
Ein gesellschaftlich rehabilitierter Täter trifft auf eine Mutter, die den Mord an ihrer Tochter nicht verwinden kann. Nach Aktenlage ein abgeschlossener Fall, in der Realität der Beginn einer tödlichen Verstrickung. „Zwei Seiten des Abgrunds“ (Warner Bros. ITVP / RTL+) von Anno Saul (Regie) nach dem komplexen Drehbuch von Kristin Derfler dekliniert Schuld und Mitschuld neu und fächert das Schwarz-Weiß-Bild von Täter und Opfer in verschiedene Graustufen auf. Sechs Folgen lang springt die Serie zwischen der Zeit des Verbrechens und der Wiederbegegnung dreier Menschen, die mit ihren seelischen Verletzungen ringen. Keine der Figuren lädt zur einfachen Identifikation ein, schroff und sperrig halten sie den Zuschauer auf Distanz. Visuell grau-blau ausgeleuchtet bietet der Thriller dabei sehenswerte Schauplätze und kehrt, dem Grundton treu, im anbrechenden Frühjahr in den Winter zurück. Das Finale im Eis hat Schwächen und stellt darüber hinaus eine zweite Runde in Aussicht.