher beiläufig aus dem Alltag der Menschen enwickelt. Das hat auch mit den starken Gast-Schauspielern zu tun: Jutta Wachowiak & Axel Werner brillieren – neben Victoria Mayer & Gisa Flake.

Soundtrack:
„Zu gut für die Tonne“: Aimee Mann („Save me“), Ton Steine Scherben („Halt dich an deiner Liebe fest“), Queen & David Bowie („Under Pressure“), Tom Waits („Tom Trauberts Blues (Waltzing Matilda)“)
„(K)eine saubere Sache“: Aretha Franklin („Respect“), Paul Kuhn („Eine Freundin so goldig wie du“), Bill Conti („Gonna Fly Now“), The Nat „King“ Cole Trio („A Woman always understands“), Beatles („With A Little Help from my Friends“)

Aha-Effekte gibt es auch in diesem Film: Dass ein Restaurant, das keinerlei Müll produziert, dennoch für die leer bleibenden Müllcontainer bezahlen muss, wird hier allerdings angenehm beiläufig nebenher erzählt. Und während in der „Tonnen“-Episode über allem der verbal behauptete und mit Buhmännern künstlich hochgejazzte Prozess zwischen einem Wachmann (Karl Schaper) und Werner & Co schwebt, sind in „(K)eine saubere Sache“ die Beteiligten physisch handelnd statt nur verbal aktiv. Die Bedrohungslage ist sehr konkret, wird hautnah im Bild vermittelt, und eine Frau, die hilflose Menschen um ihre Existenz bringt, kann sich zudem der Antipathie der Zuschauer*innen sicher sein (wobei Mayer diese Frau angenehm zurückhaltend spielt). Die etwas künstlich konstruiert wirkende Wegwerf- und Armuts-Geschichte in „Zu gut für die Tonne“ endet zwar mit einer originellen szenischen Lösung, in der die zerstrittenen Parteien anstatt im Gerichtssaal bei einem Festmahl mit Container-Zutaten aufeinandertreffen, setzt aber für den finalen Haltungswandel auf eine „Moralpredigt“. Das ist kein Argument gegen gesellschaftskritische Diskurs-Themen, erst recht nicht gegen das im Film behandelte, sondern ein Argument für ein effektiveres Erzählen, das weniger auf ein solches altväterlich pädagogisches Konzept setzt. Und auch wenn eine Filmfigur Lehrer werden will, in die Schule möchte am Freitagabend dann doch keiner mehr zurück.

Die Drei von der Müllabfuhr – Zu gut für die Tonne / (K)eine saubere SacheFoto: Degeto / Hagen Bogdanski
Launiges Ritual am Ende. Die Reihe könnte mehr solcher Momente vertragen. Der Saure-Milch-Joke in „Zu gut für die Tonne“ kommt gut. Uwe Ochsenknecht & Rainer Strecker

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Reihe

ARD Degeto

Mit Uwe Ochsenknecht, Jörn Hentschel, Aram Arami, Rainer Strecker, Adelheid Kleineidam, Laura Louisa Garde, Martin Glade; (1) Sofie Eifertinger, Lukas Leibe, Karl Schaper (2) Gisa Flake, Jutta Wachowiak, Axel Werner, Victoria Mayer

Kamera: Hagen Bogdanski

Szenenbild: Sebastian Wurm

Kostüm: Riccarda Merten-Eicher

Schnitt: Aletta von Vietinghoff

Musik: Biber Gullatz, Lukas Kiedaisch

Redaktion: Barbara Süßmann, Stefan Kruppa (beide Degeto)

Produktionsfirma: Bavaria Fiction

Produktion: Doris Zander

Drehbuch: Gernot Gricksch, Julia Drache

Regie: Hagen Bogdanski

Quote: (1): 3,84 Mio. Zuschauer (14,2% MA); (2): 4,22 Mio. (15,9% MA)

EA: 14.10.2022 20:15 Uhr | ARD

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