
Der Fernsehfilm „Nichts, was uns passiert“ (WDR / Gaumont) weitet den Blick für das gesellschaftliche Phänomen sexualisierte Gewalt und sensibilisiert für seine strukturellen Zwischentöne. Die Hauptfigur will nicht nur „keines dieser Metoo-Opfer“ sein, auch die Erfahrungen jener Nacht und ihre Gefühle danach gehören für sie nicht zu einem typischen Vergewaltigungsszenario, wie es ihr die Gesellschaft vorerzählt hat. Der Film von von Julia C. Kaiser geht von der Prämisse aus, dass es mehrere Wahrheiten gibt, insbesondere bei solch schwierigen Sachverhalten, und dass dabei eine Person nicht vorsätzlich lügen muss. Indem die Autorenfilmerin eine Podcasterin einführt, die nicht nur die beiden Hauptbetroffenen interviewt, baut sie klug eine Diskurs-Ebene in die Narration ein, die deutlich macht, wie komplex diese spezielle Kommunikation einer Vergewaltigung ist. Das multiperspektivische Erzählen und der Verzicht auf jegliche Art von Voyeurismus, also auch das Ausblenden der dramatischen Ereignisse in jener Nacht, erweisen sich – auch für den Betrachter – als zwingend. Ja geradezu vorbildlich ist diese Dramaturgie mit ihrer sprunghaften und doch homogen wirkenden Erzählung, in der die Zeiten & Standpunkte stimmig ineinanderfließen, emotional moderiert von der unglaublich präsenten, preiswürdigen Emma Drogunova.